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Wolfgang Behringer: Tambora und das Jahr ohne Sommer

„Tambora und das Jahr ohne Sommer – Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte“ von Wolfgang Behringer ist eine Empfehlung von Hermia gewesen und ich konnte den Titel glücklicherweise relativ schnell in der Bibliothek ausleihen. Insgesamt fand ich das Buch sehr spannend, wenn auch stellenweise etwas sehr mit Namen und Daten überfrachtet – das sind dann immer die Passagen, an denen mein müder Kopf bei meiner Nachmittagslesepause wegdriftet und ich mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit einschlafe. Was dann dazu führt, dass ich viel länger für so ein Sachbuch benötige, als mir lieb ist …

Wolfgang Behringer versucht in „Tambora und das Jahr ohne Sommer“, all die Ereignisse in den Jahren nach dem Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora in einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu bringen. Er zeigt auf, wie sehr dieser Vulkanausbruch das Klima und somit auch Politik und Wirtschaft auf der ganzen Welt beeinflusst hat. Es gibt – wie man der Einleitung entnehmen kann – viele Daten zu den Jahren 1816 bis 1820, die von den Wetterveränderungen, den Missernten, den Hungersnöten und den Unruhen berichten, und auch viele Wissenschaftler, die sich bestimmter Einzelaspekte dieser Zeit angenommen habe, aber keinen Versuch, eine weltumspannende Sicht auf die Folgen dieses gewaltigen Vulkanausbruchs zu werfen. Wobei mir beim Lesen auch immer wieder aufgefallen ist, dass der Schwerpunkt dann doch wieder auf den Berichten aus Süddeutschland und zum Teil der Schweiz, Frankreich und Großbritannien liegt – eben weil aus diesen Regionen detaillierte Schilderungen aus der Zeit vorliegen oder weil es für bestimmte Länder (zum Beispiel im asiatischen Raum) noch keine genauen wissenschaftlichen Studien zu den Jahren kurz nach 1816 gibt.

Aber auch wenn es im Vergleich zum süddeutschen Raum verhältnismäßig wenige Aussagen zu den weltweiten Entwicklungen gibt, so reichen schon die wenigen Anmerkungen, damit der Leser eine Vorstellung von den umfassenden Einflüssen bekommt, die dieser Vulkanausbruch hatte. Neben den erwartbaren Veränderungen wie Klimaveränderungen, Missernten, Hungernöten, Krankheiten und Auswanderung fand ich es besonders faszinierend, wie die Politik und die Wissenschaft mit all den Herausforderungen umgingen. Nachdem sich die europäische Landschaft gerade erst durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses gravierend verändert hatte, stellten die Hungerjahre für die frisch zusammengeschlossenen Nationen ganz besondere Herausforderungen da.

Während sich in diesen Jahren der Not manche Menschen von ihrer schlechtesten Seite zeigten (Rassismus, Hexenverfolgung, Wucherei, Machtmissbrauch, Sekten), gab es auch viele Gruppen, die sich zusammenfanden, um Suppenküchen und Arbeitsangebote auf die Beine zu stellen oder die Landwirtschaft zu fördern, damit diese in Zukunft bessere Ernten einfahren konnte. Besonders spannend fand ich z. B. Informationen zur Entstehung der ersten Sparkassen und Versicherungen, die in den Jahren nach dem Vulkanausbruch gegründet wurden, um den ärmeren Bevölkerungsgruppen eine Möglichkeit zu bieten, für Notzeiten vorzusorgen. Ich muss gestehen, dass ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe, wieso es irgendwann Angebote für „normale“ Bürger gab statt ausschließlich Banken für Adelige, reiche Kaufleute und Industrielle.

Auch die wissenschaftliche und industrielle Entwicklung in den Folgejahren fand ich spannend. Gerade die auf den Vulkanausbruch folgende Entstehung der Meteorologie und dass dieses Ereignis überhaupt erst der Grund war für detailliertere Wetterbeobachtungen, finde ich faszinierend.  Da hätte ich mir fast noch mehr Details gewünscht, auch wenn Wolfgang Behringer dem Leser einen informativen und umfassenden Überblick gewährt. Aber es sind halt in der Regel die skurrilen Kleinigkeiten, die bei mir nach dem Lesen so eines Buches langfristig hängenbleiben und bedauerlicherweise weniger die Gesamtzusammenhänge. Insgesamt habe ich trotzdem das Gefühl, ich habe viel gelernt und konnte wieder vielen kleinen Wissensteilchen, die vorher in meinem Kopf rumschwirrten, einen Platz in einem Gesamtbild zuweisen. Dieses Gefühl lässt mich immer wieder dankbar für gut geschriebene und informative Sachbücher zurück, die mir helfen, mein doch eher selektives Wissen in einen Zusammenhang zu bringen.