Schlagwort: Tamora Pierce

Tamora Pierce u.a.: Tortall – A Spy’s Guide

Ich weiß nicht, wie alt ich war, als ich das erste Mal einen Alanna-Roman von Tamora Pierce las, aber da der Auftaktband 1984 auf Deutsch erschienen ist, wird es Mitte der 80er gewesen sein. Ich weiß hingegen noch genau, wie entsetzt meine Eltern waren, als ich mir zu meinem 18. Geburtstag alle vier Alanna-Bände gewünscht habe und nichts „Vernünftiges“. Tamora Pierce‘ fantastisches Land Tortall begleitet mich also schon sehr viele Jahre, und ich liebe die unterschiedlichen Charaktere. Ich bin fasziniert davon, wie sich diese Welt im Laufe der Jahrzehnte verändert hat, und egal wie oft ich die Geschichten lese, ich entdecke immer wieder neue Aspekte (was vermutlich eher daran liegt, dass ich sie mit zunehmendem Alter anders bewerte, als daran, dass sie mir vorher nicht aufgefallen wären) und ich genieße die Geschehnisse ebenso wie beim ersten Entdecken der Handlung.

So ist es nicht überraschend, dass mir der Titel „Tortall – A Spy’s Guide“ mit seiner Ansammlung von Wissen über Tortall und die dort lebenden Figuren beim Lesen sehr viel Spaß gemacht hat. Zusammengestellt wurden die Texte von Tamora Pierce in Zusammenarbeit mit Timothy Liebe, Julie Holderman und Megan Messinger, während die wirklich schönen (und zum Teil farbigen) Illustrationen von Eva Widermann stammen. Das Buch ist sehr liebevoll aufgemacht mit Seiten, die ausschauen, als ob sie alt und gebraucht wären (inklusive Faltstellen und Flecken), mit unterschiedlichen Schriftfarben für verschiedene Texte und passenden Siegeln und Zeichnungen. Der Großteil des Textes besteht aus Briefen, die vor allem zwischen George Cooper und anderen Spionen (oder Familienmitgliedern) ausgetauscht wurden, aber auch aus Berichten, Ratschlägen, wie man ein guter Spion wird, einer ausführlichen Zeitleiste zur Geschichte des Landes und vielen anderen Elementen rund um Tortall und den Rest dieser großartigen fantastischen Welt.

Besonders schön fand ich es, wenn mehrere Briefe zusammen eine kleine Geschichte erzählten, die – mit dem Wissen aus den Romanen – eine ganz andere Sicht auf eine Ausgangssituation oder einen Charakter werfen. Ein besonderes Highlight waren für mich die Tagebuchauszüge des königlichen Kochs, der über längere Zeit hinweg seine Gedanken zu den zu veranstaltenden Festen inklusive der Rezeptideen, zu der Lebensmittelsituation im Land und zu seinen Angestellten festgehalten hat. Einige der Ereignisse kann ich mit Vorkommnissen aus den Romanen in Verbindung bringen, aber da für diesen Koch die Hintergründe zu einer Veranstaltung nicht so wichtig sind, konzentrieren sich seine Gedanken eben vor allem auf seine Arbeit und seine Planung – und das war wunderbar amüsant zu lesen. Ich glaube, dass man all diese Elemente auch genießen kann, wenn man die Tortall-Romane von Tamora Pierce nicht gelesen hat, aber natürlich macht es deutlich mehr Spaß, wenn man die erwähnten Figuren schon kennt und die verschiedenen Anspielungen Szenen zuordnen kann, die man in den früher veröffentlichten Büchern gelesen hat.

Es ist toll zu sehen, wie weit gefächert die Themen in diesem Buch sind. Von der Ausbildung und der Arbeit eines Spions über die persönlichen Tagebuchauszüge des Kochs bis hin zu Informationen zu den Unsterblichen und über das Verhalten als Diplomat hat „Tortall – A Spy’s Guide“ alles zu bieten. Dazu gibt es noch all die vielen kleinen persönlichen Anmerkungen in den Briefen und Berichten, die das Ganze in erster Linie amüsant, aber manchmal eben auch berührend oder traurig machen. Wer also wie ich eine Schwäche für die Tortall-Romane von Tamora Pierce hat, sollte unbedingt einen Blick in dieses Buch werfen. (Und wer die Geschichten von der Autorin noch nicht kennt, sollte ganz schnell schauen, dass er eine der vielen gebrauchten Ausgaben der deutschen Alanna-Veröffentlichungen in die Finger bekommt oder sich mal die englischsprachigen Titel anschauen – da die Bücher für Jugendliche geschrieben sind, sind sie auch für nicht ganz so geübte Englisch-Leser gut geeignet).

Tamora Pierce: Terrier (The Legend of Beka Cooper 1)

Ich fürchte, ich muss euch warnen, dass das hier ein längerer Beitrag wird. Ich habe nämlich nicht nur einige Gedanken zu diesem Buch, sondern auch das Bedürfnis die Geschichte in ein Verhältnis zu den anderen Titeln von Tamora Pierce zu setzen. 😉 Wie sehr ich die Alanna-Romane von der Autorin mag, kann man schon in meinem Figurenkabinett-Beitrag zu Alanna von Trebond sehen, und an meiner Begeisterung für die Serie hat sich in den letzten dreißig Jahren nichts geändert. Ich lese sie immer wieder gern, vergieße Tränen. lache und freue mich für Alanna und ihre Freunde. Aber ich muss auch zugeben, dass die Geschichten rund um Alanna relativ gradlinig und einfach konzipiert sind. Nicht nur, weil die Handlung für Jugendliche geschrieben wurde und Tamora Pierce die Abenteuer der jungen Frau erfunden hat, während sie sie einer Gruppe von Mädchen erzählte, sondern auch weil es nun mal das erste Werk der Autorin ist. Die folgenden Serie zeigen deutlich die Entwicklung der Autorin. Ihre Charaktere sind zwar – bei allem Realismus – immer recht klar entworfen (man wird als Leser selten darüber im Umklaren gelassen, wer „gut“ und wer „böse“ ist), aber ihre Welt wird komplexer, sozialkritischer und vielfältiger.

Spielt Alannas Geschichte noch zum Großteil am Hof von Corus, wo sie – trotz aller Herausforderungen – relativ behütet in ihrem kleinen „Hofkosmos“ aufwächst, so tauchen in der dritten Tortall-Serie (rund um Keladry of Mindelan) erstmals Dienstboten auf, bei denen die Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern ebenso spürbar ist, wie die Fragilität eines Lebens außerhalb der Adelskreise. Selbst Dhana (Protagonistin der zweiten Serie von Tamora Pierce), die aus kleinen Verhältnissen kommt und in der Vergangenheit unschöne Erlebnisse hatte, wird ab dem Moment, ab dem sie zur Angestellten des königlichen Hofs wird und ihre besondere Gabe entdeckt wird, von ihrer Arbeitgeberin und ihren Freunden behütet. So erlebt man als Leser zwar mit, wie sie Kämpfe ausfechten muss und mit ihrer Magie umzugehen lernen muss, aber sie ist die ganze Zeit über finanziell abgesichert und hat einflussreiche Persönlichkeiten, die hinter ihr stehen.

Erst bei den Emelan-Geschichten beweist Tamora Pierce, dass eine ihrer Welten vielschichtiger sein kann. Dort treffen vier Kinder mit besonderen Fähigkeiten aufeinander – und bei aller Freundschaft macht sich ihre unterschiedliche Herkunft (eine Adelige, eine Kaufmannstochter, eine Angehörige eines anderen Volkes und ein Dieb) immer wieder bemerkbar. Auch reisen die vier in den späteren Büchern mit ihren Ausbilderinnen umher und treffen auf die verschiedensten Gesellschaftsschichten. Diese Entwicklung macht die Emelan-Geschichten für mich ebenfalls zu etwas Besonderem, auch wenn viele Leser die anscheinend nicht ganz so sehr mögen wie die Tortall-Romane. Was mich jetzt endlich zu dem ersten Band rund um Beka Cooper bringt. Für diejenigen, die die Alanna-Bücher kennen: Beka ist George Coopers Vorfahrin, aber das ist auch schon die einzige direkte Verbindung zu den älteren Tortall-Geschichten.

Beka lebt dreihundert Jahre vor Alannas Geschichte in Corus, genauer gesagt wächst sie im Armenviertel der Hauptstadt auf. Zwei einleitende Berichte erzählen auf der einen Seite davon, wie ihre Mutter entdeckt, dass Beka eine (eher geringe magische) Begabung hat, auf der anderen Seite wie das damals achtjährige Mädchen einen der Wächter (Dog) mit Informationen versorgt, die es ihm ermöglichen eine berüchtigte Bande zu stellen. Dieser Tag stellt für Beka und ihre Familie einen Wendepunkt da, denn von diesem Zeitpunkt an gehören sie zu dem Haushalt des Lord of Provost, der für die Wächter verantwortlich ist und dessen Position das Mädchen mit ihren Informationen gerettet hat. Ein paar Jahre später beginnt Beka ihre Ausbildung (als Puppy) bei den Wächtern, wild entschlossen einer der besten Hunde zu werden, die je in Corus Dienst getan haben.

Bekas Geschichte wird von diesem Tag an detailliert von ihr erzählt, denn ihr Ausbilder hat ihr und ihren Kameraden aufgetragen ein Berichtsheft zu führen, um ihre Beobachtungsgabe zu schulen. So bekommt man viele Details von ihrem Alltag mit, aber auch ihre Sicht auf ihre Arbeit, auf das Leben in den Armenvierteln der Stadt – und auf die Kompromisse, die die überarbeiteten und unterbezahlten Wächter jeden Tag eingehen müssen. Sklaverei ist ein – relativ – normales Geschäft, was bedeutet, dass Kinderfänger ein relativ alltäglicher Anblick in den Armenvierteln sind, die Wächter bekommen wöchentliche „Happy Bags“ von den Händlern (und der Diebesgilde) und oft genug wird ein kleiner Verbrecher nur ermahnt, weil eine Verhaftung mehr Zeit und Aufwand bedeuten würde, als die Wächter dafür aufbringen können.

Während ihrer Ausbildung sieht Beka in den Armenvierteln wenig Neues, sie kennt das Leben in diesen Straßen, sie hat selber erlebt, wie ihre Spielgefährten von ihren Eltern verkauft wurden, damit mit dem Geld die anderen Kinder durchgefüttert werden konnten, und sie weiß um die Macht, die der Schurke (der König der Diebe) in Corus hat – oder besser gesagt hatte, denn der aktuelle Schurke ist alt und nachlässig geworden. Aber nun hat sie zum ersten Mal die Gelegenheit aktiv gegen all die Verbrechen, die Tag für Tag in den Straßen von Corus passieren, vorzugehen – und muss dabei entdecken, dass es manchmal ein schwieriger Balanceakt ist, denn nun scheint keine Seite sie mehr als dazugehörig zu empfinden.

Ich mag es, wie Tamora Pierce das Leben in den Armenvierteln beschreibt. Es ist ein schwieriges Leben, voller Armut und Krankheit und Bedrohungen, aber sie zeigt auch die „Tagseite“ dieser Viertel, die Frauen, die an den Brunnen Wasser holen, die Handwerker, die den Tag über in ihren Werkstätten arbeiten, die Händler, die für jeden Geldbeutel Ware anzubieten haben, und die Kinder, die den Tag über den Straßen spielen, bis ihre Eltern von der Arbeit nach Hause kommen. Genauso gibt es auch bei den Dogs Licht und Schatten. Einige sind voller Pflichtgefühl, wollen etwas Gutes bewirken und sich auch nach all den Jahren noch nicht abgestumpft, andere lassen sich bestechen, trinken im Dienst oder sind einfach nur unfähig. Natürlich geht es Beka relativ gut. Sie hat Arbeit, sie hat Ausbilder, die ihren Job beherrschen und sie hat Freunde, denen sie vertrauen kann und die sie unterstützen, trotzdem gibt es immer wieder kleine Momente, die zeigen, dass sie keinen einfachen Weg gewählt hat.

Dazu kommen noch die beiden großen Fälle, die sich durch den ganzen Roman ziehen. Auf der einen Seite wurden mehrere Personen ermordet – wovon Beka aufgrund ihrer Magie erfährt -, aber die Wächter können die Leichen nicht finden, was die Ermittlungen deutlich erschwert. Auf der anderen Seite scheint eine unheimliche Gestalt ihr Unwesen in den Armenvierteln zu treiben und Kinder zu stehlen. Dabei werden die Kinder nicht an die Sklavenhändler verhökert, sondern die Eltern werden um ihre wenigen wertvollen Besitztümer wie Erbstücke oder Zauberbücher gebracht. Wenn sie nicht auf die Erpressung eingehen, stirbt das Kind –  und im schlimmsten Fall wird ein weiteres Kind der Familie entführt. Diese Entführungen nimmt Beka persönlich. Nicht nur wurde der kleine Sohn ihrer Freundin Tansy entführt und getötet, auch hat sie das Gefühl, dass es jederzeit auch sie oder ihrer jüngeren Geschwister hätte treffen können. Die Tatsache, dass ein Erpresser sich auf die ärmsten und hilflosesten Bürger der Stadt stürzt macht Beka wütend und sorgt dafür, dass sie in ihrer Freizeit weiter Spuren verfolgt.

Ich mag es, wie Tamora Pierce hier zeigt wie unterschiedlich Menschen auf Unglücksfälle und Erpressungen reagieren. Wie manche Personen die Situation ausnutzen und andere daran zerbrechen – und so sehr ich die Alanna-Bücher mag, so bin ich doch froh, dass sich die Autorin weiterentwickelt hat und nun vielschichtigere Charaktere und Geschichten schreibt. Trotz aller Grauschattierungen gibt es immer noch genügend Momente, die einen zum Lachen bringen oder in denen gezeigt wird, wie wichtig die Freundschaft zwischen Beka und ihren Kollegen und Mitbewohnern ist. Auch wenn einem genau diese Szenen kurz darauf dann die Tränen in die Augen treiben. Letztendlich ist Corus immer noch die Stadt, die der Leser in den ersten Geschichten von Tamora Pierce kennengelernt hat, aber dieses Mal sieht man so viel mehr Menschen und Leben auf den Straßen …

Oh, und noch ein kleiner Hinweis für Alanna-Fans: In gewisser Weise gibt es sogar ein Wiedersehen mit Immertreu. 🙂

Tamora Pierce: Tordall and Other Lands

Lange hat es gedauert, aber ich habe es in diesem Monat doch noch geschafft ein englisches Buch zu lesen. (Dank der heutigen Hitze das erste beendete Buch im Juni … *seufz*) „Tordall and Other Lands“ ist eine Kurzgeschichtensammlung von Tamora Pierce, in der – wie ich inzwischen festgestellt haben – Geschichten veröffentlicht wurden, die vorher in anderen Anthologien erschienen waren. So kannte ich die erste Geschichten „Student of Ostriches“ schon aus „Young Warriors“, das ich im September gelesen hatte. Zum Glück gefällt mir die Geschichte von dem Mädchen, das durch die Beobachtung ihrer heimischen Tierwelt kämpfen lernt, so gut, dass sie auch beim zweiten Mal wieder viel Spaß gemacht hat.

Insgesamt beinhaltet diese Anthologie elf Geschichten, die alle mehr oder weniger mit den Tordall-Romanen von Tamora Pierce zu tun haben.. So erkennt man bei „Student of Ostriches“ nur anhand des am Ende vorkommenden Shang-Kriegers, dass die Handlung in der gleichen Welt angesiedelt ist wie die Geschichten von Alanna, Dhana, Keladry und Alianne. „Elder Brother“ und „The Hidden Girl“ haben ihren Ursprung in einem Vorfall, der mit einem der Dhana-Romane in Verbindung steht und zeigen sehr schön, wie es einem Baum ergeht, der aufgrund der magischen Gesetzmäßigkeiten in einen Mann verwandelt wurde.

„Nawat“ hingegen erzählt die Geschichte von Alianne und dem Mann, der eigentlich eine Krähe ist, weiter, und zeigt, wie schwierig es sein kann, wenn man bei einer so unterschiedlichen Herkunft einen gemeinsamen Weg gehen will. Sehr gut gefällt es mir wie die Autorin dabei versucht aus Krähensicht das menschliche Leben zu beurteilen. 😉 Dhanas Drachenmädchen „Kätzchen“ (Kitty) ist die Hauptfigur in „A Dragon’s Tale“ und während es auf der einen Seite frustriert ist, weil es trotz aller Intelligenz nicht mit den Wesen um sich herum kommunizieren kann, beweist „Kätzchen“ am Ende dann doch wieder, dass sie eigentlich noch ein Baby ist.

In „Lost“ spielt ein Darkling, der sich mit einem mathematisch begabten Mädchen anfreundet, eine wichtige Rolle. Überhaupt sind die Darklinge in einigen der Geschichten sehr präsent – und ich mag die kleinen Kreaturen wirklich gern. „Time of Proving“ (spielt auf sehr amüsante Art mit den Werten und Gesetzen zweier sehr unterschiedlichen Gesellschaften), „Plain Magic“ (eine wundervolle schlichte Variante des Jungfrau-wird-Drachen-geopfert-Themas) und „Mimic“ könnten in irgendeiner beliebigen fantastischen Welt spielen, machen aber alle drei wirklich Spaß.

Die letzten beiden Geschichten „Huntress“ und „Testing“ spielen hingegen in unserer Welt und während bei „Huntress“ eine schöne Mischung aus altem Glauben und … hm … „Oberschicht-High-School-Geschichte“ entstanden ist, erzählt „Testing eher von dem Leben und der Perspektive eines jungen Mädchen, das in einem Wohngruppe für Mädchen lebt, in der die Hausmütter vor einige Herausforderungen gestellt werden – ich gestehe, dass ich mich da gefragt habe, was davon Tamora Pierce als Hausmutter wirklich erlebt hat und welche Teile ihrer Fantasie entsprungen sind.

Es gibt ein paar Dinge, die all diese Kurzgeschichten gemeinsam haben: Sie alle sind spannend, berührend und amüsant zu lesen und ich habe sie wirklich genossen. Auf der anderen Seite ist mir die „Moral“ bei Tamora Pierce Kurzgeschichten manchmal etwas zu plakativ angewandt. Was bei ihren Romanen zwar auch immer deutlich zu spüren ist, aber sonst eher mit der Geschichte mitläuft, ist hier zum Teil zu sehr im Vordergrund. Und bei allem Vergnügen hätte ich gern den einen oder anderen Fingerzeig gestrichen, da ich schon beim ersten Mal kapiert hatte, worauf die Autorin hinaus wollte. Trotzdem finde ich jede einzelne Geschichte wirklich lesenswert und es war spannend auch mal etwas „moderneres“ von diese Autorin zu lesen.

Tamora Pierce und Josepha Sherman: Young Warriors – Stories of Strength

In diesem Monat habe ich für die English-Challenge „Young Warriors – Stories of Strength“ gelesen. Diese Anthologie wurde von Tamora Pierce und Josepha Sherman herausgegeben und beinhaltet fünfzehn sehr unterschiedliche Kurzgeschichten, in denen „junge Krieger“ eine Rolle spielen. Ich muss zugeben, dass das Buch schon ziemlich lange auf meinem SuB sitzt, da ich nie so recht Lust hatte, mich auf die Geschichten einzulassen.

Dabei gehören zu den beitragenden Autoren so einige, die ich wirklich gerne lese und die mich zum Teil schon seit meiner Teenagerzeit begleiten. Besonders Tamora Pierce und Margaret Mahy mag ich sehr, aber auch Esther Friesner und Mike Resnick – deren Humor mich immer wieder erfreut – gehören zu diesen Autoren. Ein wenig überrascht war ich von der Vielfalt der Themen, weil ich ehrlich gesagt in erster Linie Fantasy-Geschichten erwartet hatte. Stattdessen habe ich Abenteuer im Amazonasgebiet erlebt, bin über eine Art afrikanische Steppe gelaufen und habe mich gemeinsam mit einem Maori gegen ein sagenhaftes Ungeheuer gestellt.

Hier und da habe ich auch „klassische“ Fantasy-Abenteuer erlebt, aber vor allem hielt diese Anthologie die verschiedensten Formen von „Warriors“ für mich bereit: klassische Krieger, die sich im Krieg gegen ein römisches Heer behaupten müssen ebenso wie junge Stammesangehörige, die jahrelang trainieren, um ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen und sich im Kampf bewähren zu können. Aber es gab auch die unauffälligen Krieger, bei denen sich das „Erwachsenwerden“ nicht durch ihre Waffenfähigkeiten, sondern durch die Entscheidungen, die sie (oft unbemerkt von der Gemeinschaft) fällen, bemerkbar macht.

Ich finde es schon sehr reizvoll, wie vielfältig die Auswahl an Kurzgeschichten in dieser Anthologie ist und wie unterschiedlich die verschiedenen Autoren das Thema angegangen sind. Auf der anderen Seite hat es mir diese Vielfalt oft schwer gemacht, weiterzulesen. „Young Warriors“ war für mich kein Buch, dass ich in einem Zug durchlesen konnte – wie ich es auch schon mal bei Kurzgeschichtensammlungen mache, bei denen    sich die einzelnen Geschichten deutlich ähnlicher sind. Jede Geschichte erforderte, dass ich mich auf einen vollkommen anderen Erzählstil, eine andere Zeit, einen anderen Hintergrund einlassen musste, und das fiel mir nicht immer leicht.

Auch die schwankende Qualität der Geschichten hat mich nicht so begeistert. Die einzelnen Handlungen waren zwar in der Regel in sich stimmig, aber manche Schreibstile liegen mir eben doch mehr als andere. Dabei kann ich gar nicht sagen, dass bestimmte Geschichten schlecht waren, sie haben nur häufig meinen momentanen Geschmack nicht getroffen. Auf der anderen Seite war es in den letzten Wochen auch fast unmöglich für mich, ein Buch zu finden, das ich einfach genießen konnte …

Von der Sprache her fand ich die Geschichten gut verständlich, nur hier und da gab es (gerade bei den eher historischen Geschichten) Ausdrücke oder Formulierungen, die ich zwar vom Inhalt, aber nicht vom genauen Wortlaut erfassen konnte. Ansonsten macht es sich – meinem Gefühl nach – bemerkbar, dass sich die Anthologie vor allem an Teenager richtet, was der Verständlichkeit ja in der Regel zuträglich ist.

[Figurenkabinett] Alanna von Trebond

Alanna von Trebond begleitet mich schon seit sehr vielen Jahren, genauer gesagt, seitdem die kleine Stadtbibliothek, die mich als Teenager mit Büchern versorgt hat, im Jahr 1985 das Buch „Die schwarze Stadt“ angeschafft hat. Sehr schnell ist mir Alanna ans Herz gewachsen, während ihr Zwillingsbruder mir etwas zu jämmerlich war – doch zum Glück spielt Thom in dieser Geschichte nur eine kleine Rolle. Alanna ist eine junge Adelige, die unter ungewöhnlichen Umständen aufgewachsen ist. Ihre Mutter verstarb bei der Geburt der Zwillinge, ihr Vater hat sich so gut wie nie um seine beiden Kinder gekümmert und sich lieber in seine Studien vertieft, während Alanna und Thom von einer Heilerin und einem Soldaten im Dienst von Alannas Vater aufgezogen wurden.

Zum Beginn von „Die schwarze Stadt“ sind die Zwillinge gerade alt genug, um von Zuhause weggeschickt zu werden. So soll Thom in die Hauptstadt Chorus reisen und am Hof des Königs seinen Dienst als Page antreten, während Alanna in ein Kloster geschickt werden soll, wo sie alle Fertigkeiten einer adeligen Dame erlernen soll. Doch während Thom eher an Schulwissen und Zauberei interessiert ist, ist Alanna diejenige, die gut bei der Jagd, beim Fährtenlesen und beim Kampf ist, und diejenige, deren größter Wunsch es ist, Ritter zu werden. So tauscht sie mit ihrem Bruder die Rolle, und während Thom ins Kloster geht, um dort als Zauberer ausgebildet zu werden, verkleidet sich Alanna und tritt als Alan den Pagendienst im Schloss an.

Alanna weiß genau, dass sie nun gezwungen ist, für viele Jahre als Junge zu leben – und wenn sie es jemals zum Ritter schaffen sollte, dann steht immer noch die Frage im Raum, wie sie dann die Öffentlichkeit (und ihren König!) über ihr wahres Geschlecht aufklären soll. Mir persönlich hat es immer gefallen, dass es Alanna nicht leicht gefallen ist, diesen Weg zu gehen und ihre Umgebung anzulügen. Auf der anderen Seite ist ihr Traum so groß, dass sie eben fast alles dafür tun würde, um ihn zu erfüllen. Dabei hilft ihr auch ihre Dickköpfigkeit, die sie immer wieder durch schwierige Situationen bringt.

Alanna ist nämlich nicht nur kleiner als die meisten ihrer Pagenkollegen, sondern sie hat auch ein paar Schwachpunkte als Kriegerin. So liegt ihr der Schwertkampf lange Zeit überhaupt nicht, bis sie sich selbst jeden Tag Extrastunden auferlegt. Dieses Training ist ihr so wichtig, dass sie sogar anfängt, mit links den Schwertkampf zu üben, als sie sich einmal den rechten Arm gebrochen hat. Während ihr ihre Dickköpfigkeit über so manches Problem hinweghilft, bringen ihre Spontaneität, ihr Jähzorn und ihr Gerechtigkeitssinn sie immer wieder in Schwierigkeiten.

Alanna von Trebond begleitet mich inzwischen schon seit über 25 Jahren, zu meinem 18. Geburtstag habe ich mir die vier Bücher rund um das rothaarige, dickköpfige und doch so sympathische Mädchen schenken lassen, und als ich vor vielen Jahren meinen Mann kennenlernte, haben wir uns gegenseitig diese Romane vorgelesen – und ihm haben sie anscheinend ebenso gut gefallen wie mir. Ich freue mich heute noch bei jedem Wiederlesen über die amüsanten, nachdenklichen und bewegenden Momente. Ich vergieße Tränen, wenn Alannas Begleitern etwas zustößt, ich leide mit ihr, wenn sie ihre Freunde wegen ihres Geschlechts belügen muss, und irgendwie könnte man sogar behaupten, dass ich zumindest in zwei der drei Männer verliebt bin, die in Alannas Liebesleben einer Rolle spielen.

In ihren späteren Jugendfantasytiteln hat die Autorin Tamora Pierce ihre Welt Tortall deutlich komplexer ausgebaut und auch die Emelan-(Circle)-Geschichten haben einen vielschichtigeren Hintergrund als diese vier Romane rund um Alanna von Trebond. Aber in all ihren Geschichten finden sich wunderbar realistische und sympathische Charaktere, sogar wenn diese Figuren zum Teil übernatürliche Fähigkeiten haben, die schon fast göttlich zu nennen sind. Alanna, ihre Freunde, ihre Feinde und das fantastische Land Tortall sind mir schon vor langer Zeit ans Herz gewachsen und in regelmäßigen Abständen greife ich wieder zu den Büchern und versinke in den Abenteuern, die Alanna auf ihrem Weg zur Ritterwürde bestehen muss.

Leider sind nur wenige Romane von Tamora Pierce ins Deutsche übersetzt worden, aber als Jugendfantasy sind die Geschichten auf Englisch wirklich gut zu lesen.

Tortall-Geschichten von Tamora Pierce:

Alanna – The Song of the Lioness Quartet:

  1. Die schwarze Stadt (1985) – Alanna: The First Adventure (1983)
  2. Im Bann der Göttin (1986) – In the Hand of the Goddess (1984)
  3. Das zerbrochene Schwert (1987) – The Woman Who Rides Like a Man (1986)
  4. Das Juwel der Macht (1988) – Lioness Rampant (1988)

Dhana – The Immortals Quartet:

  1. Kampf um Tortall (1992) – Wild Magic (1992)
  2. Im Tal des Langen Sees (1993) – Wolf Speaker (1993)
  3. Der Kaiserliche Magier (1995) – The Emperor Mage (1994)
  4. Im Reich der Götter (1996) – The Realms of the Gods (1995)

(Spielt einige Jahre nach den Alanna-Romanen und bringt deutlich mehr Magie in die Welt von Tortall. Viele Figuren, die aus den Alanna-Geschichten bekannt sind, tauchen hier wieder auf.)

Protector of the Small:

  1. First Test (1999)
  2. Page (2000)
  3. Squire (2001)
  4. Lady Knight (2002)

(Nach Alanna ist Keladry of Mindelan das zweite Mädchen, das die Pagenausbildung antritt. Sie muss ihr Geschlecht nicht verbergen, hat dafür mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als Alanna. Ihr Tortall ist deutlich politischer als das von Alanna und in diesen Büchern verwendet die Autorin einige sozialkritische Elemente.)

Aly – The Daughter of the Lioness:

  1. Trickster’s Choice (2003)
  2. Trickster’s Queen (2004)

(In diesen Büchern ist Alannas Tochter die Hauptfigur – und ich muss zugeben, dass ich diese beiden Bände nicht ganz so gut finde wie die anderen Romane der Autorin.)

The Provost’s Dog:

  1. Terrier (2006)
  2. Bloodhound (2009)
  3. Mastiff (2011)

(Auf den dritten Band freue ich mich schon, mit etwas Glück zieht er dieses Jahr noch bei mir ein. Bei diesen Büchern habe ich das Gefühl, dass Tamora Pierce nicht nur versucht, eine frühere Zeit in Tortall zu beschreiben, sondern diese Welt auch mit Elementen ihrer Emelan-Reihe mischt. Auf jeden Fall finde ich diese Geschichten rund um Beka Cooper, die als Mitglied der Wache quasi als Polizistin fungiert, spannend und unterhaltsam zu lesen.)