Ich hatte vorher weder etwas von der Autorin noch von dem Roman gehört, als ich Ende Mai über einen „habe ich genossen, gibt es gerade kostenlos“-Link bei Twitter gestolpert bin. Weil sich die Inhaltsangabe nett anhörte, habe ich die Geschichte auf meinen eReader geladen und wollte sie dann nur kurz anlesen. Inzwischen habe ich vier Titel aus der Baleful-Godmother-Reihe gelesen und freue mich, dass ich noch mindestens zwei weitere Bücher vor mir habe. 😉
Emily Larkin hat mit „Unmasking Miss Appleby“ einen wunderbaren Historical geschrieben, der mehrere ungewöhnliche Elemente aufweist. So beginnt die Geschichte an dem Tag im Jahr 1805, an dem die Protagonistin, Charlotte Appleby, ihren 25 Geburtstag feiert und sich auf einmal ihrer Feen-Patentante gegenübersieht. Wie jede vernünftige Frau glaubt sie eigentlich nicht an Feen und hatte auch keine Ahnung, dass eine Vorfahrin dafür verantwortlich ist, dass jedes weibliche Mitglied ihrer Familie von einer Fee einen Wunsch gewährt bekommt. Doch nachdem Charlotte sich sicher ist, dass die unheimliche Frau, die in ihr Zimmer eingedrungen ist, wirklich eine Fee ist, geht sie sehr sachlich und überlegt an die Sache heran und entscheidet sich letztendlich für die Gabe der „Metamorphose“.
Seit vor einigen Jahren ihr Eltern gestorben sind, lebt sie als unbezahlte/s Hausmädchen/Gesellschafterin/Gouvernante im Haushalt ihres Onkels. Und obwohl dieser ihrem Vater versprochen hatte, dass Charlotte von ihrer Tante in die Londoner Gesellschaft eingeführt würde, hat der Onkel sein Versprechen nie eingehalten. So wünscht sich Charlotte nichts mehr, als irgendwie auf eigenen Füßen stehen und sich ihren Unterhalt selbst verdienen zu können. Durch die Gabe der Metamorphose ist sie nun in der Lage, sich in einen jungen Mann zu verwandeln und sich als Sekretär bei Lord Cosgrove zu bewerben. Sie ist sich sicher, dass sie die Arbeit gut verrichten kann – schließlich hat sie für ihren Vater schon eine ähnliche Position eingenommen. Allerdings war ihr nicht bewusst, wie wenig sie über das Leben als Mann in der Londoner Gesellschaft weiß und wie schwierig es werden würde, sich nicht zu verraten.
Lord Cosgrove (Marcus) hingegen ist dringend auf der Suche nach einem neuen Sekretär, nachdem sein früherer Angestellter bei einem Anschlag im Park schwer verletzt wurde. Dieser Anschlag galt dem Adeligen – und ist nur ein Ereignis in einer ganzen Reihe von Unerfreulichkeiten, die von eingeschlagenen Glasfenstern und Unrat auf seiner Türschwelle bis zu nächtlichen Angriffen reichen. Marcus selbst weiß nicht, wer für all diese Taten verantwortlich ist, verfügt aber über eine lange Liste von Verdächtigen, die aus politischen oder privaten Gründen etwas gegen ihn haben. Zu seiner großen Überraschung ist der junge Christopher Albin nicht nur bereit, die Stellung bei ihm als Sekretär anzunehmen, obwohl die Position nicht ohne Risiken ist, sondern Christopher kommt im Laufe der Zeit auch immer wieder an Informationen heran, die dem Lord wirklich helfen. Natürlich weiß Marcus nicht, dass sein neuer Sekretär eigentlich eine Frau ist und erst recht nicht, dass Charlotte ihre Gabe der Verwandlung nutzt, um für ihren neuen Arbeitgeber zu ermitteln.
Es gibt eine ganze Menge Dinge, die ich an diesem Roman mochte. Nicht nur fand ich die Protagonisten sympathisch, ich konnte ihr Verhalten in der Regel auch gut nachvollziehen (was ja nicht immer bei einem historischen Liebesroman gegeben ist) und mochte es, dass Charlotte ihre neu entdeckte Freiheit so wichtig war (und zwar so sehr, dass ihr ihr Job wichtiger ist als ihre Gefühle für ihren Arbeitgeber). Überhaupt ist Charlotte angenehm intelligent und vernünftig und testet – wenn sie die Zeit und Möglichkeit hat – jede neue Gestalt erst einmal, bevor sie sie wirklich einsetzt. Auch der „Beziehungsteil“ ist überraschend stimmig, wenn man bedenkt, dass Charlotte Marcus ja anfangs nur in männlicher Gestalt kennenlernt. Durch Lord Cosgrove entdeckt sie Ecken von London, von denen sie zuvor nie gehört hat, was nicht nur dazu führt, dass sie sich stellenweise sehr naiv anstellt, sondern auch, dass sie Einblick in das Leben und Denken von Männern bekommt, wie es für ihre Zeit und Stellung nun mal ungewöhnlich ist.
Das bringt sie dazu, dass sie Schritte ergreift, um Marcus – in ihrer realen Gestalt – näher kennenzulernen, die ich stimmiger finde, als in so manch anderem Roman. Auch verrate ich wohl nicht zu viel, wenn ich schreibe, dass es mehr als eine Sexszene zwischen den beiden Protagonisten gibt – und dass dieser Körperkontakt nicht von Anfang an für die beiden großartig und wiederholenswert ist. Für Charlotte ist der erste Sex in ihrem Leben sogar so unangenehm, dass sie es dabei durchaus belassen würde, wenn er nicht bei einem weiteren Treffen die Initiative ergreifen würde. Der Krimianteil ist jetzt nicht so wahnsinnig ausgefeilt, bietet Emily Larkin aber genügend Gelegenheiten, um die verschiedenen Figuren vorzustellen und Charlotte in die unterschiedlichsten Stadtteile von London zu führen – und damit ihre Geschichte nicht nur in gehobenen Adelskreisen spielen zu lassen. Ich habe mich wirklich wunderbar mit „Unmasking Miss Appleby“ amüsiert und mehr als einmal beim Lesen vor mich hingekichert, weil für Charlotte die Zusammenarbeit mit Marcus nicht immer einfach war und sie ständig auf der Hut sein musste (oder mitten ins Fettnäpfchen trat).
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu den weiteren drei Teilen, die ich bislang gelesen habe:
Sowohl „Resisting Miss Merryweather“ (Baleful Godmother 2), als auch „Claiming Mister Kemp“ (Baleful Godmother 4) sind deutlich kürzer als „Unmasking Miss Appleby“ und „Trusting Miss Trentham“ (Baleful Godmother 3), was sich auch auf die Qualität der Geschichten auswirkt. „Resisting Miss Merryweather“ war nett, aber nicht mehr als ein langer Anhang zum ersten Band, damit eine der Nebenfiguren noch ein Happy End bekommt. Sowohl die Tatsache, dass Miss Merryweather erst zum Schluss ihre magische Gabe bekommt, als auch die Handlung an sich haben mich nicht so sehr überzeugen können wie die Geschichte von Charlotte und Marcus.
„Trusting Miss Trentham“ habe ich hingegen wieder rundum genossen und mochte die Charaktere ebenso wie die Geschichte (inklusive den Ermittlungen rund um die Frage, wer bei einer Schlacht in Portugal wohl die Engländer verraten haben mag). Und obwohl „Claiming Mister Kemp“ einige Dinge aus „Trusting Miss Trentham“ wiederholt, so fand ich es schön mal eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern zu lesen, die in dieser Zeit spielt. Das ändert nichts daran, dass auch hier die Handlung etwas dünn ist und das Ganze ebenfalls geschrieben wurde, damit auch hier zwei Nebenfiguren noch etwas mehr Raum bekommen, als es in dem dritten Band der Reihe möglich war.
Es gibt noch vier weitere Geschichten, die Jahrhunderte vor den „Baleful Godmother“-Romanen spielen und erzählen, wie es überhaupt zu der Verbindung zwischen dieser Familie und den Feen kommt. Aber bislang kann ich dazu noch nichts sagen, weil ich erst einmal wieder etwas Abwechslung benötigte. Wer aber neugierig auf die Autorin und „Unmasking Miss Appleby“ geworden ist, kann den ersten Baleful-Godmother-Band und „The Fey Quartet“ kostenlos bekommen, wenn er sich für Emily Larkins Newsletter anmeldet.
Hallo Winterkatze,
du bist so eine richtige Leseratte finde ich klasse.
Sag mal, wie weit bist du denn mit deiner Wohnung fortgeschritten.
Lieben Gruß Eva
Meine Mutter war früher nicht so glücklich damit, sie hätte mich lieber häufiger ohne Buch gesehen. 😉
Die Wohnung stagniert leider etwas. Wir mussten von einem Tag auf den anderen eine neue Waschmaschine kaufen, weshalb erst einmal keine weiteren Regale bestellt werden können. Und ohne weitere Regale müssen die restlichen Kartons so stehenbleiben wie sie sind.