Schlagwort: Südafrika

Deon Meyer: Weißer Schatten

Nachdem ich die „Benny Griessel“-Romane von Deon Meyer so mag und mal wieder Lust auf einen etwas härteren Krimi hatte, dachte ich mir, dass es an der Zeit sei die anderen Romane des Autors anzutesten. Auf „Weißer Schatten“ fiel meine Wahl aus dem einfachen Grund, dass das Buch in der Bibliothek vorzumerken war, aber die Inhaltsbeschreibung fand ich auch ganz reizvoll. Die Handlung dreht sich um Lemmer, der als Bodyguard für eine Agentur arbeitet. Sein neuer Job beinhaltet den Schutz von Emma le Roux, die gerade erst von drei Männern mit Sturmhauben und Handschuhen in ihrem Haus überfallen wurde.

Emma ist der Meinung, dass dieser Überfall mit einem Anruf zusammenhängt, denn sie zwei Tage zuvor erst gemacht hat. Bei diesem Anruf hat sie Kontakt mit einer Polizeidienststelle in der Nähe des Kruger Nationalparks gesucht, da diese eine Suchmeldung nach einem mutmaßlichen Mörder veröffentlicht hat, in dem Emma ihren vor vielen Jahren verstorbenen Bruder zu erkennen glaubte. Auf der Suche nach weiteren Informationen reist Emma mit Lemmer zu dem Wildpark, in dem der Mann bis vor kurzem noch gearbeitet hat. Während die beiden bei ihrer Recherche immer wieder auf eine unerklärliche Mauer des Schweigens stoßen, werden sie ihrerseits von (vermutlich) verschiedenen Parteien verfolgt und bedroht.

Für mich war „Weißer Schatten“ aus mehreren Gründen wirklich spannend. Erst einmal fand ich das Geheimnis um den verschwundenen Mann und die Frage, ob er nun Emmas Bruder ist oder nicht, sehr reizvoll. Verwoben mit der Frage nach der Identität des geheimnisvollen Mannes war auch das Thema Naturschutz, Tierschutz und Wilderei – was mich ebenfalls ansprach. Dann hat Deon Meyer seinem Protagonisten Lemmer so einige interessante Ansichten zugeschrieben. Und nicht zuletzt gab es mit diesem Roman mal einen Blick auf die Gesellschaft außerhalb von Kapstadt, auf die Probleme, die zwischen den Naturschützern, den Geschäftsleuten und den Landbesitzern herrschen. Außerdem geht der Autor auf die Schwierigkeiten ein, die entstehen, wenn ein Land auf der einen Seite von dem Tourismus und der Schönheit der Natur lebt und auf der anderen Seite einen radikalen gesellschaftlichen Umbruch zu verarbeiten hat, der dafür sorgt, dass es viele Parteien gibt, die nach all den Jahren der Unterdrückung ihr Recht verlangen.

Lemmer selbst fand ich recht sympathisch, auch wenn seine Handlungen vor allem gegen Ende moralisch zweifelhaft waren. Das ist für mich auch einer der großen Unterschiede zwischen den Benny-Griessel-Geschichten und diesem Buch, denn Benny ist bei allem Bewusstsein für die Ungerechtigkeiten in der Welt doch davon überzeugt, dass man das Gesetz einhalten sollte. Für ihn ist es zwar nachvollziehbar, wenn jemand die Regeln übertritt und das Recht in die eigene Hand nimmt, aber trotzdem kann ein gleichberechtigtes Zusammenleben langfristig nur funktionieren, wenn sich alle an die gleichen Regeln halten. Lemmer hingegen lebt in einer Welt, in der ganz klar ist, dass bestimmte Personen sich nie an Gesetze halten werden, und die Folge ist, dass er sich ebenfalls seinen eigenen Weg sucht und seine Art der Gerechtigkeit verfolgt.

Was mir noch aufgefallen ist an diesem Buch, sind viele Beobachtungen und Bemerkungen, die Lemmer macht. Er redet nicht viel, aber er lässt einen aber an seinen Gedanken zu vielen Themen teilhaben. Da Deon Meyer seine Bücher im Original auf Afrikaans veröffentlicht, obwohl die meisten südafrikanischen Autoren anscheinend für ihre Veröffentlichungen aufs Englische zurückgreifen, fand ich eine Bemerkung zum Thema Sprache sehr interessant. Da lässt der Autor Lemmer zu Emma sagen, dass seiner Meinung nach die Anrede auf Englisch durch eine Rezeptionistin der Versuch sei, sich von ihrer Herkunft zu lösen, um von Außenstehenden „neutral“ betrachtet zu werden. Obwohl alle drei eigentlich Afrikaans sprechen, scheuen sie sich davor diese Sprache zu benutzen, weil damit ebenso wie mit ihrer Identität als Buren bestimmte Vorurteile verknüpft seien. Dabei sei es seiner Meinung nach gerade deshalb wichtig Afrikaans zu reden, sich zu seiner Herkunft zu bekennen und dafür zu sorgen, dass sich langfristig dieses negative Bild verändert …

Deon Meyer: Der Atem des Jägers

Im Mai hatte ich „Dreizehn Stunden“ von Deon Meyer an einem Tag verschlungen und da mir der Roman so gut gefallen hatte, wollte ich auch die anderen beiden Kriminalromane rund um Benny Griessel lesen. „Der Atem des Jägers“ ist der erste Roman, den der Autor über den südafrikanischen Polizisten geschrieben hat, und ich muss zugeben, dass ich den Anfang nicht so mitreißend fand wie bei „Dreizehn Stunden“. Obwohl auch hier von Beginn an mit Perspektivwechseln gearbeitet wird, brauchte ich etwas, um mich an eine der drei zu Wort kommenden Personen zu gewöhnen. Aber als ich erst einmal in die Geschichte hineingefunden hatte, habe ich auch dieses Buch an einem Stück durchgelesen, weil ich es so fesselnd fand.

Erzählt wird die Handlung aus drei Perspektiven. Auf der einen Seite ist da eine junge Frau, die einem Priester ihre Geschichte erzählt, dann ein schwarzer Farmer, dessen achtjähriger Sohn vor kurzem erst bei einem Tankstellenüberfall getötet wurde, und zuletzt Benny Griessel, der gerade am absoluten Tiefpunkt seines Lebens angekommen ist. Benny ist seit Jahren Alkoholiker, doch nun ist der Moment erreicht, an dem seine Frau Anna ihn vor die Tür setzt. So kämpft Benny auf der einen Seite (wieder einmal) damit trocken zu werden und auf der anderen Seite versucht er einen Serienmörder dingfest zu machen, der es auf Kinderschänder abgesehen hat.

Der Roman ist, obwohl man durch die verschiedenen Handlungsstränge sehr viele Dinge weiß, die der Polizist noch lange nicht herausfinden kann, wirklich spannend geschrieben. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, aber selbst vorhersehbare Szenen können einen fesseln. Deon Meyer hat ein Händchen für Charaktere, wenige Szenen genügen in der Regel, damit man das Gefühl hat, man kennt die Figur – und trotzdem sind die Personen nicht langweilig oder klischeeüberfrachtet dargestellt.

Ich muss zugeben, dass es mir normalerweise schwer fällt mit Charakteren, die Alkoholiker sind, Sympathie zu empfinden. Aber bei Benny ist das anders. Ihn mag ich wirklich – mit all seine Selbstzweifeln, seinen Kämpfen gegen die Sucht, seiner vorurteilsfreien Sichtweise, seiner Mischung aus Menschenfeindlichkeit und Geduld. Ihm kann ich sogar die aggressiven Ausbrüche verzeihen, da es auch die Zuneigung zu seinen Kindern gibt, seine Liebe zur Musik und seiner Freude an manchen kleinen Dingen im Leben.

Abgesehen von der spannenden Handlung und den gelungenen Figuren reizt mich auch der Schauplatz der Benny-Griessel-Romane. Südafrika gehört zu den Ländern, bei denen ich große geschichtliche Lücken habe. Umso faszinierender finde ich es einen Einblick in das heutige Südafrika zu bekommen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie weit Deon Meyers Beschreibungen die Realität wiederspiegeln. Aber es fühlt sich real an, wenn er darüber schreibt wie die verschiedenen südafrikanischen Völker sich aneinander reiben, wie sich der Rassismus (und zwar nicht nur den der Weißen gegenüber den Schwarzen) äußert, wie die Weißen Probleme haben sich an die geänderten Machtverhältnisse zu gewöhnen und wie schwierig es bei ständig wechselnden politischen Vorgaben ist, eine Behörde am Laufen zu halten.

Eigentlich gibt es sehr viele deprimierende Elemente in Deon Meyers Romanen, aber während ich mich bei vielen anderen Autoren schnell abgestoßen fühle, wenn es an allen Ecken und Enden von Bestechlichkeit, Korruption, Kriminalität in allen Schattierungen und anderen schlimmen Dingen wimmelt, finde ich bei den Benny-Griessel-Romanen genügend ausgleichende Szenen, um die Bücher trotzdem genießen zu können. Man spürt einfach, dass da ganz viel im Umbruch ist (und zwar nicht nur im Land, sondern auch bei den Personen selber) und dass es noch Hoffnung für die Zukunft gibt.

Agatha Christie: The Man in the Brown Suit

Nachdem ich immer wieder in Texten über die Autorin über die Aussage gestolpert bin, dass Agatha Christies Romane in der deutschen Umsetzung deutlich gekürzt oder verändert wurden, wollte ich mir ein paar Titel der Autorin mal bewusst im Original angucken, um mir ein eigenes Bild davon zu machen. Außerdem passt „The Man in the Brown Suit“ so schön zur English-Challenge und bietet mir die Gelegenheit mal etwas anderes als einen Dresden-Files-Roman dafür zu besprechen.

„Der Mann im braunen Anzug“ ist wohl einer der unbekannteren Romane von Agatha Christie und gehört zu meinen Lieblingsbüchern der Autorin. Hier bekommt der Leser keine Miss-Marple- oder Hercule Poirot-Geschichte präsentiert, denn die Ereignisse drehen sich um die Abenteuer von Anne Beddingfeld. Anne ist die Tochter eines Gelehrten, der sich so sehr für seine anthropologischen Studien interessiert, dass er alles andere darüber vergessen kann. Während Anne ihm den Haushalt führt und gerade so mit dem kargen Einkommen des Vaters über die Runden kommt, bestehen die Höhepunkte ihres Lebens aus dem Lesen von Romanen aus der Leihbücherei und dem wöchentlichen Kinobesuch, wo sie die Episoden rund um die Abenteurerin Pamela genießt. So wundert es einen nicht, dass Anne nach dem Tod ihres Vaters sein Ableben zwar bedauert, darin aber auch die Chance sieht endlich ein aufregendes und abwechslungsreicheres Leben zu führen.

Zum Glück wird sie von einem Geschäftspartner ihres verstorbenen Vaters nach London eingeladen. Dort, so hofft Anne, wird sie eine Anstellung finden, die ihren Hunger nach Aufregung und Romantik befriedigt. Doch so einfach ist es nicht eine Beschäftigung zu finden, die Annes Ansprüchen entspricht – und so stürzt sich die junge Frau lieber auf einen rätselhaften Unfall, den sie in der U-Bahn beobachtet. Bei diesem Unfall stürzte ein – nach Mottenkugeln riechender – Mann unter seltsamen Umständen von der Plattform der Bahn und kommt dabei ums Leben. Ein geheimnisvoller Zettel, dem ebenfalls der Geruch von Mottenkugeln anhaftet, und ein Mord in einem leerstehenden Haus führen Anne auf die Spur eines Verbrecherrings, der vor allem während des Ersten Weltkriegs (die Geschichte wurde von Agatha Christie 1926 veröffentlicht) aktiv war. Und bei all diesen rätselhaften und bedrohlichen Vorfällen scheint ein Mann in einem braunen Anzug involviert zu sein. Ein Mann, der nicht nur Annes kriminalistisches Interesse weckt …

Erzählt werden die Ereignisse in erster Linie aus Annes Sicht, aber auch Tagebucheinträge von Sir Eustace Pedler werden in die Geschichte eingeflochten. Dieser schon etwas ältere Herr ist nicht nur der Besitzer des leerstehenden Hauses, in dem der Mord passierte, sondern er wird auch von der britischen Regierung gebeten ein politisch wichtiges und überaus geheimes Dokument nach Südafrika mitzunehmen. So spielt ein guter Teil der Handlung auf einem Schiff und später in Südafrika, wobei sich der Kreis der handelnden Personen auf einen recht engen Rahmen beschränkt, nämlich Sir Eustace Pedler und seine Angestellten, Anne Beddingfeld, eine wohlhabende Weltenbummlerin, einen attraktiven schweigsamen Mann, der für den Geheimdienst arbeitet, und einen nicht sehr sympathischen Missionar.

Trotz dieses kleinen Kreises gelingt es Agatha Christie ganz wunderbar eine Atmosphäre zu schaffen, die einer Spionagegeschichte und einer Handlung rund um eine Verbrecherbande gerecht wird. Doch vor in erster Linie mag ich die verschiedenen Charaktere, allen voran Anne und Sir Eustace Pedler, denen die Autorin jeweils eine ganz eigene Stimme verleiht. Während Anne ihr Abenteuer in vollen Zügen genießt und nur hier und da bei ihr der Gedanke aufkommt, dass sie sich doch recht blauäugig in so manche Gefahr begibt, scheint der alte Herr nichts und niemanden ernst zu nehmen und trotzdem nie so ganz zufrieden mit dem Benehmen seiner Mitmenschen zu sein. So fragt er zum Beispiel ganz am Anfang der Geschichte den Beamten, der ihn als Kurier nach Südafrika anheuern soll, warum man dafür nicht einfach die britische Post bemühen würde. Eine Briefmarke wäre doch deutlich weniger umständlich zu finden, als eine vertrauenswürdige Person, die den langen Weg nach Afrika auf sich nimmt …

Zwei Absätze finde ich dabei recht typisch für den Erzählstil dieser Geschichte:

„It reminded me forcibly of Episode III in „The Perils of Pamela“. How often had I not sat in the sixpenny seats, eating a twopenny bar of milk chocolate, and yearning for similar things to happen to me! Well, they had happened with a vegeance. And somehow it was not nearly so amusing as I had imagined. It’s all very well on the screen – you have the comfortable knowlege that there’s bound to be an Episode IV. But in real life there was absolutely no guarantee that Anna the Adventuress might not terminate abruptly at the end of any Episode.“ (Anne Beddingfeld, S. 118)

„I am inclined to abandon my Reminiscences. Instead, I shall write a short article entitled „Sectretaries I have had“. As regards secretaries, I seem to have fallen under a blight. At one minute I have no secretaries, at another I have too many. […] Yes, „Secretaries I have had“. No.1, a murder fleeing from justice. No.2, a secret drinker who carries on disreputable intrigues in Italy. No.3, a beautiful girl who possesses the useful faculty of being in two places at once. No.4, Miss Pettigrew, who I have no doubt, is really a particularly dangerous crook in disguise!“ (Sir Eustace Pedler, S. 142)

„The Man in the Brown Suit“ ist ein wunderbar unterhaltsamer Kriminalroman, der vielleicht nicht zu Agatha Christie kompliziertesten oder spritzigsten Geschichten gehört, der mir persönlich aber immer wieder sehr gut gefällt. Ich mag die romantische und abenteuerlustige Anne und bewundere ihre Courage, auch wenn ich nicht so recht nachvollziehen kann, warum sie sich von dem Mann im braunen Anzug so angezogen fühlt. Nun, das könnte aber auch daran liegen, dass er gut aussieht, unhöflich ist und seinen Beschützerinstinkt nicht immer unterdrücken kann …Wer mal einen Roman der Autorin ausprobieren will, der nichts mit Miss Marple oder Hercule Poirot zu tun hat, der könnte eindeutig eine schlechtere Wahl treffen. 😉 Achja, großer Unterschiede zu meiner deutschen Ausgabe habe ich nicht feststellen können, abgesehen davon, dass mir zwei kleine Szenen unvertraut vorgekommen sind. Allerdings habe ich „Der Mann im braunen Anzug“ beim Lesen auch nicht bei der Hand gehabt und konnte so keinen direkten Vergleich anstellen. Oh, und zu meiner eigenen Überraschung (bei Kriminalromanen habe ich einfach immer Angst, dass ich nicht genug Feinheiten mitbekommen würde) lässt sich die Geschichte auch ganz wunderbar im Original lesen.