Ich warne euch lieber gleich vor, denn diese Rezension könnte etwas unstrukturiert (und lang) werden. Es ist schon ein paar Tage her, dass ich das Buch gelesen habe, und trotzdem bin ich mir noch immer nicht so ganz sicher, was ich von „Der Monstrumologe“ wirklich halte. Normalerweise lasse ich dann einfach die Geschichte etwas sacken, während ich gar nicht oder ein anderes Genre lese, aber hier funktioniert das nicht so ganz. Also bekommt ihr jetzt einfach so meine Meinung, etwas ungeordnet, vielleicht auch etwas widersprüchlich, aber wer weiß, vielleicht hilft es euch, um ein Bild von diesem Buch zu bekommen.
Als ich den Roman im Lübbe-Programm sah, war ich fasziniert – wusste aber nicht so recht, was für eine Geschichte mich da erwarten würde. Die Hauptfigur ist Will Henry, ein Junge, der seit dem Tod seiner Eltern für den seltsamen Dr. Warthrop arbeitet. Der Doktor ist Monstrumologe und beschäftigt sich mit der Erforschung und Vernichtung von Monstern – was für Will Henry dazu führt, dass er trotz seiner gerade mal zwölf Jahre schon allerlei grauenhafte Dinge in seinem Leben gesehen hat. Ganz ehrlich, wenn ich in seinem Alter solch ein Leben geführt hätte, dann hätte ich nicht nur Angst davor, in das Keller-Labor meines Arbeitgebers zu gehen, sondern auch davor, überhaupt in der Nacht die Augen zuzumachen!
Als erstes ist mir bei dem Buch das Cover ins Auge gefallen – ich mag diesen Linolschnitt-Eindruck und der setzt sich auch bei den Illustrationen im Inneren des Buches fort. Sehr dunkle Bilder, die monströse Dinge zeigen, wie es sich für eine solch gruselige Geschichte gehört. Und obwohl das Alter von Will Henry und die liebevolle Aufmachung den Gedanken an ein Jugendbuch nahelegen (ein Blick auf die Amazon-Rezensionen zeigte mir, dass ich nicht allein mit der Vermutung war), würde ich sagen, dass die dort zu findende Altersempfehlung „ab 14 Jahren“ meiner Meinung nach deutlich zu tief gegriffen ist.
Auch wenn der durchschnittliche Teenager wohl etwas härter im Nehmen ist, als ich es in dem Alter war, so gibt es zu viele Szenen in der Geschichte, in denen Blut und Eingeweide spritzen, in denen Menschen mehr oder wenig kaltblütig ermordet werden, und Momente, in denen so ekelige Sachen beschrieben werden, dass ich das Buch für einen Augenblick aus der Hand legen musste. Dabei hatte ich nicht das Gefühl, dass Rick Yancey diese Dinge beschreibt, um ekelhaft zu sein, sondern deshalb, weil es eben genau so zu dieser Geschichte gehört – und das ist schon wieder ein Kompliment für den Autor, da ich doch nur zu gern unterstelle, dass jemand hofft, dass sich sein Buch über den Ekelfaktor verkauft, wenn die Handlung und die Charaktere schon nicht so gelungen sind.
Dabei zieht sich das erste Drittel der Geschichte schon etwas hin – ich habe für diesen Teil fünf Tage gebraucht, weil ich einfach nicht richtig reingekommen bin. Dabei ist die Grundsituation schon spannend: Ein Leichenräuber kommt eines Nachts zum Haus von Dr. Warthrop, weil er eine unheimliche Entdeckung gemacht hat. Er bringt dem Wissenschaftler eine Mädchenleiche, in die sich ein grauenhaftes Monster verbissen hat. Schnell steht für Dr. Warthrop fest, dass eine ganze Population dieser Viecher in der kleinen Stadt in Neuengland heimisch sein muss – und dass er zusammen mit Will Henry diese Monster beseitigen muss, bevor sie die Bevölkerung von New Jerusalem ausrotten. Neben der Suche nach dem Nest dieser Wesen beschäftigen sich der Wissenschaftler und sein Assistent mit der Frage, wie diese Antropophagen überhaupt nach Neuengland kommen konnten …
Mein Problem bei diesem Anfang war weniger die altmodische Sprache, an die hatte ich mich schnell gewöhnt – und dafür, dass die Geschichte 1888 spielen soll, ist die Ausdrucksweise des Autors leicht und flüssig zu lesen. Ich hatte ein Problem mit den Figuren, immer wieder fragte ich mich, warum Will Henry überhaupt nach dem Tod seiner Eltern zu Dr. Warthrop gezogen war, obwohl es andere Alternativen gegeben hätte. Ich fragte mich, warum der Wissenschaftler sich mit einem Kind als Assistenten abgibt, wenn dieser Junge doch vom Alter und den körperlichen Möglichkeiten her eigentlich denkbar ungeeignet für seine Aufgabe ist. Ich habe einfach keinen Zugang zu den beiden gefunden und dann wurde das Rätsel um die Antropophagen auch noch von detaillierten Beschreibungen der gefundenen Leichen überschattet. Okay, zum Teil ist das wirklich mein ganz persönliches Problem, weil ich neue Bücher gern beim Frühstück anfange – und da liest es sich etwas schlecht von blutigen Untersuchungen, Mädchenleichen und monströsen Fortpflanzungsdetails. 😉
Nach dem ersten Drittel zog die Geschichte dann an. Dr. Warthrop und Will Henry waren mir inzwischen vertraut und ich bekam eine Ahnung davon, was die beiden miteinander verband und wie sehr sie eigentlich aufeinander angewiesen waren. Außerdem gab es am Ende des ersten Drittels detaillierte Informationen über die Herkunft der Antropophagen und die Jagdvorbereitungen nahmen konkrete Züge an. Ab diesem Punkt hat mich das Buch wirklich gefesselt, es gab zwar immer noch genügend eklige Stellen, aber die Handlung wurde so spannend, dass ich darüber hinwegsehen konnte. Es waren einfach nur Dinge, die im Laufe der Geschichte passierten – und wenn das bedeutete, dass Will Henry knietief durch alte Leichen waten musste, dann war das eben so und wurde von mir einfach nur registriert, weil ich wissen wollte, was den Jungen am Ende seines Weges erwartet.
Mir fällt es sehr schwer, ein Urteil über dieses Buch zu fällen. Ich lese normalerweise keine üblichen Horrorromane, dafür mag ich aber gruselige Geschichten. Immer mal wieder war ich versucht „Der Monstrumologe“ mit H.P. Lovecraft (den ich übrigens wirklich gern lese) zu vergleichen, aber das trifft es auch nicht – abgesehen vielleicht von der Verbindung zu Neuengland und Will Henrys Perspektive, die mich an einige Lovecraftsche Erzähler erinnerte. Mich hat Rick Yancey letztendlich nicht mit den gruseligen Szenen oder der Jagd auf die Antropophagen gepackt – obwohl ich das vor allem am Ende auch spannend fand -, sondern mit der vielschichtigen Beziehung zwischen Dr. Warthrop und Will Henry.
Das bringt mich aber zu der Frage, für wen dieses Buch überhaupt geeignet ist. Wer auf hintergrundlose Splatterszenen steht oder keine Lust hat, sich in die etwas geschraubte Ausdrucksweise einzulesen, der wird mit „Der Monstrumologe“ auf keinen Fall glücklich. Wer keine Geduld hat, um die ersten 120 Seiten einfach durchzustehen, bevor die Handlung richtig Fahrt aufnimmt, der sollte wohl auch die Finger davon lassen … Wer hingegen Lust auf eine Geschichte hat, in der Horrorelemente mit einer leicht altmodischen Ausdrucksweise und einer komplexen Beziehung zwischen dem Wissenschaftler und seinem Assistenten gemischt wurden, und die sich angenehmerweise von dem Gros an Veröffentlichungen unterscheidet, der sollte gucken, dass er den Roman in einer Buchhandlung in die Finger bekommt und unbedingt einmal reinlesen!