Schlagwort: The Dalemark Quartet

Diana Wynne Jones: The Spellcoats (The Dalemark Quartet 3)

Der dritte Band der Dalemark-Reihe von Diana Wynne Jones führt den Leser in eine Vergangenheit von Dalemark zurück, in der es noch Könige gab. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Tanaqui, die die vierte von fünf Geschwistern und eine hervorragende Weberin ist. So ist es auch kein Wunder, dass sie ihre Geschichte in zwei Mäntel (Spellcoats) einwebt, so dass nur diejenigen, die die Webmuster zu lesen wissen, davon erfahren. Dabei erzählt der erste Mantel, wie alles in dem kleinen Dorf am Fluss begann, in dem Tanaqui gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihrem Vater aufgewachsen ist, und wo die übliche Ruhe von einem Tag auf den anderen durch eine Gruppe Flüchtlinge gestört wurde. Diese Flüchtlinge berichteten von Krieg, und kurz nachdem diese Menschen über den Fluss gesetzt hatten und weitergezogen waren, kamen auch schon die ersten Soldaten, um Männer (und Jungen) anzuwerben, die für den König in den Kampf ziehen sollten.

Nachdem Tanaquis Vater im Krieg getötet wird und ihr ältester Bruder fast seelenlos zurückkommt, werden die Geschwister aus dem Dorf vertrieben und reisen den Fluss entlang bis zum Meer. Für Tanaqui und die anderen ist das eine beschwerliche Reise voller Gefahren in einem Gebiet, das von Hochwasser und Krieg zerstört wurde. Im Laufe ihrer Reise lernen sie, dass sie über besondere Fähigkeiten verfügen und dass die Unsterblichen (the Undying), die schon in „Drowned Ammet“ eine große Rolle spielten, sie vor der Magie der „Heiden“ aus dem Norden schützen können – wenn Tanaqui und ihre Geschwister denn auf die Zeichen und Hinweise der (beinahe) göttlichen Wesen hören. Doch es ist nicht so einfach, mit den Unsterblichen zu kommunizieren und herauszufinden, welcher Weg für Tanaqui und die anderen der richtige ist.

Ich mochte sehr, dass man dadurch, dass Tanaquis Spellcoats die wahre Geschichte erzählen müssen, um ihre Magie zu wirken, das Gefühl bekommt, man könne der Erzählerin vertrauen – auch wenn es ihr oft genug nicht leicht gefallen ist, von all ihren Irrtümern und kleinlichen Gedanken zu erzählen. „The Spellcoats“ erzählt von der Entstehung Dalemarks, von den alten Mächten, die in dem Land aktiv sind/waren, und von der Herkunft der einen oder anderen Figur, die man bislang nur als Sagengestalt kennengelernt hat. Mir gefiel an Tanaquis Erzählstimme nicht nur, dass ich ihr als Erzählerin vertrauen konnte, sondern ich mochte auch, dass sie – trotz all der besonderen Fähigkeiten, über die sie verfügt, – eine ganz normale und sympathische Figur war. Sie liebt ihre Geschwister und ist doch oft ungeduldig mit ihnen oder ärgert sich über ihr Verhalten, sie vermisst ihre Eltern und wünscht sich regelmäßig, es gäbe jemanden, der sich um sie kümmern würde. Doch da es niemanden gibt, der ihr die Arbeit aus der Hand nimmt, und ihre Geschwister immer wieder jemanden brauchen, der sich um sie kümmert, nimmt sie die Angelegenheiten regelmäßig selber in die Hand. Nicht immer sind ihre Entschlüsse die klügsten, aber gerade das sorgt ja auch dafür, dass man ihrer Geschichte so gerne folgt und sich voller Spannung fragt, ob sie wohl am Ende ihre Aufgabe erledigt bekommt oder nicht.

Ich finde es immer schwierig, eine Reihe so zu lesen, dass die Ereignisse nicht chronologisch stattfinden, weil das oft genug dazu führt, dass man als Leser Dinge erzählt bekommt, die man schon kennt. Hier hingegen muss ich zugeben, dass es sich für mich richtig anfühlt, die Romane in der Veröffentlichungsreihenfolge zu lesen. Die Handlung von „Cart und Cwidder“ lässt sich ohne weitere Hintergründe (meinem Gefühl nach sogar besser) genießen, während ich vermutlich mit dem Wissen um die Vergangenheit Dalemarks, um die Unsterblichen und vielleicht sogar um die Herkunft des Barden Osfameron eine ganz andere Sicht auf die Geschichte gehabt hätte. So hingegen habe ich das Gefühl, dass ich als Leser gemeinsam mit der Welt von Dalemark wachse und im Laufe der Romane immer mehr Details und Hintergründe entdecken kann. All das macht mich auf jeden Fall sehr neugierig auf den Band „The Crown of Dalemark“, mit dem die Serie ihren Abschluss findet.

Diana Wynne Jones: Drowned Ammet (The Dalemark Quartet 2)

Der zweite Band des Dalemark-Quartets von Diana Wynne Jones – den ich bis zu diesem Lesen noch nicht kannte – bringt den Leser wieder in den Süden von Dalemark, genau genommen in das Reich des Herzogs Hadd. Dabei wird die Geschichte in „Drowned Ammet“ zu Beginn aus der Sicht von Mitt erzählt, den der Leser von seinen ersten (überraschend sorgenfreien) Lebensjahren an begleitet, nur um mitzuerleben, wie aus dem zufriedenen kleinen Jungen ein Mensch voller Rachefantasien und Hass wird. Denn Herzog Hadd ist ein grausamer und streitsüchtiger Mann, der keine Hemmungen hat, sein Volk mit seinen Steuern um seine Lebensgrundlage zu bringen. Auch Mitts Eltern gehören zu denen, die wenige Jahre nach Mitts Geburt ihr weniges Hab und Gut verlieren und Tag für Tag um ihr Überleben kämpfen müssen. Die Menschen in seinem Land fürchten den Herzog, seine Soldaten und seine Spitzel, und so ist es kein Wunder, dass neben Armut und Angst auch die Wut und der Wille zur Rebellion in seinem Volk wachsen.

Auch Mitts Vater Al (beide heißen mit vollem Namen Alhammit) schließt sich nach dem Verlust seines Hofes in der Hafenstadt Holand einer Gruppe von Freiheitskämpfern an, doch er und seine Gefährten werden vor der Durchführung eines geplanten Anschlags verraten. Nachdem Mitt mit seiner Mutter zurückbleibt, schließt auch er sich den Freiheitskämpfern an, und ich muss zugeben, dass das ein Punkt war, wo mich Diana Wynne Jones ausnahmsweise nicht überzeugen konnte. Ich musste mir beim Lesen dieser Kapitel rund um Mitts Aufwachsen und sein Engagement für die Freiheitskämpfer immer wieder vorrechnen, dass Mitt noch sehr jung ist. Seine Familie kann es sich nicht leisten, ihn zur Schule zu schicken und er hat keine gleichaltrigen Freunde, mit denen er auf den Straßen spielen könnte. Stattdessen fängt er als Achtjähriger an, auf einem Fischerboot zu arbeiten, und alles, was er Tag für Tag hört, sind Klagen über die Ungerechtigkeit des Herzogs. Und wenn meine Rechnung stimmt (die auf so groben Angaben basiert wie „beim nächsten „Holand Sea Festival“, „im folgenden Sommer“ oder „wenige Wochen später“, dann ist er gerade mal elf oder zwölf Jahre alt, als er einen Anschlag auf den Herzog verübt.

Ein Kind, das unter diesen Umständen aufwächst, ist deutlich „erwachsener“ als ein Kind, das eine sorgenfreie Kindheit verbringen kann und sich keine Gedanken darüber machen muss, wo die nächste Mahlzeit herkommt. Auf der anderen Seite ist Mitt nicht erwachsen genug, um wirklich die Konsequenzen seines Tuns überblicken zu können, oder um die Motive und Aussagen anderer Menschen zu hinterfragen und sich seine eigene Meinung bilden zu können. Gerade seine emotionale Abhängigkeit von seiner Mutter erklärt sich für mich sehr dadurch, dass er eigentlich noch ein Kind ist. Dass ich mir aber all diese Dinge immer wieder vor Augen halten musste, hat für mich diese Kapitel etwas schwierig zu lesen gemacht, obwohl ich die Grundsituation spannend fand. Ich weiß nicht, ob ich als Kind/Jugendliche diese Passagen anders wahrgenommen hätte. Aber ich glaube, ich hätte damals auch schon Kleinkind-Mitt, der nicht verstehen kann, wieso seine Nachbarn Angst vor dem Soldaten haben, mit dem er sich gerade angefreundet hat, lieber gemocht, als den achtjährigen Mitt, der anscheinend nur zu seiner Mutter so etwas wie Zuneigung empfinden kann und für den alle anderen Menschen nur Mittel zum Zweck zu sein scheinen.

Auf der anderen Seite bekommt man die Geschichte aus Sicht von Hildy (Hildrida), der Enkeltochter von Herzog Hadd, erzählt. Hildys Temperament ähnelt von klein auf einer Naturgewalt, und nicht einmal ihr Vater traut sich, sich gegen sie zu stellen, wenn sie schlechte Laune hat. Dabei ist Hildy kein verwöhntes Kind oder eine Nervensäge, sie ist nur schrecklich frustriert von ihrer Rolle als Schachfigur bei den politischen Spielen ihres Großvaters, davon, dass ihr Vater seit dem Tod ihrer Mutter so gleichgültig geworden ist, und von all den anderen kleinen und großen Ungerechtigkeiten, die sie so erlebt. Hildy ist nicht gerade ein netter Charakter, aber ich fand sie auf Anhieb sympathisch. So ist es auch kein Wunder, dass die Geschichte für mich deutlich anzog, als Hildy, ihr Bruder Ynen und Mitt nach der Hälfte des Romans aufeinandertrafen und sich von diesem Zeitpunkt an mit ihrer eigenen Vergangenheit, ihren Illusionen bezüglich der eigenen Person und ihren Vorurteilen gegenüber anderer Gesellschaftsschichten auseinandersetzen mussten. Dazu kamen noch wunderbar atmosphärische Segelszenen und ein Hauch Magie, und schon fühlte ich mich mit „Drowned Ammet“ wieder wohl und war neugierig auf die weitere Entwicklung der Geschichte.

Am Ende kann ich verstehen, wieso Diana Wynne Jones die erste Hälfte des Romans so erzählt hat, aber ich muss zugeben, dass mich dieser Teil trotzdem nicht ganz so überzeugt hat, wie es ihre Bücher normalerweise tun. Erst beim Lesen der zweiten Hälfte kam für mich das Gefühl auf, ich würde eine „richtige“ Diana-Wynne-Jones-Geschichte lesen, mit all ihren Untertönen und ihren bitteren und amüsanten Momenten. Doch während ich bei „Cart and Cwidder“ am Ende zufrieden mit dem Ausgang der Handlung und den Andeutungen über Morils Zukunft war, fühlen sich hier die letzten Seiten an, als ob mir die Autorin bislang nur einen langen Prolog erzählt hätte – und nun muss ich auf den vierten Teil der Reihe („The Crown of Dalemark“) warten, um zu erfahren, wie das Ganze ausgeht. Doch bevor ich zum vierten Band greife, werde ich erst einmal „The Spellcoats“ aus dem SuB fischen und mich mit der Geschichte in die Vergangenheit von Dalemark begeben.

Diana Wynne Jones: Cart and Cwidder (The Dalemark Quartet 1)

Vorweg muss ich zugeben, dass ich bei dieser Rezension von „Cart and Cwidder“ nicht gerade objektiv sein kann, denn ich habe diese Geschichte als Kind Jugendliche geliebt (ich war fest davon überzeugt, dass ich „Die Kraft der Mandola“ schon als Kind gelesen hatte, aber die deutsche Ausgabe erschien anscheinend erst 1985). Außerdem ist die Angabe „Band 1“ beim Dalemark-Quartet etwas schwierig zu machen, da dies zwar der erste Band von Diana Wynne Jones ist, der in der Welt von Dalemark spielt, aber chronologisch gesehen müsste die Geschichte nach „The Spellcoats“ und „Drowned Ammet“ gelesen werden. Zusätzlich kann ich noch mitteilen, dass bei meiner britischen Ausgabe von Harper Collins von den insgesamt 336 Seiten die letzten 80 Seiten aus „A Guide to Dalemark“ bestehen, wo noch einmal die verschiedenen (historischen) Figuren vorgestellt, Redewendungen aufgegriffen und bestimmte Gebräuche vorgestellt werden.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des elfjährigen Moril, der gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern als Spielleute in einem bunt bemaltem Wagen durch Dalemark zieht. Sein Vater ist der berühmte Sänger Clennen, doch auch Morils Mutter, sein älterer Bruder Dagner, seine Schwester Brit und natürlich er selbst müssen ihren Anteil zu den regelmäßigen Aufführungen beitragen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei ist es nicht so einfach, in Dalemark sein Auskommen zu finden, denn das Land ist seit langer Zeit gespalten, es gibt keinen König mehr und die Herzöge des Nordens sind mit den Herzögen des Südens verfeindet. Für Moril bedeutet das Reisen durch den Süden, dass nicht alle Lieder gesungen werden dürfen, dass sich alle ständig umdrehen und schauen, dass sie nicht bespitzelt werden, und dass man aufpassen muss, dass man nichts sagt, was der jeweilige Herzog als aufrührerischen Akt auslegen könnte. Der Norden hingegen ist frei und bietet so viele Möglichkeiten auch für die Spielleute, dass Moril froh ist, dass die jährliche Reise nach Norden wieder ansteht.

Einziger Wermutstropfe bei der Reise nach Norden ist die Tatsache, dass Clennen auch in diesem Jahr wieder einen Passagier aufgenommen hat. Weder Brid noch Moril können Kialan besonders gut leiden. Der junge Mann scheint eingebildet zu sein und wenig hilfsbereit, wenn es um die täglichen Pflichten auf der Reise geht. Als die Geschwister im Laufe der Zeit dann aber auf sich allein gestellt sind, finden sie heraus, dass mehr hinter Kialan steckt, als sie anfangs vermutet haben. Mehr will ich über die Geschichte gar nicht erzählen, weil sie meiner Meinung nach – trotz der Bedrohung durch die Herzöge des Südens und die am Ende vorkommende Armee – von all den kleinen Entwicklungen lebt, die während der Reise geschehen. Ich mochte schon immer Morils leicht verträumte Perspektive, und daran hat sich in all den Jahren, seitdem ich die Geschichte das letzte Mal gelesen habe, nichts geändert. Außerdem finde ich es spannend, wie Diana Wynne Jones die Atmosphäre in den südlichen Herzogtümern von Dalemark beschreibt und wie die Angst vor der Willkür der Herzöge das Leben der Menschen beeinflusst. Es ist kein Wunder, dass in einer solchen Welt voller Unterdrückung Figuren wie der „Porter“ auftauchen – ein Spion, der Informationen und Menschen nach Norden schmuggelt und eine große Rolle im Widerstand gegen den Süden spielt.

Die Handlung wird in dieser Geschichte wieder einmal sehr geradlinig erzählt, da man Moril auf dieser Reise von Süden nach Norden begleitet und es nicht viele Umwege oder Abstecher gibt. Aber Moril reift im Laufe der Reise, und ihm fallen viele kleine Dinge auf, die er früher einfach nur hingenommen hat. Die Familiendynamik ändert sich durch einen tragischen Moment entscheidend, und ich fand es spannend mitzuerleben, wie jeder von ihnen nun eine neue Rolle finden muss. Dabei gelingt es der Autorin, auch radikalere Veränderungen nicht zu verurteilen, sondern im Leser – durch Morils Augen – Verständnis für die Handlungen der jeweiligen Figur entstehen zu lassen. Dazu kommt noch, dass die Musik eine große Rolle in der Geschichte spielt – was ja nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Spielleute im Zentrum der Handlung stehen. Moril bewundert seinen Vater sehr für sein Können mit der Cwidder und als Sänger, und er findet es faszinierend, dass sein Bruder Dagner so gut darin ist, eigene Lieder zu schreiben, und trotzdem solche Probleme damit hat, auf der Bühne zu stehen und seine Lieder zu präsentieren. Ich mochte es sehr, wie Moril im Laufe der Geschichte immer mehr über sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten herausfindet, und das nicht nur, wenn es um die Musik geht. Auch nach all den Jahren fand ich das Lesen von „Cart and Cwidder“ immer noch durch und durch befriedigend, und ich freue mich darauf, dass ich noch drei weitere Bände zu lesen habe, die in Dalemark spielen (und die ich zum Teil noch nicht kenne).