„Thieftaker“ ist der erste Roman, den der Autor David B. Coe unter dem Pseudonym D. B. Jackson geschrieben hat. Vor diesem Buch hatte ich noch keine Geschichte von dem Autor gelesen, nach „Thieftaker“ bin ich davon überzeugt, dass ich mir auch noch die drei anderen Bände der „Thieftaker Chronicles“ zulegen werde. Der Protagonist Ethan Kaille verdient seinen Lebensunterhalt damit, dass er im Auftrag der Bestohlenen Diebe jagt und ihnen ihrer Beute wieder abnimmt. Ob er die Diebe dann der Polizei übergibt, sie tötet oder – was seine Auftraggeber nur ungern sehen – wieder laufen lässt, bleibt ihm dabei selbst überlassen. Bislang hat Ethan mit diesem Job einen ausreichenden, wenn auch nicht gerade großzügigen Lebensunterhalt verdient, nun aber bekommt er einen Auftrag angeboten, der ihn reich machen könnte.
Doch natürlich gibt es mit diesem speziellen Auftrag gleich mehrere Probleme: Erstens soll er eine Brosche wiederbeschaffen, die einer jungen Frau gestohlen wurde, die ermordet wurde; zweitens jagt Ethan normalerweise keine Diebe, die auch Mörder sind, denn er könnte gezwungen sein, sie bei der Wiederbeschaffung des Diebesgutes zu töten, und drittens wäre das normalerweise ein Job, den die einflussreiche – und ziemlich tödliche – Sephira Pryce mit ihren Leuten übernehmen würde. Dazu kommt, dass Ethan ein Magieanwender in einer Welt ist, in der der Gebrauch von Magie verboten ist und mit dem Tod bestraft werden kann, außerdem sorgt die politische Situation in Boston im Jahr 1765 für diverse Unruhen und Plünderungen.
Ich mochte den Protagonisten Ethan sehr und kann gut verstehen, wenn jemand einen Vergleich zu Harry Dresden zieht. Beide Figuren kämpfen gegen eine größere Macht, beide stehen ziemlich allein in der Welt und wenn sie Freundschaften schließen, riskieren sie damit, dass einer ihrer Feinde daraus einen Nutzen zieht. Im Vergleich zu Harrys Welt empfinde ich Ethans Zeit aber als erfrischende Abwechslung. Boston gehört noch zu den britischen Kolonien, in Massachusetts (und anderswo) werden regelmäßig Menschen wegen Hexerei hingerichtet und Ethan hat aufgrund einer Dummheit in seiner Jugend einige Jahre Strafarbeit (auf Barbados) hinter sich, was so gut wie jeder, mit dem er zu tun hat, zu wissen scheint. So ist es kein Wunder, dass der Thieftaker sich normalerweise bedeckt hält und ein eher bescheidenes Leben führt. Aber nun geht es nicht nur um die einfache Ermordung einer jungen Frau, sondern darum, dass jemand Magie benutzt, um zu töten, – und dieser Unbekannte scheint absolut skrupellos zu sein.
Die Welt, die D. B. Jackson für den Roman geschaffen hat, fühlte sich für mich (von einer kleinen Szene, bei der ich mich fragte, ob die angedeutete Geste zeitgemäß wäre) stimmig an. Zumindest ist sie stimmig für ein historisches Boston, in dem Magie (auch wenn sie eigentlich verboten ist) zum Alltag gehört. Ich fand es trotzdem auffällig, wie vielen selbstständigen Frauen Ethan im Laufe der Geschichte so begegnet, und welche Rolle diese Frauen für ihn spielten. Dabei fällt es mir nicht so schwer, über die klischeebehaftete Darstellung der Damen (die Fürsorgende, die verlorene Jugendliebe, die Böse und die Hexe) hinwegsehen, weil ich die Charaktere in der Regel ebenso mochte wie die Zeit, die Kulisse und die Handlung.
Doch letztendlich passiert gar nicht so viel in dem Roman. Ethan läuft viel von einem Ort zum anderen und versucht, mehr über die Verstorbene und ihren Tod herauszufinden. Dabei wird er regelmäßig von den diversen Parteien bedroht oder zusammengeschlagen und muss dabei feststellen, dass er trotz seiner besonderen Fähigkeiten doch in vielen Fällen recht hilflos ist. Auch fand ich das Motiv seines Gegners von Beginn an recht auffällig präsentiert, so dass ich Ethans Tunnelblick mir selbst gegenüber ein wenig entschuldigen musste (schließlich ist es nicht leicht, logisch zu denken, wenn man übermüdet und verletzt ist 😉 ). Trotz all dieser etwas negativen Aussagen über den Roman haben mich die Figuren, die Grundidee und all die kleinen atmosphärischen Szenen, in denen das Verhältnis der Charaktere zueinander und die Alltagsmomente eines historischen Boston deutlich wurden, so gut unterhalten, dass ich die Reihe weiterlesen mag und mich jetzt schon auf ein Wiedersehen mit Ethan und seinen Freunden freue.
Noch ein Satz zur Sprache im Roman: Das Englisch fand ich grundsätzlich gut zu lesen, allerdings gab es die eine oder andere Nebenfigur, deren Slang oder Dialekt ich nicht ganz so leicht zur erfassen fand, was dazu führte, dass ich bei Dialogen hier und da etwas überlegen musste. Aber nichts davon war so schlimm, dass ich den Sinn der Gespräche nicht erfassen konnte, ich musste an den Stellen nur etwas aufmerksamer sein.
Auch wenn ich nicht loslaufen werde, um mir das Buch zu besorgen und es mich auch als Leihgabe derzeit nicht reizt, der Ansatz durchaus interessant. Bestimmt steigert sich der Autor mit dem zweiten Buch der Chroniken.
Mir würde es sogar reichen, wenn er das Niveau hält, eine Steigerung wäre natürlich auch toll. Die Geschichte hat mir wirklich Spaß gemacht, auch wenn ich nicht blind für die Schwächen war. 🙂
Setting und Story klingen wirklich sehr vielversprechend. Ich mag es, wenn ein Buch schön atmosphärisch ist, dann kann ich auch über kleinere Fehler hinwegsehen.
Ich setz das mal auf meine Wunschliste! 🙂
@Neptun: Ich fand es wirklich erfrischend so eine Geschichte mal vor einem stimmigen historischem Hintergrund zu lesen. 🙂 Ich bin gespannt, wie dir der Roman gefällt, wenn er mal von der Wunschliste in den Bestand wandert. 😉