Der zweite Echo-Falls-Roman bietet zu Anfang so gut wie keine Krimihandlung und konzentriert sich dafür intensiv auf die Familie der dreizehnjährigen Ingrid. Viele Elemente, die sich in
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Peter Abrahams: Was geschah in Echo Falls?
Als erstes muss ich übrigens anmerken, dass ich etwas verwirrt war, weil meine HC-Ausgabe keinen richtigen Rückentext aufweist, sondern dafür eine sehr lange Empfehlung von Stephen King, mit der er dem Leser das Buch ans Herz legt. Es ist ja schön, dass der Roman dem Herren gefallen hat, aber eigentlich ist mir seine Meinung recht gleichgültig. Dafür hat mich die Inhaltsangabe innen dann ein bisschen gespoilert – das hätte man schon etwas geschickter machen können.
In „Was geschah in Echo Falls“ ist die dreizehnjährige Ingrid die Hauptfigur. Sie liebt Sherlock-Holmes-Geschichten (und kennt sie so gut, dass sie jederzeit daraus zitieren kann), spielt gerne Theater und Fußball, verliert sich manchmal in Tagträumen und führt ansonsten ein recht normales Leben. Zumindest ist das bis zu dem Tag so, an dem sich Ingrid auf dem Weg zum Fußballtraining in ihrer kleinen Stadt verirrt. Während sie sich noch fragt, wie sie wieder nach Hause finden soll, trifft sie auf „Müll-Katie“ (Kate) – eine in der Stadt wegen ihrer Seltsamkeit verrufenen Frau -, die so nett ist und für Ingrid ein Taxi ruft.
Kurz darauf liest Ingrid in der Zeitung, dass Kate am Nachmittag ihres Zusammentreffens ermordet worden ist. Von diesem Zeitpunkt an lässt sie die Frage nicht los, wer der Täter sein könnte. Und als sie sich dann auch noch gezwungen sieht in Kates Haus einzubrechen, um etwas zu holen, das sie dort vergessen hatte, findet sie sogar Hinweise auf das Motiv für das Verbrechen. Obwohl sich das Ganze nun nach einem klassischen Kriminalroman anhört, ist es gar nicht der eigentliche Fall, der dafür sorgte, dass ich Spaß beim Lesen hatte. Der Krimianteil ist nicht mehr als nett und stellenweise sogar sehr vorhersehbar, aber dafür habe ich Ingrid schnell ins Herz geschlossen.
Während Kiya bemängelt, dass Ingrid nicht zu Beginn gleich zur Polizei geht, fand ich es ganz natürlich, dass sie dafür anfangs noch keine Notwendigkeit sieht. Sie hat zwar anscheinend als Letzte Kate vor dem Mord gesehen, ist sich aber sicher, dass sie nichts relevantes auszusagen hat. Und wenn sie zur Polizei gehen würde, müsste sie ihren Eltern beichten, dass sie sie angelogen hat und dass sie sich auf der Strecke zwischen ihrem Zahnarzt und dem Fußballtraining verlaufen hat (wie peinlich!), mal davon abgesehen, dass ihre Eltern bestimmt auch nicht begeistert wären, wenn sie wüssten, dass Ingrid Kontakt zu „Müll-Katie“ hatte.
In gewisser Weise finde ich die Familienverhältnisse von Ingrid faszinierend. Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Familie. Der Vater ist der Vermögensberater der reichsten Familie der Stadt, die Mutter arbeitet als Immobilenmarklerin, der große Bruder ist ein hervorragender Footballer und der Großvater „Grampy“ ein dickköpfiger ehemaliger Farmer, der alles daran setzt, um seinen Hof so zu behalten wie er ist. Aber je aufmerksamer Ingrid im Laufe des Buches durch die Gegend geht, desto mehr Unstimmigkeiten fallen einem auf. So fährt der Vater zwar einen großen Wagen, aber das Mädchen erinnert sich an Streitigkeiten zwischen seinen Eltern, bei denen es um die Ratenzahlungen für das Auto ging.
Und obwohl ihr großer Bruder Ty ein erfolgreicher Sportler ist und alle Erwartungen seines Vaters erfüllt, scheint er nicht glücklich zu sein. Dazu kommen noch gesundheitliche Auffälligkeiten und eine übermäßige Aggressivität gegenüber der kleinen Schwester, während Ingrid von ihren Eltern mit allen Mitteln zum Sport und zur Mathematik gedrängt wird, damit sie später eine Eliteuniversität besuchen kann. All das zeigt, dass die auf den ersten Blick so normale heile Familie gar nicht so gut funktioniert, dabei bietet einem Peter Abrahams keine einfachen Erklärungen für die vielen verschiedenen Szenen, sondern lässt sie einfach im Raum stehen, was mir besonders gut gefällt.
Ich weiß nicht, ob Jugendliche so schnell dahinterkommen, welche Probleme in Ingrids Familie herrschen, aber mir gefällt es, dass nicht alles ausgesprochen wird. Noch bleibt die Geschichte konsequent auf dem Wissensstand, den Ingrid hat, egal wie viele Gedanken man sich über all die Hintergründe machen kann. Diese Familienkonstellation, all die Anspielungen auf Sherlock Holmes und der kleine Hauch von „Liebes“geschichte, haben mir wirklich viel Vergnügen bereitet. Da konnte ich auch locker darüber hinwegsehen, dass der Krimianteil etwas vorhersehbar und nicht ganz so schlüssig war. Und nun bin ich so neugierig darauf, wie es mit Ingrid weitergeht, dass ich mir die beiden anderen bislang erschienenen Bände gleich in der Bibliothek vorgemerkt habe.