Deon Meyer: Der Atem des Jägers

Im Mai hatte ich „Dreizehn Stunden“ von Deon Meyer an einem Tag verschlungen und da mir der Roman so gut gefallen hatte, wollte ich auch die anderen beiden Kriminalromane rund um Benny Griessel lesen. „Der Atem des Jägers“ ist der erste Roman, den der Autor über den südafrikanischen Polizisten geschrieben hat, und ich muss zugeben, dass ich den Anfang nicht so mitreißend fand wie bei „Dreizehn Stunden“. Obwohl auch hier von Beginn an mit Perspektivwechseln gearbeitet wird, brauchte ich etwas, um mich an eine der drei zu Wort kommenden Personen zu gewöhnen. Aber als ich erst einmal in die Geschichte hineingefunden hatte, habe ich auch dieses Buch an einem Stück durchgelesen, weil ich es so fesselnd fand.

Erzählt wird die Handlung aus drei Perspektiven. Auf der einen Seite ist da eine junge Frau, die einem Priester ihre Geschichte erzählt, dann ein schwarzer Farmer, dessen achtjähriger Sohn vor kurzem erst bei einem Tankstellenüberfall getötet wurde, und zuletzt Benny Griessel, der gerade am absoluten Tiefpunkt seines Lebens angekommen ist. Benny ist seit Jahren Alkoholiker, doch nun ist der Moment erreicht, an dem seine Frau Anna ihn vor die Tür setzt. So kämpft Benny auf der einen Seite (wieder einmal) damit trocken zu werden und auf der anderen Seite versucht er einen Serienmörder dingfest zu machen, der es auf Kinderschänder abgesehen hat.

Der Roman ist, obwohl man durch die verschiedenen Handlungsstränge sehr viele Dinge weiß, die der Polizist noch lange nicht herausfinden kann, wirklich spannend geschrieben. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, aber selbst vorhersehbare Szenen können einen fesseln. Deon Meyer hat ein Händchen für Charaktere, wenige Szenen genügen in der Regel, damit man das Gefühl hat, man kennt die Figur – und trotzdem sind die Personen nicht langweilig oder klischeeüberfrachtet dargestellt.

Ich muss zugeben, dass es mir normalerweise schwer fällt mit Charakteren, die Alkoholiker sind, Sympathie zu empfinden. Aber bei Benny ist das anders. Ihn mag ich wirklich – mit all seine Selbstzweifeln, seinen Kämpfen gegen die Sucht, seiner vorurteilsfreien Sichtweise, seiner Mischung aus Menschenfeindlichkeit und Geduld. Ihm kann ich sogar die aggressiven Ausbrüche verzeihen, da es auch die Zuneigung zu seinen Kindern gibt, seine Liebe zur Musik und seiner Freude an manchen kleinen Dingen im Leben.

Abgesehen von der spannenden Handlung und den gelungenen Figuren reizt mich auch der Schauplatz der Benny-Griessel-Romane. Südafrika gehört zu den Ländern, bei denen ich große geschichtliche Lücken habe. Umso faszinierender finde ich es einen Einblick in das heutige Südafrika zu bekommen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie weit Deon Meyers Beschreibungen die Realität wiederspiegeln. Aber es fühlt sich real an, wenn er darüber schreibt wie die verschiedenen südafrikanischen Völker sich aneinander reiben, wie sich der Rassismus (und zwar nicht nur den der Weißen gegenüber den Schwarzen) äußert, wie die Weißen Probleme haben sich an die geänderten Machtverhältnisse zu gewöhnen und wie schwierig es bei ständig wechselnden politischen Vorgaben ist, eine Behörde am Laufen zu halten.

Eigentlich gibt es sehr viele deprimierende Elemente in Deon Meyers Romanen, aber während ich mich bei vielen anderen Autoren schnell abgestoßen fühle, wenn es an allen Ecken und Enden von Bestechlichkeit, Korruption, Kriminalität in allen Schattierungen und anderen schlimmen Dingen wimmelt, finde ich bei den Benny-Griessel-Romanen genügend ausgleichende Szenen, um die Bücher trotzdem genießen zu können. Man spürt einfach, dass da ganz viel im Umbruch ist (und zwar nicht nur im Land, sondern auch bei den Personen selber) und dass es noch Hoffnung für die Zukunft gibt.

3 Kommentare

  1. Liebe Winterkatze, als ich den Anfang dieses Artikels bei Erscheinen gelesen habe, fiel mir ein, dass ich "dreizehn Stunden" auch auf dem Kindle liegen habe. Daraufhin hage ich fast sofort mit dem Lesen begonnen und war ähnlich begeistert & fasziniert wie Du. Ich denke, ich werde mir den "Atem des Jägers als nächstes vornehmen…
    Die Spannung ist in den "dreizehn Stunden" wirklich gut aufgebaut und Deine Rezension zum ersten Teil macht mir Hoffnung.
    Was Südafrika angeht geht es mir ähnlich wie Dir – gerade deshalb will ich auch weiterlesen 🙂
    Griessel finde ich auch sehr sympathisch – am Ende des Buches habe ich richtig um ihn und sein Duchhaltevermõgen gebangt 😉
    Danke für die Erinnerung an diesen tollen Autor!

  2. Liebe Sayuri,

    schön, dass ich dich zu den "Dreizehn Stunden" bringen konnte (und toll, dass du bei mir deinen Leseeindruck rückmeldest – man hat ja oft das Gefühl, dass die Rezensionen so ins Leere gehen). Ich habe schon das Gefühl, dass "Dreizehn Stunden" flüssiger und etwas besser geschrieben ist als "Der Atem des Jägers", da scheint Deon Meyer schon mehr in seiner Reihe angekommen zu sein. Aber das ändert nichts daran, dass auch das ein spannender Roman in einem faszinierenden Umfeld ist. 🙂

    Griessel und sein Durchhaltevermögen – da gibt es auch so einige Szenen in "Der Atem des Jägers" und trotzdem habe ich ihn gemocht. Das ist für mich mit einer der faszinierenden Aspekte an den Geschichten, denn ich habe sonst wirklich Probleme mit Alkoholikern als Hauptfiguren. Und Südafrika (und zwar mal nicht aus Touristen- oder "Eroberer"-Perspektive) ist eine faszinierende Kulisse für so einen Krimi.

  3. […] Uiui, wie konnte es nur wieder so spät werden? Ich muss gestehen, dass ich „Sieben Tage“ fast in einem Zug ausgelesen habe. Ich mag Deon Meyers Schreibweise total gerne, ich mag seinen Polizisten Benny Griessel – ausnahmsweise sogar samt all seiner persönlichen Probleme – wirklich. Der Fall war spannend und hat mir wieder ein kleines bisschen die Augen für das heutige Südafrika geöffnet. Wer etwas über die Reihe lesen will, kann sich ja meine Rezension zum ersten Band um Benny anschauen: „Der Atem des Jägers“ […]

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