Alex Grecian: The Harvest Man (Scotland Yard’s Murder Squad Series 4)

Da ich gerade definitiv ein Händchen bei der Auswahl neuer „Testromane“ habe, habe ich auch bei der „Scotland Yard’s Murder Squad“-Serie von Alex Grecian den vierten Band erwischt. Das Buch war ein Wühltischfund und da mich der Klappentext sehr neugierig gemacht hatte, bin ich das Risiko eingegangen, auch wenn ich die vorhergehenden drei Teile nicht kenne. Die Geschichte spielt im Frühling 1890 und die Handlung wird rund um die Ermittlungen gegen einen Serienmörder gesponnen. „The Harvest Man“ – benannt nach der englischen Bezeichnung für Weberknecht – schleicht sich tagsüber in die Häuser seiner Opfer und versteckt sich auf dem Dachboden, bis sie abends eingeschlafen sind. Dann betäubt er sie mit Äther, verstümmelt und tötet sie. Dabei fällt auf, dass seine Opfer immer Ehepaare sind, und obwohl er auch alle weiteren Bewohner des jeweiligen Haushaltes tötet, scheinen ihm diese anderen Toten nicht wichtig zu sein.

Ich mochte die Erzählweise von Alex Grecian und die Art und Weise, wie das Leben um 1890 in London beschrieben wurde (auch wenn ich mich stellenweise fragte, ob zum Beispiel die Größe der Häuser wirklich realistisch ist), aber ich muss zugeben, dass ich bei diesem Roman große Anfangsschwierigkeiten hatte. Es gibt häufige Änderungen in der Perspektive und eine Menge „Personal“, das ich nicht richtig einordnen konnte, weil ich die ersten drei Bände nicht kannte. Zwar erklärt der Autor viel zu den jeweiligen Figuren (und ich fürchte, dass ich einige Aspekte der vorhergehenden Bücher deshalb vielleicht nicht genießen können werde, weil ich schon gespoilert wurde), aber das reicht natürlich nicht, um ein wirkliches Gefühl für komplexere zwischenmenschliche Verhältnisse zu bekommen.

Trotzdem sind mir die Charaktere im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen. Inspektor Walter Day und sein ehemaliger Kollege Nevil Hammersmith haben in der Vergangenheit einiges durchgemacht und sind nun körperlich und seelisch versehrt. Trotzdem versuchen sie beide, weiter Polizeiarbeit zu leisten, unabhängig davon, ob ihnen das körperlich oder rechtlich überhaupt noch möglich ist. Inspektor Day konzentriert sich dabei auf seine „Beratertätigkeit“ bei der Suche nach dem Harvest Man, während Hammersmith mit „unredlicher“ Unterstützung nach Jack the Ripper fahndet, der für den schlechten Zustand der beiden Polizisten verantwortlich ist. Ich muss gestehen, dass ich es inzwischen etwas ermüdend finde, wenn ein Autor schon wieder Jack the Ripper aufgreift. Aber da Alex Grecian das Jack-the-Ripper-Motiv zwar als roten Faden benutzt, aber sich die Ermittlungen in diesem Band auf den neuen Serienmörder konzentrieren, konnte ich hier damit ganz gut leben.

Je sympathischer ich die Figuren fand, je besser mein Gefühl für ihre jeweiligen Persönlichkeiten wurde, desto mehr Luft hatte ich auch, mich auf die verschiedenen Ermittlungen und Erzählebenen zu konzentrieren. So wurde die Geschichte nach dem (für mich) etwas anstrengenden Anfang wirklich spannend und mitreißend. Außerdem macht mich der Cliffhanger am Ende des Romans ganz kirre, weil ich nun entscheiden muss, ob ich die Serie irgendwann von vorn anfange und mich dann bis zu diesem Punkt lese oder ob ich einfach mit Band 5 weitermache, um herauszufinden, wie es mit Inspektor Day und all den anderen Personen weitergeht. Denn dass ich die Serie weiterlese, steht für mich fest. Ich habe mich nach langer Zeit endlich mal wieder mit einem historischen Kriminalroman richtig gut unterhalten gefühlt und freue mich deshalb sehr über meine Zufallsentdeckung.

Noch eine Anmerkung: Ein bisschen erinnert mich die Serie an die „Charlotte und Thomas Pitt“-Bücher von Anne Perry. Aber die Reihe hatte ich nach ein paar Jahren abgebrochen, weil ich das Gefühl hatte, die Autorin würde immer die gleiche Geschichte schreiben, ihre Morde immer in der gleichen Gesellschaft verankern und das Ganze zu steril angehen. Bei „The Harvest Man“ gibt es eine gute Mischung aus „gehobener Gesellschaft“ und „weniger ehrbaren Bürgern“, und ich mochte die stellenweise schon fast an Dickens erinnernde Atmosphäre in den weniger schönen Ecken Londons ebenso wie die Heimeligkeit eines gepflegten Hauses oder die aufkommende Bürokratie bei Scotland Yard.

7 Kommentare

  1. Ach, die Bücher von Anne Perry habe ich früher sehr gerne gelesen. Momentan habe ich noch genügend Krimis auf meinen Kindle, aber den ersten Band packte ich zur Wunschliste. 🙂

  2. Anfangs mochte ich ihre Bücher auch sehr gern. Ich hatte damals sowohl die Pitt- als auch die Monk-Romane direkt nach Erscheinen besorgt und gelesen. Aber irgendwann wurde mir das zu gleichförmig.

    Ich bin gespannt, wie er dir gefällt, wenn er irgendwann bei dir einzieht! 🙂

  3. Ha, wir könnten zusammenlegen – ich habe die Bände 1-3 😉 Gelesen natürlich noch nix… Band 3 habe ich deshalb nur, weil er im April für 1,99 € zu haben war. Wenn du die Augen offen hältst, bekommst du die Bücher vielleicht auch zu so einem Preis?

  4. @Kiya: Das ist ja witzig! 😀 Ich hatte von dem Autor vor dem Wühltischtag noch nichts gehört – zumindest erinnere ich mich nicht. Mir hat der vierte Band aber so gut gefallen, dass ich nun neugierig auf den Rest bin. Worüber hat du Band 3 denn gekauft, dass er so günstig war? Oo

  5. Ganz normal bei Amazon – ich hätte sonst definitiv abgewartet, bis ich wenigstens einen richtigen Leseeindruck habe. Den ersten Band habe ich schon vor längerer Zeit beim Stöbern in einem Buchladen in Berlin entdeckt und fand die Ausgabe (und natürlich die Inhaltsangabe) so schön.

  6. @Kiya: Ich stöbere anscheinend zu selten bei Amazon. Oo Und ja, die Ausgaben finde ich auch besonders schön – umso irritierender ist es, dass ich von Band 5 nur eine Version finde, die nicht zum Rest passt. Band 6 hingegen hat das gleiche Coverdesign wie Band 1-4.

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