Ich habe das „Modern Magic“-Bundle eine ganze Weile ruhen lassen, weil mir die neunte Geschichte in der Sammlung („The Soul Cages“ von Nicole Givens Kurtz) überhaupt nicht zugesagt hatte. Nachdem ich mich wochenlang dabei ertappte, dass ich alles andere lieber tat, als einen Absatz im Buch zu lesen, habe ich den Roman abgebrochen. Weiter geht es also mit der zehnten Geschichte in dem Bundle, mit „Nobody Gets the Girl“ von James Maxey. Wenn ich das richtig recherchiert habe, dann ist das der erste Titel einer zweiteiligen Serie, wobei zwischen den beiden Romanen neun Jahre liegen, was bei mir immer den Verdacht erweckt, dass der Autor die Handlung ursprünglich nicht weiterschreiben wollte. Auf jeden Fall scheinen im zweiten Teil die „Bösewichte“ zu Wort zu kommen, was ich grundsätzlich nicht uninteressant finde.
Doch erst einmal zu „Nobody Gets the Girl“. Richard Rogers scheint ein ganz normaler langweilige Mann zu sein, wenn man davon absieht, dass er in seiner Freizeit als Stand-up Comedian unterwegs ist. Damit kommt er beim Publikum auch ganz gut an, aber es hat ihm immer der Mut (und die Unterstützung seiner Frau) gefehlt, um seinen Alltagsjob zu kündigen und mehr aus seinem Hobby zu machen. Als er eines morgens aufwacht und feststellen muss, dass anscheinend über Nacht ein fremdes Ehepaar in sein Haus gezogen ist und niemand ihn mehr sehen kann, muss er sein eingefahrenes Leben hinter sich lassen und beginnt eine Karriere als der Superheld „Nobody“. Wobei ich zugeben muss, dass Nobody nicht gerade besonders superheldenhaft ist, aber genau das macht die Geschichte auch so lesenswert und den Protagonisten – trotz all seiner Fehler – so sympathisch.
Da dieser Teil sehr früh im Roman geklärt wird, gehe ich mal auf den Grund für Richards Veränderung ein: Als ein (verrückter?) Wissenschafter eine Zeitreise machte, um die Welt zu retten, hat er aus Versehen dafür gesorgt, dass Richard nie gezeugt wurde. Doch da Richard selber sich an sein Leben und an all die Dinge, die er getan hat, erinnern kann und an seiner Existenz festhält, wird er nicht einfach aus dieser Welt ohne seine Geburt gelöscht, sondern lebt gewissermaßen parallel zur restlichen Welt. Was dazu führt, dass nur diejenigen, die kein Problem damit haben, die unglaubwürdige Tatsache, dass es einen unsichtbaren Menschen gibt, zu als wahr anzusehen, ihn sehen können. (Wobei ich mich da gerade frage, ob der Autor nicht einen Denkfehler bei den „Sichtbar-Unsichtbarkeits-Regeln“ gemacht hat.) Da der Wissenschaftler verantwortlich für Richards Unsichtbarkeit ist und Verwendung für einen unsichtbaren Spion hätte, heuert er Nobody an, um seinen Erzfeind, den zerstörerischen Rex Monday, aufzuspüren und zu vernichten.
Ich fand es sehr schön, wie James Maxey mit einer klassischen Superheldenwelt spielt und einen ganz normalen durchschnittlichen Menschen ohne besondere Fähigkeiten in die Konflikte zwischen einem guten und einen bösen Genie wirft. Wobei man als Leser zwar anfangs problemlos akzeptieren kann, dass der Wissenschaftler, der an Richards Situation Schuld ist, der Gute in der Geschichte ist, aber sich doch sehr schnell fragt, ob es wirklich noch „gut“ ist, wenn man für die Verwirklichung seiner heeren Ziele zu unlauteren Mitteln greift. Auch die beiden (erwachsenen) Töchter des Doktors, die selber als Superheldinnen berühmt sind, scheinen durch die Tatsache, dass sie über solche Mächte verfügen, korrumpiert zu sein, obwohl sie nichts anderes tun wollen, als die Menschheit zu beschützen.
Wenn ich ehrlich bin, dann bringt James Maxey eigentlich gar nicht so viel Neues rund um die ewige Diskussion, welche Verpflichtungen übermächtige Fähigkeiten (in Superhelden-Universen) mit sich bringen und wo der Punkt ist, ab dem die guten Absichten in „böse“ Handlungen und Machtmissbrauch umschlagen. Aber ich mochte es, wie man diese Welt und die verschiedenen Parteien durch die Augen von Nobody kennenlernt und Stück für Stück weitere Informationen zu den Motiven und Handlungen der unterschiedlichen Gruppierungen erhält. Ich habe mir beim Lesen viele Gedanken darüber gemacht, welche Lösungen es vielleicht für die verschiedenen Probleme gäbe und wie man mit den beiden gegensätzlichen Parteien wohl umgehen müsste. Aber vor allem die kleinen Dinge fand ich faszinierend, wie die Vorstellung was wohl mit einem Mann passiert, der theoretisch in der Lage ist, die Gedanken aller Menschen auf der Welt zu lesen – und wie es wohl wäre als seine Tochter aufzuwachsen …