Um Horror mache ich normalerweise einen Bogen – zumindest behaupte ich das immer, auch wenn diverse Horror-Manga und -Hörspiele in meinen Regalen zu finden sind, ebenso wie einige Romane, die man wohl theoretisch diesem Genre zuordnen kann. Hollys Challenge für das Jahr 2010 habe ich zum Anlass genommen, um mir ein paar Tipps geben zu lassen, welchen Autor ich doch mal ausprobieren sollte. Letztendlich bin ich bei Stephen King gelandet, um auch diese Bildungslücke zu schließen.
„Das Mädchen“ wurde mir als King-Anfänger-Geschichte empfohlen. Doch als Buch kam ich nicht so schnell an die gedruckte Fassung ran, aber dafür bot mir die örtliche Bibliothek eine ungekürzte Hörbuchfassung, die von Franziska Pigulla und Joachim Kerzel gelesen wird. Diese beiden Sprecher mag ich wirklich gerne, also war das eine mehr als akzeptable Alternative für mich.
Stephen King erzählt in „Das Mädchen“ die Geschichte von Trisha, die zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder eine Wanderung durch den Wald macht. Ihre Eltern haben sich vor einiger Zeit scheiden lassen und ihr Bruder kommt damit noch nicht so ganz zurecht. Vor allem belastet ihn der Umzug, der mit der Scheidung einherging, und der Umstand, dass er an seiner neuen Schule der absolute Außenseiter ist. Trisha übersteht das Ganze dank der Devise „Augen zu und durch“, sie versucht zwischen allen Beteiligten zu vermitteln und unterdrückt dabei nicht selten ihre eigenen Gefühle.
Doch bei dieser Wanderung ärgert sie sich darüber, dass ihre Mutter und ihr Bruder so mit Streiten beschäftigt sind, dass keiner von ihnen Trishs Wünsche und Bedürfnisse mitbekommt. So schlägt sie sich zum Pinkeln in die Büsche, ohne den beiden Bescheid zu sagen – und verirrt sich kurz darauf im Wald neben dem Appalachian Trial. Doch statt einfach stehen zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass sie schon gefunden wird, macht sich Trisha auf die Suche nach einem Weg und gerät immer tiefer in unwegsames Gelände.
Ich bin etwas zwiegespalten, wenn es um diese Geschichte geht. Die Grundidee gefällt mir und Stephen King hat sehr schön beschrieben, warum das Mädchen welche Entscheidungen trifft und wie sie dadurch immer tiefer in Schwierigkeiten gerät. Mir hat es gefallen, wie entschlossen und findig Trish mit ihrer Situation umgeht und ich fand es spannend zu verfolgen, wie es ihr allein in der Wildnis geht – und natürlich hat mich die Frage beschäftigt, ob sie überlebt.
Auf der anderen Seite hat der Autor nicht wenige Momente eingebaut, in denen Trish regelrecht philosophiert, in denen sie über Baseballweisheiten, die (nicht vorhandenen) religiösen Ansichten ihres Vaters und ihr Bedürfnis nach einem Gebet nachdenkt – und diese Teile fand ich unglaubwürdig. Hey, das Mädchen ist erst neun Jahre alt (na ja, schon fast zehn und groß für ihr Alter), da beschäftigt einen dieses Thema zwar, aber auf einer ganz anderen Ebene.
Außerdem wurden mir die Versuche künstlich Spannung aufzubauen, indem Trish von einem „ES“, einem „DING“, einem „Gott der Verirrten“ verfolgt wird, zu viel. Ich fand es deutlich aufregender, wie sie sich mit der Realität auseinandersetzen musste. Das Mädchen hat sich in einem Gebiet verirrt, in dem es so gut wie keine Menschen gibt, sie fällt Abhänge hinunter, wird von Wespen zerstochen, bekommt schreckliche gesundheitliche Probleme, weil sie sich von Farnen und Beeren ernährt, hat Angst im Dunklen (zurecht in einem Gebiet, in dem schließlich auch größere Raubtiere leben) und Hunger und Schlaflosigkeit führen zu Halluzinationen. Das sollte doch genug sein, um als Hörer/Leser Angst um die Kleine zu haben!
Ein anderer Punkt hat bei mir gleich zu Beginn zum Schmunzeln geführt und das war Joachim Kerzel. Er und Franziska Pigulla haben ihre Sache sehr gut gemacht – auch wenn ich gern wüsste, nach welchen Kritikpunkten entschieden wurde, wer welches Kapitel liest – , aber Joachim Kerzel ist mir vor allem als Sprecher der John-Sinclair-Hörspiele im Ohr. Und wenn ich dann als erstes diese Ortsangabe und diesen Satz „Juni 1998. Vor dem Spiel. Die Welt hatte Zähne. Und sie konnte damit zubeißen, wann immer sie wollte.“ von ihm vorgetragen bekomme, dann fühle ich mich (auch dank der musikalischen Untermalung, die ebenfalls Ähnlichkeiten aufweist) direkt in die Welt von Jason Dark versetzt. Und so gern ich die John-Sinclair-Hörspiele mag, so kann man von ihnen doch eher weniger behaupten, dass sie sprachliche Qualität besitzen. 😉
Nun gut, dieser Eindruck legte sich im Laufe der Zeit und auch an die regelmäßigen Wechsel zwischen der Männer- und der Frauenstimme habe ich mich schnell gewöhnt. Die beiden Sprecher haben zwar eindeutig andere Schwerpunkte in ihrem Vortrag gehabt, aber eigentlich gefiel mir das sogar. So konnte ich für mich mehr aus dem Text rausholen. Insgesamt muss ich wohl sagen, dass mich „Das Mädchen“ zwar gut unterhalten, aber nicht dazu animiert hat, mehr von King zu konsumieren. Grusel entsteht für mich – auch bei dieser Geschichte – mehr durch die Realität, als durch ein unheimliches „Es“.