Es ist schon etwas her, dass ich „Schweinehunde“ gelesen habe, aber ich wollte das Buch unbedingt noch für den Bereich „Rache“ der „Themen-Challenge“ besprechen. Dass sich ein Krimi mit dem Thema Rache befasst, ist ja nun wirklich nicht ungewöhnlich, aber die Umsetzung fand ich in diesem Roman besonders reizvoll. Denn es geht nicht nur um die Rache eines Opfers an einem Täter, sondern in gewissem Maß auch um die Rache an der Gesellschaft und deren Umgang mit bestimmten Verbrechen.
Doch von Anfang an: Montagsmorgen finden zwei Kinder, die besonders früh von ihrer Mutter an der Schule abgesetzt wurden, fünf Männerleichen in der Turnhalle. Die fünf Opfer wurden in einem genau ausgemessenen Abstand an der Decke der Halle aufgehängt und nach ihrem Tod verstümmelt. Dabei haben die Täter keinerlei verwertbare Spuren hinterlassen und auch die Identität der Toten lässt sich nur schwer herausfinden.
Ein solch gravierendes Verbrechen ist der Kopenhagener Polizei Grund genug, um Kommissar Konrad Simonsen aus dem Urlaub zurückzurufen und mit besonderen Vollmachten zu versehen. Gemeinsam mit seinen Kollegen soll der erfahrene Ermittler die Verbrecher fassen. Doch das wird nicht so einfach, da wenige Tage nach der Tat eine unvergleichliche (Anzeigen-)Kampagne beginnt, die die Mordopfer als Pädophile brandmarkt, die nun endlich ihre verdiente Strafe bekommen haben. Diese Kampagne ist es auch, die den Roman aus der Masse ähnlicher Veröffentlichungen herausstechen lässt.
Recht früh in der Geschichte ist dem Leser bekannt, wer hinter diesem Verbrechen steckt und warum diese Männer getötet wurden. Dank diverser Perspektivwechsel erlebt man nicht nur die Aktivitäten der Polizei, sondern kann auch die Pläne der Täter mitverfolgen. So erlebt man als Leser mit ohnmächtiger Faszination, welche Auswirkungen die großangelegte Aktion auf die Öffentlichkeit hat und wie Bürger und Politik mit den dadurch aufgeworfenen Themen umgehen.
Für die Polizisten werden die Ermittlungen durch Druck und Reaktion der Öffentlichkeit deutlich erschwert. Riefen anfangs alle nach Ergreifung der Täter, so werden ihnen nun allerlei Steine in den Weg gelegt. Kollegen, die Auskünfte geben sollen, leiden plötzlich unter Gedächtnisverlust oder haben Akten verloren, wichtige Zeugen verteidigen die Mörder und auch Konrad Simonsen und seinen Kollegen fällt es schwer, neutral an ihre Arbeit heranzugehen.
So hegen auch sie sehr früh den Verdacht, dass die fünf Opfer wegen ihres Missbrauchs an Kindern ermordet wurden, doch ohne Beweise müssen sie weiterhin in alle Richtungen ermitteln. Und Beweise sind schwer zu bekommen, wenn man jede Information hinterfragen muss, weil man niemandem mehr vertrauen kann. Je mehr die Ermittler dann über die Opfer und die Täter erfahren, desto mehr wächst bei einigen von ihnen der Wunsch, einfach die Arbeit niederlegen zu dürfen, weil das Verständnis für die Mörder immer größer wird.
Lotte und Søren Hammer haben es dem Leser am Anfang ihres Romans nicht einfach gemacht. Die detailliert beschriebenen Verstümmelungen der Opfer haben bei mir erst einmal für die Befürchtung gesorgt, dass die beiden Autoren in ihrem Debütroman in erster Linie auf Blut und Ekel setzen, um die Sensationslust der Leser anzufachen. Und dann bekommt man auf den ersten Seiten eine neue Figur nach der anderen vorgestellt und muss die erst einmal einsortieren und kennenlernen.
Umso angenehmer war ich überrascht, als ich dann feststellen musste, dass sich Lotte und Søren Hammer weniger auf den Kriminalfall an sich konzentrieren, sondern mit der Reaktion der verschiedenen Personen und der Gesellschaft als große Masse auf so ein Verbrechen und die folgende Kampagne beschäftigen. Hier bekommt die Geschichte einen unheimlichen Sog und die Reaktionen der Bevölkerung, der Presse und der Politiker sorgen dafür, dass man regelrecht Angst vor der Macht der Masse bekommt. Geschickt manipulieren die Mörder die Medien – und durch diese die Menschen des Landes.
Dabei geht es ihnen nicht darum, straffrei auszugehen, sondern die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass die bestehenden Gesetze nicht ausreichen, um die Opfer und ihre Familien vor Pädophilen und ihren Taten zu schützen. So entsteht die Spannung in dieser Geschichte nicht durch die Morde und die Verfolgung der Täter, sondern aus der unberechenbaren Reaktion der Allgemeinheit. Und davon sind auch die Polizisten nicht ausgenommen, die von diesem Fall körperlich und seelisch an ihre Grenzen getrieben werden und immer wieder für sich entscheiden müssen, ob sie dem Gesetz dienen oder ihrem eigenen Gerechtigkeitsempfinden nachgeben wollen.
Diese ungewöhnliche Darstellung eines Kriminalfalls hat bei mir auf jeden Fall dafür gesorgt, dass ich „Schweinehunde“ als eine erfrischende Abwechslung empfunden habe. Hier und da bemerkt man zwar, dass der Roman das Debüt von Lotte und Søren Hammer ist und noch etwas Routine fehlt, außerdem hat sich das Ende etwas hingezogen, aber insgesamt habe ich mich lange nicht mehr so gut von einem Krimi unterhalten gefühlt.
Klingt wirklich recht interessant – zumal es den Leser selbst wahrscheinlich in einen Gewissenskonflikt stürzen und ein ganz schön unbehagliches Gefühl hinterlassen dürfte.
Erinnert mich von der Beschreibung her übrigens ein wenig an den (sehr guten) Odenthal-Tatort "Die Kampagne" von vor einigen Jahren. Kennst du den?
Ich fand auch, dass die Täter eine ganz gute Mischung abgaben, auch wenn die Autoren da etwas ins Klischee abrutschten.
Ne, der Tatort sagt mir nichts. Aber ich habe auch schon jahrelang keinen mehr gesehen, weil ich irgendwann zu genervt von den diversen Teams war. *g*
(War das letzten Sonntag ein neuer? Den haben wir auch nur knapp zehn Minuten durchgehalten und fanden dann die Figurenkonstellation so billig, dass wir den Fernseher ausgemacht haben. Allerdings gab es ein hübsches Sofa beim Verbrechensschauplatz … ;))
"Die Kampagne" ist wirklich super; falls der mal wieder laufen sollte, kannste da ruhig nen Blick riskieren. HIER gibts ne Beschreibung, falls es dich interessiert.
((Ja, der Tatort letzte Woche war ein neuer. Und wir fanden ihn auch GANZ schrecklich. Das Sofa ist mir nicht aufgefallen. *g*))
Da scheint es wirklich inhaltliche Ähnlichkeiten zu geben – spannend!
Der Tatort war ja wohl fürchterlich, oder? Ich finde es schon schlimm genug, wenn andere Fernsehkrimis auf solche Teams setzen, aber jetzt auch noch beim Tatort?!
(Sehr schönes Sofa! Braunes Leder, auf den ersten Blick etwas altmodisch mit geknöpfter Lehne, aber glatter Sitzfläche, klare Linien und sehr bequem aussehend. :D)