Eiko Kadono: Kiki’s Delivery Service

Obwohl der Ghibli-Film „Kiki’s Delivery Service“ zu meinen Lieblings-Wohlfühlfilmen zählt, brauchte es erst einen Hinweis von Kiya vor einiger Zeit, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass der Anime auf einem Roman von Eiko Kadono basiert. Nachdem ich das Buch am vergangenen Sonntag gelesen habe, bin ich sehr glücklich über diesen Hinweis, denn die Originalgeschichte hat mir noch besser gefallen als der Ghibli-Film. Vor allem bietet der Roman so viel mehr Hintergrundinformationen und Erklärungen zu Kikis Fähigkeiten als Hexe, als es der Anime tut (obwohl all diese Dinge dort problemlos hätten eingebaut werden können). So steht im Buch von Anfang an fest, dass es nicht Kikis Schuld ist, dass sie über keine weitere magische Begabung als das Fliegen verfügt, denn im Laufe der Zeit haben die Hexen einfach viele ihrer Fertigkeiten verloren – und da Kikis Vater über keinerlei Magie verfügt, wurde sie eben nur mit einer einzigen Fähigkeit geboren. Ich finde es deutlich netter so, da klar wird, dass es nicht an Kikis Unfähigkit oder gar Faulheit liegt, dass sie über so wenig Magie verfügt, und dass das Fliegen nun mal der einzige Weg für sie ist, um sich ein selbstständiges Leben fern von ihren Eltern aufzubauen.

Ich fand es sehr wohltuend, Kiki auf ihrem Flug in eine große Stadt am Meer zu begleitet und mitzuerleben, wie sie dort Fuß fasst, neue Freunde findet und einen florierenden Lieferdienst aufbaut. Die Geschichte wird in mehreren kleinen Episoden erzählt und in der Regel gibt es bei jeder etwas zum Schmunzeln. Ich muss gestehen, dass ich – gerade weil ich den Anime so mag – beim Lesen immer wieder nach Unterschieden zum Trickfilm geschaut habe. Dabei gab es so viele Elemente im Roman zu entdecken, bei denen ganz deutlich wurde, woher die Inspiration für den Anime kamen, die mir aber im Buch so viel besser gefielen. Was auch daran liegt, dass ich bei der Ghibli-Version der Geschichte die Momenten nicht mag, in denen Kiki sich wie ein trotziger Teenager benimmt, und das führt dann dazu, dass irgendetwas schiefläuft, was nicht hätte schieflaufen müssen. Im Roman hingegen gibt es zwar auch Szenen, in denen kleine Katastrophen passieren, aber eher weil so etwas eben passiert und weniger weil die Protagonistin Mist gebaut hat. Und als Kiki im Buch doch einmal etwas tat, von dem sie genau wusste, dass sie es nicht hätte tun sollen, gesteht sie am Ende alles der Person, der sie Unrecht getan hat, und gewinnt so eine neue Freundin.

Insgesamt habe ich bei der Roman-Kiki eher das Gefühl, dass das eine Person ist, die trotz ihrer gerade mal dreizehn Jahre auf eigenen Beinen stehen kann. Es ist auch für sie nicht einfach und sie ist oft entmutigt oder hat Heimweh, aber sie rappelt sich dann wieder auf und macht weiter. Dagegen habe ich bei der Anime-Kiki häufig das Gefühl, dass sie sich mit ihrem schmollenden oder trotzigen Verhalten so viele Möglichkeiten verbaut und es eher den Menschen um sie herum zu verdanken ist, dass sie trotzdem einigermaßen in der Stadt zurechtkommt. Vielleicht ist die Anime-Kiki die realistischere Darstellung eines Teenagers, aber ich fühle mich mit der Original-Kiki deutlich wohler und habe so das Lesen des Romans rundum genossen. Ich habe all die Personen, die Kiki im Laufe ihres Jahres in der Stadt am Meer kennengelernt hat, ins Herz geschlossen, ich mochte die – teils skurrilen – Herausforderungen, die sie zu bewältigen hatte, und ich fand es wunderschön zu verfolgen, wie Kiki an ihrem neuen Wohnort Fuß fasst. Ich bin mir sicher, dass ich den Roman in den kommenden Jahren noch oft aus dem Regal ziehen werde, wenn ich mal wieder das Bedürfnis nach einer rundum wohltuenden Geschichte habe.

4 Kommentare

    • Ja, ich würde sagen, dass das Middle Grade ist, auch wenn ein paar Episoden auch für jüngere Leser.innen geeignet wären. Aber die Geschichte beginnt rund um Kikis 13. Geburtstag und es gibt ein paar Elemente, die meiner Meinung nach auf jüngere Teenager ausgerichtet sind.

  1. Ich wusste auch gar nicht, dass der Film auf einem Roman basiert. Für mich war im Anime auch manches nicht ganz rund und ich habe Kikis Verhalten manchmal anstrengend gefunden, daher könnte ich mir vorstellen, dass mir der Roman auch besser gefallen würde.

    • Ich glaube, wenn ich den Roman vor dem Film gekannt hätte, hätte ich den Anime nie so ins Herz geschlossen, weil ich die Romanhandlung wirklich hübsch finde. Ich wäre wirklich gespannt darauf zu erfahren, ob dir das Buch auch so viel besser gefällt wie mir. 🙂

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