[Graphic Novel] Jane Austen (und Nancy Butler): Sense and Sensibility

Nach „Pride and Prejudice“ hat sich Nancy Butler für die Reihe „Marvel Classics“ auch Jane Austens Roman „Sense and Sensibility“ angenommen und die Geschichte für eine Comicumsetzung bearbeitet. Dabei wurde für diesen Band nicht wieder Hugo Petrus engagiert, dessen Charaktere in „Pride and Prejudice“ (trotz des im Vorwort angekündigten Authentizität-Anspruchs von Zeichner und Autorin) eher an amerikanische Superhelden-Comics erinnerten und weniger zu einer Jane-Austen-Handlung passten. Stattdessen kommt bei „Sense und Sensibility“ Sonny Liew zum Einsatz, dessen Darstellungen deutlich reduzierter und weniger „realistisch“ sind als die von Hugo Petrus.

Ich muss gestehen, dass der Zeichenstil mir in diesem Band wesentlich besser gefällt, da es Sonny Liew meiner Ansicht nach schon auf den ersten Seiten gelingt, die typischen Charaktermerkmale auszuarbeiten. Allein schon der Anblick von Fanny Dashwood (Schwägerin von Elinor, Marianne und Margaret) bringt mich zum Schmunzeln. Ihre spitze Nase ist schon beim Einzug in das Haus hochnäsig erhoben, ihr Kinn wird auf den nächsten Panels so überdeutlich dargestellt, dass man den verkniffenen und missbilligenden Zug um den Mund gar nicht übersehen kann. Gerade mal zwei Blicke benötigt es und schon ist man über ihre Person im Bilde!

Die Dashwoods müssen ihr Heim verlassen …

Ihr Mann John wird hingegen angemessen nachgiebig und weich gezeichnet, Marianne sticht mit ihrem lebhaften Gesicht und den recht großen Gesten heraus, ihre Mutter wirkt eher zerbrechlich und kummervoll (aber immer bereit, auf die emotionalen Ausbrüche ihrer Tochter einzugehen), während Elinor wunderbar zurückhaltend und mit dementsprechend feinen Bewegungen dargestellt wird. Gewöhnungsbedürftig könnten für einige Leser die etwas überspitzten Darstellungen sein, die der Zeichner verwendet, wenn es darum geht, eine Entwicklung oder rasantere bzw. amüsantere Ereignisse zusammenzufassen, mir persönlich erschien diese Präsentation sehr passend zum Gesamtwerk. Der einzige Kritikpunkt wäre vielleicht, dass die Figuren – vor allem Elinor und ihr Edward – manchmal wesentlich älter wirken, als sie sind.

London: Sorgen um Marianne

Da in dieser Graphic Novel – aufgrund des Umfangs von gerade mal 120 Seiten – die Geschichte nur sehr gekürzt wiedergegeben werden kann, sind wieder deutliche Einschnitte in der Handlung zu spüren. Aber hier finde ich, dass Nancy Butler diese Kürzungen recht geschickt vorgenommen hat. Die von ihr ausgewählten Szenen setzen die Charaktere ins rechte Licht, geben einen guten Überblick über die jeweiligen Probleme der Figuren und die Gesamtstimmung des Romans bleibt auf jeden Fall erhalten. Die Autorin bemüht sich aufzuzeigen, wie schwer das Leben für die Dashwood-Schwestern und ihre Mutter nach dem Tod des Vaters ist und wie viel Haltung es erfordert, mit dem lieblosen Benehmen des Bruders umzugehen. Und dann gibt es natürlich noch die verschiedenen Indiskretionen von Mrs. Jennings und das Gefühlwirrwarr zwischen Elinor und Edward und Marianne und Willoughby. Da in „Sense und Sensibility“ viele Entwicklungen in Briefen erzählt werden, musste Nancy Butler für die Graphic Novel eine neue Erzählweise finden, was sie aber in meinen Augen gut gelöst hat. Somit ist für mich „Sense and Sensibility“ sowohl inhaltlich gelungen als auch optisch ansprechend, wenngleich ich zugeben muss, dass der Zeichenstil für einige Betrachter wohl etwas gewöhnungsbedürftig ist.

8 Kommentare

  1. Vermutlich gehöre ich zu den Lesern, für die der Stil etwas gewöhnungsbedürftig – in Bezug auf Austen-Romane – ist, wenn ich mir so die eingestellten Fotos anschaue 😉 ABER Du hast mich wieder neugierig gemacht 🙂 Wenn es möglich ist, würde ich gern irgendwann in die beiden Comics genauer hineinlesen.

  2. Es hat stellenweise schon etwas karikaturhaftes, aber man gewöhnt sich schnell daran und dann springen die Details schön ins Auge. 🙂 Und das Reinlesen bekommen wir schon hin. 🙂

  3. anlisunendlichegeschichte

    Oh, das sieht viel besser aus als bei P&P! Der Stil gefällt mir, also werd ich mir diesen Comic wohl gönnen! 😀 Danke für den Einblick!

  4. Ich finde die Vorstellung spannend, die Jane Austen Bücher als Comics zu lesen. Und hier klingt es ja tatsächlich so, als wäre die Umsetzung sehr gelungen 🙂 Schön. Muss ich mir merken.
    Danke auch für das Zeigen neuer Welten (oh je, was wohl passiert, wenn ich in die Welt der Graphic Novels einsteige 😉 )

  5. @Anna-Lisa: Ich fand den Stil auch gefälliger als bei P&P – ich hoffe, dir gefällt der Comic dann ebenso wie mir. 🙂 Bei S&S wurden einfach die Möglichkeiten eines Comics mehr genutzt, hier und da sieht man eine Gedankenblase, ein paar Momente wurden etwas überzogener dargestellt und bei anderen sagt die Gestik so viel über die Stimmung einer Person aus – das alles hatte bei P&P einfach gefehlt!

    @Sayuri: Ich glaube, du bekommst irgendwann mal die beiden Jane-Austen-Graphic-Novels und "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" vor die Nase gehalten … und dann kannst du anfangen neue Welten zu erkunden. 😀

  6. Sieht wirklich nett aus und klingt gut! Ich bin aber jetzt erst mal gespannt auf die Umsetzung von "Pride und Prejudice", das mit Anna-Lisa bald vorbeibringt! *lach*

  7. Irina, dann bin ich gespannt, wie dir die Comic-Umsetzung gefällt – und ob du danach noch einen Blick in "Sense and Sensibility" wagen wirst. 😀

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