[Figurenkabinett] Alanna von Trebond

Alanna von Trebond begleitet mich schon seit sehr vielen Jahren, genauer gesagt, seitdem die kleine Stadtbibliothek, die mich als Teenager mit Büchern versorgt hat, im Jahr 1985 das Buch „Die schwarze Stadt“ angeschafft hat. Sehr schnell ist mir Alanna ans Herz gewachsen, während ihr Zwillingsbruder mir etwas zu jämmerlich war – doch zum Glück spielt Thom in dieser Geschichte nur eine kleine Rolle. Alanna ist eine junge Adelige, die unter ungewöhnlichen Umständen aufgewachsen ist. Ihre Mutter verstarb bei der Geburt der Zwillinge, ihr Vater hat sich so gut wie nie um seine beiden Kinder gekümmert und sich lieber in seine Studien vertieft, während Alanna und Thom von einer Heilerin und einem Soldaten im Dienst von Alannas Vater aufgezogen wurden.

Zum Beginn von „Die schwarze Stadt“ sind die Zwillinge gerade alt genug, um von Zuhause weggeschickt zu werden. So soll Thom in die Hauptstadt Chorus reisen und am Hof des Königs seinen Dienst als Page antreten, während Alanna in ein Kloster geschickt werden soll, wo sie alle Fertigkeiten einer adeligen Dame erlernen soll. Doch während Thom eher an Schulwissen und Zauberei interessiert ist, ist Alanna diejenige, die gut bei der Jagd, beim Fährtenlesen und beim Kampf ist, und diejenige, deren größter Wunsch es ist, Ritter zu werden. So tauscht sie mit ihrem Bruder die Rolle, und während Thom ins Kloster geht, um dort als Zauberer ausgebildet zu werden, verkleidet sich Alanna und tritt als Alan den Pagendienst im Schloss an.

Alanna weiß genau, dass sie nun gezwungen ist, für viele Jahre als Junge zu leben – und wenn sie es jemals zum Ritter schaffen sollte, dann steht immer noch die Frage im Raum, wie sie dann die Öffentlichkeit (und ihren König!) über ihr wahres Geschlecht aufklären soll. Mir persönlich hat es immer gefallen, dass es Alanna nicht leicht gefallen ist, diesen Weg zu gehen und ihre Umgebung anzulügen. Auf der anderen Seite ist ihr Traum so groß, dass sie eben fast alles dafür tun würde, um ihn zu erfüllen. Dabei hilft ihr auch ihre Dickköpfigkeit, die sie immer wieder durch schwierige Situationen bringt.

Alanna ist nämlich nicht nur kleiner als die meisten ihrer Pagenkollegen, sondern sie hat auch ein paar Schwachpunkte als Kriegerin. So liegt ihr der Schwertkampf lange Zeit überhaupt nicht, bis sie sich selbst jeden Tag Extrastunden auferlegt. Dieses Training ist ihr so wichtig, dass sie sogar anfängt, mit links den Schwertkampf zu üben, als sie sich einmal den rechten Arm gebrochen hat. Während ihr ihre Dickköpfigkeit über so manches Problem hinweghilft, bringen ihre Spontaneität, ihr Jähzorn und ihr Gerechtigkeitssinn sie immer wieder in Schwierigkeiten.

Alanna von Trebond begleitet mich inzwischen schon seit über 25 Jahren, zu meinem 18. Geburtstag habe ich mir die vier Bücher rund um das rothaarige, dickköpfige und doch so sympathische Mädchen schenken lassen, und als ich vor vielen Jahren meinen Mann kennenlernte, haben wir uns gegenseitig diese Romane vorgelesen – und ihm haben sie anscheinend ebenso gut gefallen wie mir. Ich freue mich heute noch bei jedem Wiederlesen über die amüsanten, nachdenklichen und bewegenden Momente. Ich vergieße Tränen, wenn Alannas Begleitern etwas zustößt, ich leide mit ihr, wenn sie ihre Freunde wegen ihres Geschlechts belügen muss, und irgendwie könnte man sogar behaupten, dass ich zumindest in zwei der drei Männer verliebt bin, die in Alannas Liebesleben einer Rolle spielen.

In ihren späteren Jugendfantasytiteln hat die Autorin Tamora Pierce ihre Welt Tortall deutlich komplexer ausgebaut und auch die Emelan-(Circle)-Geschichten haben einen vielschichtigeren Hintergrund als diese vier Romane rund um Alanna von Trebond. Aber in all ihren Geschichten finden sich wunderbar realistische und sympathische Charaktere, sogar wenn diese Figuren zum Teil übernatürliche Fähigkeiten haben, die schon fast göttlich zu nennen sind. Alanna, ihre Freunde, ihre Feinde und das fantastische Land Tortall sind mir schon vor langer Zeit ans Herz gewachsen und in regelmäßigen Abständen greife ich wieder zu den Büchern und versinke in den Abenteuern, die Alanna auf ihrem Weg zur Ritterwürde bestehen muss.

Leider sind nur wenige Romane von Tamora Pierce ins Deutsche übersetzt worden, aber als Jugendfantasy sind die Geschichten auf Englisch wirklich gut zu lesen.

Tortall-Geschichten von Tamora Pierce:

Alanna – The Song of the Lioness Quartet:

  1. Die schwarze Stadt (1985) – Alanna: The First Adventure (1983)
  2. Im Bann der Göttin (1986) – In the Hand of the Goddess (1984)
  3. Das zerbrochene Schwert (1987) – The Woman Who Rides Like a Man (1986)
  4. Das Juwel der Macht (1988) – Lioness Rampant (1988)

Dhana – The Immortals Quartet:

  1. Kampf um Tortall (1992) – Wild Magic (1992)
  2. Im Tal des Langen Sees (1993) – Wolf Speaker (1993)
  3. Der Kaiserliche Magier (1995) – The Emperor Mage (1994)
  4. Im Reich der Götter (1996) – The Realms of the Gods (1995)

(Spielt einige Jahre nach den Alanna-Romanen und bringt deutlich mehr Magie in die Welt von Tortall. Viele Figuren, die aus den Alanna-Geschichten bekannt sind, tauchen hier wieder auf.)

Protector of the Small:

  1. First Test (1999)
  2. Page (2000)
  3. Squire (2001)
  4. Lady Knight (2002)

(Nach Alanna ist Keladry of Mindelan das zweite Mädchen, das die Pagenausbildung antritt. Sie muss ihr Geschlecht nicht verbergen, hat dafür mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als Alanna. Ihr Tortall ist deutlich politischer als das von Alanna und in diesen Büchern verwendet die Autorin einige sozialkritische Elemente.)

Aly – The Daughter of the Lioness:

  1. Trickster’s Choice (2003)
  2. Trickster’s Queen (2004)

(In diesen Büchern ist Alannas Tochter die Hauptfigur – und ich muss zugeben, dass ich diese beiden Bände nicht ganz so gut finde wie die anderen Romane der Autorin.)

The Provost’s Dog:

  1. Terrier (2006)
  2. Bloodhound (2009)
  3. Mastiff (2011)

(Auf den dritten Band freue ich mich schon, mit etwas Glück zieht er dieses Jahr noch bei mir ein. Bei diesen Büchern habe ich das Gefühl, dass Tamora Pierce nicht nur versucht, eine frühere Zeit in Tortall zu beschreiben, sondern diese Welt auch mit Elementen ihrer Emelan-Reihe mischt. Auf jeden Fall finde ich diese Geschichten rund um Beka Cooper, die als Mitglied der Wache quasi als Polizistin fungiert, spannend und unterhaltsam zu lesen.)

16 Kommentare

  1. Ooooh, danke für dieses Porträt!

    Wenn ich nach meinem Lieblingsbuch gefragt werde, lande ich unweigerlich bei den Büchern um Alanna. Bei mir war's ungefähr so wie bei dir: ich habe die Bücher mit etwa zehn oder elf in unserer Schulbücherei entdeckt und habe sie dann von meinen Eltern geschenkt bekommen. Ich hab sie damals so oft gelesen, daß ich ganze Absätze auswendig konnte. 🙂
    Ich denke, daß Alannas Abenteuer nicht unschuldig daran sind, daß ich so gerne lese und dabei eben vor allem Jugend-Fantasy.

    Daß die Autorin mehr geschrieben haben könnte, darauf bin ich erst viel später gekommen und ich nehme mir bis heute vor, ihre anderen Reihen im Original zu lesen.
    (Hach, das macht mir gerade total Lust auf einen Re-read! (Das letzte Mal ist immerhin schon wieder drei Jahre her! ;-))

  2. Gern geschehen! 🙂 Ich liebe diese Bücher und bin immer wieder überrascht, dass so wenige die Romane kennen. Wenn mich jemand nach leicht zu lesenden englischen Büchern fragt oder nach spannender Einsteigerkost für Fantasyleser, dann empfehle ich immer die Alanna-Titel! Sie sind einfach toll und im Gegensatz zu vielen anderen Büchern kann ich sie auch als Erwachsene noch immer ebenso genießen wie als Teenager. 🙂

    Du kennst ihre anderen Reihen nicht? Du musst sofort anfangen dir die anderen Bücher zuzulegen! Und wenn du nicht auf Englisch lesen willst, dann guck nach den Dhanna-Titeln, die wurden auch übersetzt und zumindest der erste Teil ist gebraucht noch zu einem erschwingbaren Preis erhältlich. ;D

    Ansonsten mag ich auch die Emelan-Titel unheimlich gerne, wollte die hier nur nicht vorstellen, weil das sonst ein endlos langer Text geworden wäre. So habe ich noch was in der Hinterhand für ein zweites Figurenkabinett (ich müsste mich dann nur entscheiden, welche der vier Hauptfiguren ich in den Mittelpunkt stellen will. *g*)

  3. Ich freue mich immer wieder, wie viele Alanna-Fans es doch noch da draußen gibt.

    Ich bin immer wieder fasziniert, wie lebendig die Figuren in dieser sehr einfach gestrickten Geschichte jedes Mal werden, wenn ich sie lese oder anhöre.
    Für mich ist Alanna wirklich der Prototyp der starken, aber sehr menschlichen weiblichen Buchheldin. Ich wünschte, es gäbe mehr von der Sorte.

    Mit den Emelan-Romanen bin ich übrigens nie warm geworden. Allerdings ist mein letzter Versuch mit ihnen schon 10 Jahre her, vielleicht sollte ich es noch einmal versuchen.

  4. Doch, die Dhana-Reihe hab ich damals gleich gelesen, als mir klar wurde, daß Tamora Pierce auch noch andere Bücher geschrieben haben könnte. 😉
    Die Bücher haben mir richtig gut gefallen, besonders weil sie auch in Tortall spielen und man in ihnen ein paar Figuren aus Song of the Lioness wieder trifft.

    An die Emelan-Bücher habe ich mich irgendwie nie rangetraut – vielleicht weil sie nicht in Tortall spielen (oder?) …?

  5. @nija: Ich glaube, das größte Problem der Serie war die mangelnde Werbung durch den Arena-Verlag. Sonst kann ich mir einfach nicht erklären, dass die Bücher nicht bekannter geworden sind.

    Ich finde schon, dass du Emelan noch einen Versuch geben solltest. 🙂 Anfangs hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte für jüngere Leser konzipiert wurde als Alanna, aber das hat sich im Laufe der Zeit gegeben. Man muss sich einfach nur auf die andere Welt und ihre Gesetze einlassen. 🙂

    @Sarah: Dann würde ich mal einen Versuch mit der "Protector of the Small"-Reihe machen. Ich finde die Bücher nicht nur sehr gut auf Englisch zu lesen, sondern auch sehr spannend wie Tamora Pierce zum zweiten Mal an das Thema "Mädchen will Ritter werden" herangeht. 🙂

    Stimmt, die Emelan-Bücher spielen nicht in Tortall und die darin entworfene Welt unterscheidet sich schon von den Alanna-Titeln. Aber ich würde denen an deiner Stelle trotzdem eine Chance geben. 😉

  6. Wow, das sind ja doch ganz schön viele Bücher, die Tamora Pierce zu diesem Thema geschrieben hat! Da ist wirklich Raum, Charaktere und Welt zu entwickeln.

    Scheinbar sind viele von Alanna begeistert – ist richtig schön zu lesen, wie ihr die Bücher schon als Kinder geliebt habt 🙂 Ich glaube, da lese ich wirklich mal rein!

  7. @Kiya: Sie hat ja auch schon vor einigen Jahren damit angefangen. 🙂 Und wenn ich sehe, wie viele Titel Tamora Pierce noch geplant hat, dann hoffe ich, dass sie mindestens 100 Jahre alt wird, damit sie das auch alles auf die Reihe bekommt. 😉

    Und ja, gönn dir einen Blick in die Alanna-Bücher! 🙂

  8. Aber die Bücher sind ja teilweise eher lose miteinander verknüpft, oder? Der Gedanke gefällt mir, daß man auch nur eine oder zwei der Reihen lesen könnte bzw. es eben keine fortlaufende Endlosreihe ist. Gerade wenn man so lange an etwas schreibt, ist es ja auch durchaus möglich, daß der Schreibstil sich etwas verändert.

    Sehr schöne und informative Auflistung übrigens 🙂

  9. Genau so ist es. Ich würde zwar schon mit den Alanna-Büchern anfangen und wenn du unbedingt jegliche Spoiler vermeiden willst, die Reihenfolge der Erscheinung einhalten, aber eigentlich sind die Reihen nur lose verknüpft.

    Die "The Provost's Dog"-Reihe hat sogar gar keine Verbindung zu den anderen Titeln, abgesehen davon, dass die Hauptfigur eine Vorfahrin von einem Freund von Alanna ist.

    Dankeschön! 🙂

  10. Ich habe die Alanna-Reihe vor ca. 15 Jahren das erst Mal gelesen und sie sind immer noch meine Lieblingsbücher, also die kann eigentlich nichts toppen und ich lese viel, sehr viel…

  11. Ich hab den neuen Alanna-Band, der ja alle vier Bände umfasst, ja nun auch gelesen und mochte die Geschichte auch sehr. Ich wusste gar nicht, dass es noch so viel mehr Bücher der Autorin gibt. Vor allem welche, in denen bekannte Charaktere vorkommen. Huiiiiii! 🙂 🙂 🙂
    Ach und zwei der drei Mäner fand ich auch toll, hmm, sind wir uns da wohl einig?
    LG, Tine

  12. @Tine: Schön, dass dir die Alanna-Geschichten gefallen haben! 🙂 Es gibt sogar noch einige andere Romane der Autorin, aber die spielen dann nicht in Tordall. Aber erst einmal dürftest du ja noch einiges zu entdecken haben, wenn du denn mehr Lust auf weitere Geschichten hast. 🙂

    (Ich habe eine Schwäche für den Spitzbuben und eine für den Krieger. 😉 )

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