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Laura Amy Schlitz: Clara und die Magie des Puppenmeisters

„Clara und die Magie des Puppenmeisters“ von Laura Amy Schlitz war eine Spontanausleihe in der Bibliothek und hat mir beim Lesen großes Vergnügen bereitet. Die Geschichte spielt zum Großteil im November und Dezember 1860 in London und beginnt mit dem zwölften Geburtstag von Clara Wintermute. Das Mädchen ist die einzige Tochter eines wohlhabenden Arztes und seiner Frau – und die einzige Überlebende von insgesamt fünf Geschwistern. So ist Claras Leben vor allem vom Gedenken an ihre verstorbenen Brüder und Schwestern geprägt, was sie sehr belastet. Umso mehr freut sie sich, als ihr Vater zugestimmt hat, dass der Puppenspieler zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen wird, den sie vor einigen Tagen bei einem Spaziergang mit ihrer Gouvernante im Park gesehen hat.

Natürlich kann Clara zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass „Professor“ Grisini, der gemeinsam mit seinen beiden jungen Helfern Parsefall (der ein Künstler mit den Marionetten und auch sonst sehr geschickt mit seinen Fingern ist) und Lizzie Rose (die unter anderem für die musikalische Untermalung zuständig ist) die transportable Puppenbühne betreibt, ein skrupelloser und gefährlicher Mann mit übernatürlichen Fähigkeiten ist. So liegt der Verdacht nahe, dass der Puppenmeister seine Hände im Spiel hat, als Clara kurz nach ihrem Geburtstag verschwindet. Auch Lizzie Rose und Parsefall gehen davon aus, dass ihr Vormund etwas mit dem Verbrechen zu tun hat. Doch solange sie von Grisini abhängig sind und ihr Alltag so beschwerlich und von Entbehrungen geprägt ist, sind Claras Schwierigkeiten nicht ihre oberste Priorität.

Im Laufe der Handlung findet der Leser – ebenso wie auch Lizzie Rose und Parsefall – mehr über Grisini, über Claras Verbleib, über die Magie und über die Hexe Cassandra, die letztendlich der Auslöser für all die Ereignisse ist, heraus. So sind Lizzie Rose und Parsefall für mich die eigentlichen Hauptfiguren in der Geschichte, da sie es sind, die die Handlung vorantreiben und um deren Schicksal es immer wieder geht – was mit ein Grund dafür ist, warum ich den Originaltitel, „Splendors and Glooms“, deutlich passender finde als den deutschen. Auch beschreibt der Originaltitel die wundervolle Atmosphäre der Geschichte viel besser. Das ganze Buch ist bestimmt von einer Mischung aus Trauer und Bedrücktheit, aber auch Freundschaft und der Fähigkeit, für kleine Dinge dankbar zu sein und sie zu genießen. Dabei gibt es auch immer wieder sehr hübsche amüsante Momente, die mich zum Schmunzeln gebracht haben.

Laura Amy Schlitz ist es gelungen, sowohl Claras Leben als „armes reiches Mädchen“ im materiellen Überfluss als auch Lizzie Roses und Parsefalls Alltag in Armut und Angst, aber dafür mit der Magie des Puppenspiels und dem – zumindest ab und an aufkommenden – Zusammenhalt der beiden überzeugend zu beschreiben. Abgesehen von Grisini wird keine Figur rein schwarz oder weiß beschrieben und selbst der Puppenmeister bekommt eine sympathische Seite, wenn man bedenkt, welche Bedeutung das Marionettentheater für ihn hat. Jeder Charakter hat seine Stärken und Schwächen und selbst wenn man jemanden nicht unbedingt sympathisch findet, so kann man doch die Beweggründe der betreffenden Person verstehen und nachvollziehen, wie es dazu kam, dass sich derjenige so entwickelt hat.

Die Magie zieht sich durch den gesamten Roman, ohne dabei im Vordergrund zu stehen. Dabei dreht es sich nicht nur um die Zauber, die Grisini und die Hexe Cassandra beherrschen, sondern auch um die Magie, die das (Puppen-)Theater ausüben kann oder die durch Gefühle und Träume entsteht. Die Magie ist durchgehend da, und gerade gegen Ende wird den Protagonisten immer bewusster, worum es eigentlich geht. Das führt zu sehr emotionalen Momenten. Dennoch haben mir vor allem die ganzen kleinen Alltagsszenen rund um Lizzie Rose und Parsefall gefallen sowie die Szenen, in denen Clara die Gelegenheit bekommt, in ganz andere Lebensumstände hineinzuschnuppern.

Insgesamt war das einfach ein wirklich schöner und atmosphärisch geschriebener Roman mit tollen Charakteren, wunderbar unheimlichen Momenten und immer wieder überraschenden Entwicklungen.