Ivan Bargna: Afrika – Kunst und Architektur

„Afrika – Kunst und Architektur“ von Ivan Bargna war eine Leihgabe von Natira, die mich mit ihrer Rezension auf den Titel neugierig gemacht hatte. In ihrer „Nachlese“ deutet Natira dezent etwas an, was mich an dem Vorwort zu diesem Buch sehr gestört hat: Der Autor unterstellt dem Leser (der sich immerhin genug für Afrika und Kunst interessiert, um zu diesem Band zu greifen) Vorurteile. Er geht davon aus, dass einem weder bewusst ist, dass Kunst in verschiedenen Kulturen unterschiedlich verstanden werden kann (*), und er bezweifelt sogar, dass man sich überhaupt bewusst ist, dass es nicht ein einziges großes afrikanisches Volk gibt, sondern sich die Bewohner der unterschiedlichen Regionen in ihrem Leben und ihrer Kultur deutlich voneinander unterscheiden können. Ich muss zugeben, dass mich Ivan Bargnas Haltung in diesem Vorwort wirklich geärgert hat.

Ansonsten fand ich viele in diesem Buch erwähnte Aspekte – vor allem zum Bereich Architektur – sehr interessant. Allerdings werden die Themen in den einzelnen Kapitel auf den gerade mal 72 Seiten (die auch noch großzügig mit Bildmaterial versehen sind), die dieser Band umfasst, sehr oberflächlich angerissen. Es wird weniger erklärt, als mir lieb gewesen wäre, und man bekommt nur einen groben Einblick in die verschiedenen Elemente „afrikanischer“ Kunst und Kultur. Lieber wäre es mir gewesen, wenn Ivan Bargna sich einzelne Volksgruppen vorgenommen und dem Leser auch etwas über ihr Leben, ihre Geschichte und ihren Glauben erklärt hätte und in diesem Zusammenhang dann auch auf die Kunst eingegangen wäre. So fand ich es zwar interessant zu lesen, dass manche Masken und Ansichten im Gegensatz zu anderen relativ weit verbreitet sind, konnte aber die Informationen in keinen Zusammenhang setzen, der mir wirklich etwas gebracht hätte.

Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn ich „Die Geschichte Afrikas“ von Christoph Marx inzwischen beendet hätte und die verschiedenen Völker regional und geschichtlich besser hätte einordnen können. (Wobei „Die Geschichte Afrikas“ mit so vielen Namen und Daten um sich wirft und Wissen so komprimiert vermittelt, dass ich bezweifle, dass ich mir selbst die wichtigsten Details langfristig merken kann.) Es gibt zwar eine Karte in der Mitte des Buches, auf der die verschiedenen Volksgruppen eingezeichnet sind, aber das hat mir noch keinen wirklichen Hintergrund vermittelt. So habe ich mich zum Beispiel gefragt, ob ein bestimmtes Volk ein landwirtschaftlich geprägtes Leben führte, ob es eher zu denjenigen gehört, die seit Jahrhunderten durch den Handel ihre Geld verdienen, oder ob sie vielleicht früher als Jäger unterwegs waren und deshalb die von ihnen verwendeten Masken bestimmte Formen aufweisen.

Spannend fand ich die Aussage, dass bei den meisten Gegenständen bewusst Materialien gewählt wurden, die vergänglich sind, und dass z. B. eine Maske nur eine begrenzte Zeitspanne eingesetzt wurde, bevor sie (entweder mit ihrem Besitzer oder in einem allgemeinem Maskengrab) beerdigt wurde. Und dass grundsätzlich die Architektur nicht nur aufgrund der Materialauswahl so gestaltet wurde, dass die Häuser jederzeit angepasst oder verlassen werden können (um z. B. bei dem Tod eines Königs einen neuen Ort unter dem Namen seines Nachfolgers aufzubauen), war mir auch neu.

Hier und da hatte ich aber das Gefühl, dass der Autor (und ja, es kann sein, dass ich da etwas sehr empfindlich reagiere) ausgesprochen gönnerhaft reagiert. So findet sich in dem Kapitel über aktuelle Kunst in Afrika folgender Satz: „So nehmen wir davon Abstand, den afrikanischen Künstlern (und erst recht den „Afrikanern“) ihr Leben und ihr Handeln vorschreiben zu wollen, treten eine Schritt zurück und lassen Raum für ihre Art sich auszudrücken“ (Seite 64) Es geht bei dieser Passage darum, dass sich die Kunst in Afrika durch weltweite Einflüsse stark verändert hat, dass die alten Religionen vergessen sind und deshalb auch ihre Ritualgegenstände heute nicht mehr „richtig“ angefertigt werden können, und darum, dass die traditionellen Elemente nicht erhalten werden. Ich persönlich finde das genau richtig und natürlich. Auch wenn es schade ist, dass so viel Wissen verloren geht, so hat doch niemand das Recht, einem Künstler vorzuschreiben, wie er seine Kunst ausüben soll, und meiner Meinung nach muss deshalb nicht bewusst davon Abstand genommen werden, Einfluss zu nehmen, sondern es sollte selbstverständlich sein.

Ich muss zugeben, dass ich es schade finde, dass ich mich immer wieder über solche Formulierungen und anderen Kleinigkeiten, die in diesem Buch vorkamen, ärgern musste. Das Thema an sich finde ich immer noch sehr interessant und hoffe, dass ich noch sehr viel mehr Sachbücher über Afrika in die Finger bekomme. Aber dann bitte mit einer besseren bzw. ausführlicheren Umsetzung des Themas als bei „Afrika – Kunst und Architektur“.

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(*) Viele Dinge, die von Europäer als „afrikanische“ Kunst wahrgenommen wurden, waren eigentlich Gebrauchsgegenstände oder dienten religiösen bzw. therapeutischen Zwecken. Wobei ich mich frage, wieso man Alltagsgegenstände nicht als Kunst ansehen darf. Schließlich werden Gebrauchsgegenstände häufig optisch ansprechend gestaltet, wobei man sich „künstlerischer Elemente“ bedient. Wieso fasst jemand, der darauf aufmerksam machen will, dass Europäer voller Vorurteile auf Kunst aus Afrika schauen, die Definition von Kunst so eng? Überhaupt ist mir bei dem Buch immer wieder aufgefallen, dass der Autor von bestimmten Sichtweisen bezüglich der Kunst ausgeht – vielleicht bin ich zu wenig mit der Kunstwelt vertraut, um das nachvollziehen zu können …

6 Kommentare

  1. Ich ahnte, dass bei 72 Seiten nicht mehr als eine kursorische Einführung möglich ist, was mir auch reichte; ich kann mich ja weiter – und mithilfe eines anderen Autors 😉 – informieren. Den oberlehrerhaften Ton habe ich auch in Erinnerung und ich weiß noch, dass mir die Inbezugnahme meine Person als Leser durch das ständige "Wir" nicht zusagte.

    Ich glaube nicht, dass Gombrich über afrikanische Kultur geschrieben hat, was schade ist, wenn ich an seine Kunstgeschichte denke.

  2. Mir ist auch bewusst, dass so ein dünnes Buch die Themen nur anreißen kann. Aber ich hatte das Gefühl, dass er so oft auf die vermeintlichen Vorurteile des Lesers eingeht und sich auch an fachlichen Stellen immer mal wieder wiederholt, während er den Platz eigentlich für eine kurze Vertiefung des Themas hätte nutzen können. Mir hätte an vielen Stellen ein kleiner Satz zu dem erwähnten Volk gereicht oder vielleicht ein Bild weniger auf einer Seite und dafür etwas mehr Zuordnung des vermittelten Wissens.

  3. BücherFähe

    Hm, das scheint ja eher ein gemischtes Leseerlebnis gewesen zu sein. Schade, dass der Autor da auf so „unangenehme Weise" aufgefallen ist. Ich glaube, es ist doch einfacher, wenn ein Autor in seinem Buch zurücktritt, also eher kaum bis gar nicht in Erscheinung tritt. Wobei es da wohl auch darauf ankommt, wie man den Autoren wahrnimmt, also positiv oder negativ. Wenn der Autor dann, wie anscheinend in deinem Fall, eher negativ auffällt, kann ich mir vorstellen, dass es teilweise schwierig ist, sich auf die interessanten Fakten zu fokussieren.

  4. @BücherFähe: Ich finde es immer unangenehm, wenn mir ein Autor eine Meinung unterstellt. Einfach ist es für mich, wenn Formulierungen verwendet werden, die vager sind wie "allgemein wird angenommen, dass …", dann fühle ich mich nicht so persönlich verurteilt. 😉

    Charlotte Lyne hat auch oft ihre eigene Meinung bei "Alles über Shakespeare" einfließen lassen, diese aber auch klar als solche gekennzeichnet. Das fand ich deutlich angenehmer zu lesen, weil mir so die Autorin die Möglichkeit gab, mich ihr anzuschließen oder ihre Meinung anzuzweifeln.

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