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Simon Winchester: Der Atlantik – Biografie eines Ozeans

„Der Atlantik“ von Simon Winchester ist noch eine Sachbuch-Entdeckung, die ich Hermia zu verdanken habe. Nach ihrer begeisterten Rezension hatte ich das Buch gleich in der Bibliothek vorgemerkt und dann auch überraschend schnell in den Händen halten können. Dass sich das Lesen dann doch einen Monat hingezogen hat, lag eindeutig an mir und nicht an dem Buch, denn das ist wirklich gut und interessant geschrieben. Simon Winchester erzählt in dem Vorwort, wie er als 18-Jähriger das erste Mal mit einem Schiff den Atlantik überquerte und als wie faszinierend er diese Tage auf dem Meer empfand. Später wurde es für ihn normal, den Ozean regelmäßig mit einem Flugzeug zu überbrücken, um beruflich von einem Ort zum anderen zu kommen – und doch hat für ihn diese große Wasserfläche nie ganz an Faszination verloren, bis er schließlich diese Biografie über den Atlantik schrieb.

Ich fand es vor allem spannend, welche Wissensgebiete hier in diesem Buch versammelt werden. In sieben Kapiteln erzählt der Autor von der Entstehung des Ozeans durch die Verschiebung der Kontinentalplatten, von der langsamen Besiedelung der Küstenlandstriche durch die Menschen und den ersten Vorstößen aufs Meer, ebenso wie von der Kunst, die durch den Atlantik geprägt wurde, von den Handelsentwicklungen, Eroberungen und Kriegen, die rund um diesen Ozean stattfanden, von dem sich verändernden Verhältnis der Menschen zum Meer und so vielem mehr.

Ich glaube, es gab keinen Aspekt, den ich in irgendeiner Form langweilig fand, und bei vielen Passagen gab es für mich kleinere und größere Aha-Erlebnisse, weil ich wieder eine Wissenslücke schließen oder ein Thema aus einer anderen Perspektive betrachten konnte. Was mich zu einer Nebenbemerkungen zu den Fußnoten bringt: Angesichts einer solchen Fülle an Informationen fand ich die Fußnoten in diesem Buch wirklich übersichtlich gehalten und ich hatte nie das Gefühl, dass dieser ergänzenden Anmerkungen überflüssig gewesen wären. Dafür gab es hin und wieder kleinere Wiederholungen innerhalb des Textes, weil einige Details nun einmal in verschiedenen Themengebieten eine Rolle spielten, was aber nicht schlimm war, sondern eher der Wissensvertiefung diente.

Bei einem so umfassenden Buch ist es auch nicht verwunderlich, dass all die verschiedenen Themen eigentlich nur angerissen werden können oder es in ein paar Bereichen vor allem zu Aufzählungen kommt, aber das hat Simon Winchester in meinen Augen so gut hinbekommen, dass man nicht das Gefühl hat, es würde zu viel auf einmal in einen Satz gepackt oder einem Gebiet würde zu wenig Beachtung geschenkt. Ich habe eher Lust, mich zu dem einen oder anderen Thema intensiver zu informieren, nachdem ich jetzt so einen faszinierenden Überblick über so viele Ereignisse rund um und auf dem Atlantik bekommen habe.

Allerdings gab es auch eine Menge Dinge, die ich beim Lesen wirklich schwer erträglich fand. Nichts davon war neu für mich, aber es so gehäuft zu lesen (die letzten fünf Kapitel habe ich in zwei Tagen gelesen, weil ich das Buch vor dem Abgabetermin der Bibliothek noch schaffen wollte) war schon etwas belastend. Simon Winchester beschreibt sehr anschaulich – aber ohne dabei seinen sachlichen Ton zu verlieren – wie es auf den Sklavenschiffen aussah, die von Afrika nach Westen segelten, welche Folgen die Überfischung für das Meer und seine Anrainer hat und mit welchem Leichtsinn (oder welcher Skrupellosigkeit) der Atlantik als Mülldeponie genutzt wurde (und wird!). Bei all den deprimierenden Fakten war ich froh über die kleinen persönlichen Anekdoten, die von diversen Erlebnissen des Autors bei seinen vielen Reisen rund um und auf dem Atlantik erzählten und das Ganze etwas auflockerten. Insgesamt hat mir „Der Atlantik“ sehr gut gefallen und ich werde die Augen nach weiteren Büchern von Simon Winchester (über das Meer) aufhalten.