Theodor Fontane: Unterm Birnbaum (Hörbuch)

Das Hörbuch „Unterm Birnbaum“ von Theodor Fontane ist eine Leihgabe von Ariana und gehört zur „Klassiker Hörbibliothek“ von steinbach sprechende bücher. Von Theodor Fontane kannte ich bislang nur Gedichte („John Maynard“ hat mich beim Auswendiglernen für die Schule damals sehr beeindruckt *g*) und mehr als die Inhaltsangabe wusste ich nicht über „Unterm Birnbaum“, als ich mit dem Hören anfing. Die Handlung dreht sich um Abel Hradschek, der eines Tages in seinem Garten unterm Birnbaum die vermutlich zwanzig Jahre alte Leiche eines französischen Soldaten entdeckt, was ihn zu einem Plan inspiriert, der sein dringendes Schuldenproblem mit einem Schlag lösen soll.

Gemeinsam mit seiner Frau Ursula setzt er das Gerücht in die Welt, dass seine Frau eine größere Geldsumme geerbt hat. So verwundert es die ewig neugierigen und viel zu gut informierten Nachbarn nicht, dass der Kaufmann Hradschek bei einem Besuch des polnischen Reisenden Szulski in der Lage ist, bei diesem die aufgelaufenen Rechnungen zu bezahlen und eine größere Bestellung in Auftrag zu geben. Auch fällt erst einmal kein Verdacht auf Hradschek, als Szulskis Kutsche kurz nach seiner Abreise am Damm verunglückt und seine Leiche nicht gefunden werden kann. Daran ändern auch all die Erzählungen der Nachbarin Jeschke nichts, die Hradschek angeblich mitten in der Nacht bei stürmischem Wetter im Garten graben sah.

Dem Hörer ist natürlich von Anfang an klar, dass Hradschek und seine Frau den Polen umgebracht und sein Geld an sich gebracht haben, und so geht es in dieser Geschichte weniger darum herauszufinden, wer der Mörder ist, sondern ob die Täter mit ihrer Tat am Ende durchkommen. Dabei fängt Theodor Fontane die Reaktionen der Nachbarn ebenso glaubwürdig ein wie die extremen Gewissensbisse von Ursula (die ursprünglich katholisch erzogen wurde und nur für die Hochzeit mit Hradschek zum evangelischen Glauben übertrat). Im Gegensatz zu Ariana, die in ihrer Rezension meinte, dass sie für Hradschek Sympathie empfunden hätte, war es mir relativ egal, ob er mit seiner Tat davonkommen würde oder nicht. Aber ich mochte die Darstellung der Charaktere sehr gern, ebenso fand ich die Beschreibungen, die vom damaligen Leben (die Geschichte spielt so um das Jahr 1830) zeugen, sehr spannend.

Ich fand es faszinierend, welche Verbindung selbst diese relativ einfachen Dorfbewohner in andere Regionen und Städte hatten, welche Güter als Luxus angesehen wurden und welche Gewohnheiten zum Alltag der Menschen gehörten. Auch hat Theodor Fontane die verschiedenen Personen und ihre Motive mit sehr spitzer Feder beschrieben, so dass ich das Gefühl bekam, dass eigentlich keiner von ihnen ohne irgendwelche (bewussten oder unbewussten) Hintergedanken handelte. Dazu kommt noch, dass der Autor mit dieser Geschichte sehr schön zeigt, wie einfach es sein kann, seine Nachbarn zu manipulieren, wenn man ihre Schwächen nur allzu gut kennt. Diese zwischenmenschlichen und historischen Elemente haben mir beim Hören – ebenso wie der verwendete Dialekt – überraschend viel Spaß gemacht, was zum Teil auch an dem Sprecher Wilhelm Götze lag.

Wilhelm Götze hat nicht nur eine angenehme Stimme, sondern seine „altmodische“ Sprechweise (man merkt, dass der 1978 verstorbene Sprecher einer älteren Generation angehörte) passt auch sehr gut zu der Erzählweise von Theodor Fontane. Ich kann nicht beurteilen, ob er den Dialekt des Oderbruchs passend gelesen hat, aber für mich klang seine Aussprache nach stimmigem Plattdeutsch und das hat mir während des Hörens großes Vergnügen bereitet. Auch mochte ich es, dass ich – ohne dass der Sprecher dabei übertrieb – oft schon an der Tonlage von Wilhelm Götze hören konnte, welche Person gerade zu Wort kam, bevor der Name der Figur überhaupt in der Geschichte genannt wurde. So hat Wilhelm Götze definitiv dazu beigetragen, dass mir das Hören von „Unterm Birnbaum“ Spaß gemacht hat, und ich freu mich, dass ich noch zwei weitere ungehörte Hörbücher mit ihm als Sprecher unter den Leihgaben von Ariana habe.

7 Kommentare

  1. Eva-Maria H.

    Liebe Birgit,
    jaaa, den Apfelbaum den kennen wir und auch den John Maynard, den wir in der Schule zerpflückt haben und im Gedicht auf jede Senkung eine Hebung kommt. Ich habs mit Versformen :-)).

    Klingt schon sehr interessant die CD und wie immer hast du das sehr gut beschrieben.

    Schöne Woche wünsche ich dir
    Lieben Gruß Eva

  2. Das Zerpflücken haben wir in der Schule später mit moderneren Gedichten gemacht, aber wir haben wirklich viele klassischen Gedichte auswendig gelernt und über die Hintergründe geredet.

    Danke, ich wünsche dir auch einen schönen Start in die Woche!

  3. "John Maynard" musste ich auch für die Schule auswendig lernen – und ich kann noch immer einen großen Teil davon. *g*
    "Unterm Birnbaum" hätte ich für eine Vorlesung über die Geschichte der Kriminalliteratur lesen sollen, was ich damals aber aus Zeitgründen nicht getan habe. Vielleicht sollte ich das mal nachholen …

  4. @Neyasha: Ich bin gerade – dank Arianas klassischen Hörbüchern – sehr fasziniert davon, wie viele Gedichte ich noch aus Schulzeiten kann. Sehr viele davon sind von Schiller und oft habe ich nur ein Wort falsch, wenn ich mitspreche, oder erinnere mich nicht an eine der mittleren Strophen.

    Bei "Unterm Birnbaum" fand ich es auch interessant, dass Fontane in der Gegend aufgewachsen ist und ich dementsprechend davon ausgehen konnte, dass er die Region stimmig beschreibt. Die Variante, die ich gehört habe, gibt es übrigens auch bei Audible, so dass du dir mal die Hörprobe anhören kannst.

  5. Von Schiller mussten wir keine Gedichte lernen, aber den Zauberlehrling bekomme ich auch immer noch weitgehend hin.

    Bei mir war damals im Studium "Die Judenbuche" daran Schuld, dass ich nicht mehr zum Birnbaum gekommen bin (all diese Bäume in den Krimiklassikern …), aber vielleicht wird es ja jetzt noch was in Hörbuch-Form.

  6. Nicole/Frau Frieda

    Das hört sich nach einer tollen Vertonung an, liebe Winterkatze. "Unterm Birnbaum" kenne ich. Das glaube ich zumindest.. lach! Aber ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr so gut daran. Das die "Stimme" eines Hörbuches wichtig ist, glaube ich Dir gerne. Hast Du vielleicht die "Landfrauenküche" auf BR schon mal gesehen? Die Erzählerin ist einfach wunderbar. Ich könnte ihr stundenlang zu hören. Ganz liebe Grüße und ein charmantes Wochenende, Nicole (die gestern einen vollen Tag hatte: morgens Kinderarzt und Job und nachmittags ein Gespräch mit einer "24h-Stunde-Pflege-Agentur" für meine Mutti)

  7. @Nicole: Es ist bei den Klassikern ja nicht immer so einfach zu sagen, ob man einen Text wirklich kennt oder nur sehr viel von ihm gehört hat. *g*

    Die Sprecherin der "Landfrauenküche" habe ich jetzt nicht im Ohr, aber eine gute Sprecherin oder ein guter Sprecher machen auch bei solchen Sendungen viel aus. Ich reagiere ja auf wirklich schlechte Sprecher mit großer Verärgerung und breche dann auch mal eine Sendung, die ich ansonsten gern gesehen hätte, ab.

    Uff, das klingt nach einem anstrengenden Freitag! Ich hoffe, du kannst das Wochenende für etwas angenehmere Tätigkeiten nutzen. 🙂

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