Johan Theorin: Inselgrab

Den vierten und leider letzten Öland-Band von Johan Theorin habe ich am vorletzten Samstag recht konzentriert durchgelesen, weil mir der Roman so gut gefallen hatte. Bei „Inselgrab“ hatte ich das Gefühl, dass der Schwerpunkt mehr auf Gerlof Davidsson lag als bei den anderen Romanen, aber das kann auch täuschen, weil ich diese Passagen recht intensiv wahrgenommen habe. Die Geschichte spielt während des Sommers auf Öland und so gelingt es Johan Theorin einen schönen Kontrast zwischen den beiden Handlungssträngen zu schaffen. Denn auf der einen Seite liest man vom Inselleben im Sommer, während die Touristen sich auf Öland ausbreiten, das Mittsommerfest gefeiert wird und die Insel voller Heiterkeit, Trunkenheit und Partyleben vibriert und auf der anderen Seite gibt es noch den Erzählstrang rund um Aron, der als Junge mit seinem Stiefvater Sven die Insel verlässt.

Sven hat Aron schon lange von dem „Neuen Land“ erzählt, in dem es ihnen besser gehen würde als auf der Insel, die kaum Arbeit für all die Bewohner bietet und wo Großgrundbesitzer das Sagen haben, während ihre Angestellten unter der Willkür der Reichen zu leiden haben. Doch auch das „Neue Land“ hat seine Schattenseiten, die die Neuankömmlinge viel zu schnell kennenlernen. Während Sven im Laufe der Zeit alle Hoffnung aufgibt. lernt Aron zu töten, zu täuschen und zu foltern, um in der neuen Heimat zu überleben.

Bindeglied zwischen den beiden Erzählsträngen ist die Familie Kloss, die inzwischen auf der Insel eine Ferienanlage betreibt und sich darauf vorbereitete in den wenigen Sommerwochen das große Geld zu verdiene. Doch statt sich auf ihr Geschäft zu  konzentrieren, kommt es immer wieder zu erschreckenden Vorfällen. Besonders schlimm sind diese Ereignisse für den jungen Jonas Kloss, der in seiner Familie keine Unterstützung findet und sich deshalb an Gerlof wendet, um mit all den Geschehnissen fertig zu werden.

Mehr möchte ich über den Inhalt gar nicht verraten, denn wie immer erzählt Johan Theorin die Geschichte zwar sehr ruhig, so dass vor allem die Atmosphäre zu zählen scheint, aber es verstecken sich eben auch viele kleine Hinweise in diesen scheinbar belanglosen Szenen. Besonders mit einer Enthüllung in der Mitte des Buches hat er mich dieses Mal erwischt, weil diese Entdeckung alles bislang beschriebene auf den Kopf stellt – doch, sehr schön gemacht. Trotzdem ist „Inselgrab“ kein Kriminalroman, der davon lebt, dass der Leser mitermittelt, in erster Linie packen mich immer die Atmosphäre, die Beschreibungen der Insel und Figuren wie Gerlof, der mir im Laufe der Zeit wirklich ans Herz gewachsen ist.

Abgesehen von der Anfangsszene, bei der es Klopfgeräusche aus einem frischvergrabenen Sarg zu hören gibt, gibt es eigentlich kaum „übernatürlich“ wirkende Szenen in diesem Roman, aber auch das ist passend, denn der Sommer auf Öland ist so kurz, dass man sich darauf konzentriert das Leben zu genießen – erst im Herbst kommt dann wieder die Zeit für Geistergeschichten. 😉 Dafür gibt es wieder viele Erinnerungen von Gerlof an frühere Zeiten, doch statt sich darüber zu grämen, wie sehr sich die Insel verändert hat, versucht er sich mit all den Neuerungen zu arrangieren. Dabei gibt es so wunderbare kleine Szenen wie der Moment, in dem Gerlof feststellt, dass er mit seinem neuem Hörgerät wieder die Vögel im Garten hören kann. Ich mag diese Mischung aus Abschiednehmen (wenn der Sommer vorbei ist, muss er wieder vom Sommerhäuschen in sein Pflegeheim ziehen) und dem Willen das Leben positiver zu sehen und mehr auf anderen Menschen zuzugehen. So sind es auch diese kleinen Szenen, die lange in mir nachklingen, auch weil sie in solchem Kontrast zu Arons Erlebnissen stehen.

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