Mit Rainer Wittkamps Roman „Stumme Hechte“ wollte ich den Autor mal ausprobieren. Schließlich gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass ich doch noch mal wieder einen deutschen Krimi lese, der mir zusagt. Bei diesem Titel war mir allerdings nicht aufgefallen, dass es schon der vierte in der Reihe rund um den Polizisten Martin Nettelbeck ist. So war ich mir anfangs nicht sicher, ob es am fehlenden Vorwissen rund um die Figuren lag, dass ich einige Passagen rund um die Charaktere mehr nervig als gut zu lesen fand. Dabei lässt sich der Roman flüssig lesen und die kurzen Kapitel haben diese „nur noch ein paar Seiten, bevor ich das Buch aus der Hand lege“-Wirkung. Auch den Fall und die Ermittlungen an sich fand ich nicht schlecht. Steht anfangs noch nicht fest, ob der gewaltsame Tod eines hohen Polizeibeamten auf einem Berliner Campingplatz Mord oder Selbstmord ist, kommt es den ermittelnden Polizisten im Laufe der Zeit immer seltsamer vor, dass die drei Begleiter des Toten – ebenfalls hohe Polizeibeamte – nichts von der Tat mitbekommen haben.
Auch scheinen einige Aussagen der drei Zeugen den im Laufe der folgenden Tage ans Licht kommenden Informationen zu widersprechen, was Martin Nettelbeck natürlich misstrauisch macht. Der Ermittlungsalltag ist angenehmerweise recht realistisch dargestellt, das Privatleben der Polizisten auch (soweit es Erwähnung findet), aber es tauchen immer wieder Figuren auf, die ich als überzogen und nervig dargestellt empfand. Da war zum Beispiel die Chefin von Nettelbeck, die besessen von ihren Fischtrophäen zu sein scheint und die meinem Gefühl nach nur sehr wenig zur Handlung beigetragen hat. Wenn diese Fisch-Sache lustig gewesen sein soll, dann ist das total an mir vorbeigegangen – vielleicht, weil mir die vorhergehenden drei Bände fehlen, in denen schon etwas dazu gesagt wurde? Weitere Momente gab es mit den Campingplatzbesitzern, die eigentlich von einem FKK-Platz geträumt hatten, was sich als nicht lukrativ erwiesen hatte, und mit einem Typen, der moderne Kunst sammelt – solange sie nur grau ist. Das war einfach aufgesetzt und hat meinen Humor definitiv nicht angesprochen. Von solchen „lustig gemeinten“ Szenen abgesehen war das Buch okay, aber ich muss keine weiteren Titel von dem Autor lesen.
Ein weiterer „Autorentest“ war „Quercher und das Seelenrasen“ von Martin Calsow. Wie „Stumme Hechte“ aus dem Grafit Verlag, weil ich den Verlag immer noch mit einigen der wenigen deutschen Krimis verbinde, die mir gut gefallen haben, und wieder habe ich es geschafft, damit den vierten Band einer Reihe in die Finger zu bekommen. Anfangs fand ich die Figur des Polizisten Max Quercher und viele der anderen Charaktere zu bemüht bayrisch-urig-komisch – so verpasst der LKA-Beamte einen verabredeten Termin, weil er mit einem Kollegen versumpft und zu besoffen ist, um sich noch an diese Verabredung zu erinnern -, aber das hat sich im Laufe der Geschichte zum Glück etwas gelegt. Am Ende war ich überrascht, wie viele aktuelle Ereignisse der Autor in den Roman gesteckt hat und wie wenig platt er z.B. mit dem Thema „Geflüchtete in Deutschland“ umgeht. Die Auflösung des Falles selbst war zwar wenig überraschend, aber es gab genügend unvorhersehbare Wendungen in der Geschichte, dass mir das Lesen Spaß gemacht hat und ich neugierig auf den weiteren Verlauf der Handlung war.
„Die tödliche Tugend der Madame Blendel“ von Marie Pellissier war eine Leihgabe von Natira. Die Geschichte dreht sich um Lucie, die als Gardienne in einem gehobenen Mietshaus in Paris arbeitet. Als eine ihrer Mieterinnen ermordet wird, fürchtet Lucie, dass die Polizei ihr vorwerfen würde, dass sie Spuren verwischt hat, weil sie – ohne Erlaubnis der Ermordeten – das Schlafzimmer ihrer Mieterin aufgeräumt hatte, als sie ihre Bügelwäsche zurückbrachte. Um sich von vornherein von einem eventuellen Verdacht freizusprechen, stellt Lucie ihre eigenen Ermittlungen an. Das Ganze war sehr nett zu lesen, Lucie konnte ich mit all ihren Ecken und Kanten recht gut leiden, allerdings habe ich ab der Mitte des Buches die ganzen Orts- und Wegbeschreibungen, die vermutlich Lokalkolorit schaffen sollten, und die Essensüberlegungen des eines Polizisten nur noch quer gelesen, weil die mich erschreckend schnell gelangweilt haben.
Auch „Der böse Ort“ von Ben Aaronovitch ist ein vierter Band – immerhin kannte ich da vor dem Lesen schon die vorhergehenden Teile der Peter-Grant-Reihe. Ich muss zugeben, dass ich den Roman nicht beendet hätte, wenn ich nicht die ersten drei Bücher schon gelesen hätte, denn „Der böse Ort“ hat mich eher weniger unterhalten. Keiner der Peter-Grant-Romane wurde von Ben Aaronovitch temporeich oder wirklich spannend erzählt, aber immerhin fand ich die Geschichten sonst unterhaltsam, weil ich den Humor, die skurrilen Informationen über London und die fantastischen Figuren mochte. Diesen Band hingegen fand ich deutlich weniger lustig, es gab kaum neue interessante Charaktere, und Handlung war auch kaum vorhanden.
Durch die Einführung des „Gesichtslosen“ scheint sich Ben Aaronovitch gezwungen zu sehen, jeden magischen Vorfall in Großbritannien mit dieser Figur in Verbindung zu bringen – und das führt zu lauter kleinen, belanglosen Szenen, in denen einfach keine Spannung aufkommen wollte. Auch die Konzentration in dieser Geschichte auf einen fiktiven Wohnkomplex, der von einem deutschen magiekundigen Architekten gebaut wurde, tut dem Roman nicht gut, da diesem Gebäude einfach der Charme der realen Bezirke, die von Aaronovitch in den früheren Bänden beschrieben wurden, fehlt. Da hilft es auch nicht, dass auf den letzten Seiten sogar endlich was passiert und eine überraschende Wendung vorkommt, auf die ich allerdings gut hätte verzichten können.
Und da mir die Bibliothek beide Aaronovitch-Titel auf einmal geliefert hat, habe ich kurz darauf auch noch „Fingerhut-Sommer“ gelesen. Diesen Teil der Peter-Grant-Reihe mochte ich lieber als „Der böse Ort“. Peter ermittelt dieses Mal auf dem Land in einem Fall, bei dem zwei Mädchen eines Nachts aus ihren jeweiligen Schlafzimmern spurlos verschwunden sind. Da Peter sich auf unvertrautem Gebiet befindet und mehr über die Region und ihre Bewohner herausfinden muss, gibt es weniger skurrile Details – auch wenn es die eine oder andere Abschweifung zum Thema Vegetation und Entwicklung des Gebietes gibt – und dafür deutlich mehr Handlung als in dem vorhergehenden Roman. Auch kommt der gesichtslose Magier in diesem Band nicht vor, was der Geschichte in meinen Augen nur gut tut. Nachdem ich nach dem Lesen von „Der böse Ort“ schon kurz davor war, die Reihe abzubrechen, bin ich nun bereit, den nächsten Band (der Anfang 2017 erscheinen soll) auch noch irgendwann zu lesen.
(Bevor jemand fragt: Nein, ich habe in den letzten Wochen nicht absichtlich mit „Prime Time“, „Stumme Hechte“, „Quercher und das Seelenrasen“, „Böse Absichten“ und „The Harvest Man“ zu lauter vierten Bänden gegriffen, um neue Krimiautoren bzw. Reihen auszuprobieren. Ich bezweifle nämlich, dass das die beste Methode dafür ist, aber irgendwie hat es sich trotzdem so ergeben. *g*)
Deinem Kommentar zu Madame Blendel stimme ich zu. 😉
Aber nett war es trotzdem. 🙂
Ich fand es allerdings nicht nett genug, um mir den nächsten "Band" von dieser Autorin zu besorgen bzw. auszuleihen (es ist aktuell noch bei skoobe zu finden). 😉
Mir reicht dieser eine Band auch. Das war nett, aber mehr muss ich davon nicht lesen. 🙂
(Wie du vielleicht merkst, arbeite ich mich gerade systematisch durch deine Ausleihen. Bis August sollte ich dir endlich alles zurückliefern lassen können – inklusive DVDs. :D)