Ich weiß, dass es mehrere Leser meines Blogs gibt, die „Emma“ von Jane Austen sehr mögen. Bei mir hingegen hat Jane Austen ihr Ziel erreicht, eine Figur zu schaffen, die nur die Autorin mögen kann. Dabei kann ich die Erzählweise, die Grundidee und viele kleine Szenen und Dialoge wirklich würdigen, ich habe aber ein so großes Problem mit der Protagonistin, dass ich mich jedes Mal wieder zwingen muss, die Geschichte überhaupt anzufangen – und mich bis zu einem Punkt durchzuarbeiten, an dem ich Emma erträglich finde.
Vielleicht weil Emma in dieser Geschichte so sehr im Mittelpunkt steht und deshalb in meiner Wahrnehmung die vernünftigeren Figuren so wenig präsent sind und mir keine ausreichende Ruhepause vor Emma bieten können. Da hilft es auch nicht, dass ich weiß, dass sie sich weiterentwickelt und einsichtiger wird. Trotzdem habe ich, als mir vor ein paar Wochen bewusst wurde, dass ich gerade riesige Entscheidungsprobleme habe und mich nicht auf ein neues Hörbuch festlegen konnte, zu „Emma“ gegriffen, in der Hoffnung, dass Eva Mattes Vortrag mir über die für mich schwierigen Teile der Geschichte hinweghelfen kann.
Eva Mattes hat ihre Arbeit wie gewohnt gut gemacht. Sie hat die verschiedenen Charaktere wunderbar gelesen und es war ein Vergnügen ihr zuzuhören – trotzdem habe ich Wochen für das Hörbuch benötigt und zwischendurch lieber ohne Unterhaltung etwas gemacht als weiterzuhören. Dabei kann ich es gar nicht mal Emma zum Vorwurf machen, dass sie so von sich überzeugt ist. Ihr Vater, ihre Gouvernante und ihre restliche Umgebung haben sie ihr Leben lang darin bestätigt, dass sie unfehlbar sei. Und als noch die – von ihr eigentlich nur flüchtig angedachte – Verbindung zwischen ihrer Gouvernante Miss Taylor und Mr. Weston zustande kommt, fühlt sie sich in dieser Überzeugung nur noch bestärkt. In den folgenden Monaten versucht Emma weitere Ehen zu stiften und es ist am Ende nicht ihr zu verdanken, dass es für alle Beteiligten gut ausgeht.
Erst ab dem Zeitpunkt, an dem Mrs. Elton und ihr „innerer Reichtum“ auftauchen, kann ich mich mit Emma aussöhnen. Im Vergleich mit dieser Figur wird sie geradezu sympathisch. Denn trotz ihres Selbstbewusstseins, ihres Standesdünkels und ihrer Überzeugung, dass es ihr Recht sei, anderer Menschen Leben zu beeinflussen, ist sie nicht boshaft. Sie ist sogar in der Lage sich selbst gegenüber – wenn sie ihr denn überhaupt bewusst werden – ihre Fehler einzugestehen und daraus (zumindest für kurze Zeit) zu lernen. Trotzdem fällt es mir schwer, ihr ihre Einmischungen zu verzeihen und die Probleme, die sie damit anderen Menschen bereitet. Dabei finde ich schon, dass Emma einige vernünftige Ansichten hat – nur ist sie nicht erwachsen und reif genug, um zu verstehen, dass sie den Personen in ihrer Umgebung keinen Gefallen mit ihren Einmischungen und Beeinflussungen tut.
Komischerweise ist „Emma“ auch der einzige Jane Austen Roman, bei dem sich im Laufe der Zeit meine Sicht auf die Figuren und die Geschichte nicht verändert. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich in meinem Leben schon genügend Menschen kennengelernt habe, die anderen keine eigenen Entscheidungen zugestehen wollten. Bei allen anderen Werken der Autorin finde ich bei jedem neuen Lesen andere Aspekte, die mich faszinieren, oder Personen, die mir dieses Mal näher stehen als beim vorherigen Lesen. „Emma“ hingegen ist jedes Mal wieder eine Herausforderung für mich und – wie ich inzwischen sagen kann – es ist egal, ob ich die Geschichte lese oder höre, es fällt mir schwer mich darauf einzulassen.