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Lotte und Søren Hammer: Einsame Herzen (Konrad Simonsen 3)

„Einsame Herzen“ von Lotte und Søren Hammer ist der dritte Roman rund um Konrad Simonsen und sein Team. Die Geschichte spielt ungefähr ein Jahr nach den Ereignissen in „Das weiße Grab“ und in der Zwischenzeit hat sich einiges in der Mordkommission getan. Konrad hatte vor einigen Monaten einen Herzinfarkt und darf erst einmal nur vier Stunden am Tag arbeiten, während Arne Pedersen vorläufig Konrads Position als Leiter der Mordkommission übernommen hat. Pauline Berg hingegen hat sich noch lange nicht von ihrer Entführung erholt, leidet unter Angstzuständen und hat große Probleme mit Männern. So schwierig die Situation im Team gerade ist, so leicht soll der „Fall“ sein, den Konrad Simonsen zum wiedereingewöhnen übergeben wird.

Es geht dabei um den Tod eines Postboten, der vor einigen Monaten mit gebrochenem Genick auf dem Treppenabsatz seines Wohnhauses gefunden wurde. Der Todesfall wurde damals als Unfall abgetan und zu den Akten gelegt, doch aufgrund politische Einflussnahme sollen die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Dann stolpert Konrad Simonsen bei seinen Untersuchungen über einen geheimen Raum über der Wohnung des Postboten, in dem die Bilder einen jungen Frau zu sehen sind. So wie die Fotos präsentiert wurden, ist sich der Polizist sicher, dass die Bilder eine Tote zeigen – und die Vermutung liegt nah, dass der Tod des Postboten mit dieser jungen Frau zu tun hat.

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie es Lotte und Søren Hammer gelingt zu den unterschiedlichen Fällen in ihren Kriminalromanen auch die passende Atmosphäre zu schaffen. Während in „Schweinehunde“ die Ermittler von der Öffentlichkeit und den Medien gehetzt wurden, waren es die Polizisten selber, die sich in „Das weiße Grab“ unter Druck gesetzt haben, weil es ihnen nicht gelang einem Serienmörder seine Taten soweit nachzuweisen, dass man ihn aus dem Verkehr ziehen konnte. In „Einsame Herzen“ wird die Geschichte hingegen sehr ruhig erzählt. Sowohl der Mord an dem Postboten, als auch das, was der jungen Frau von den Fotos angetan wurde, ist schon einige Zeit her. Es scheint keinerlei Gefahr für weitere Personen zu geben und so konzentriert sich die Handlung nicht ausschließlich auf die Ermittlungen, sondern auch auf die Polizisten, die – besonders im Fall von Pauline Berg – immer noch mit dem zu kämpfen haben, was im letzten Jahr passiert ist.

Außerdem hat der Herzinfarkt dazu geführt, dass Konrad sein Leben überdenkt. Es gibt Erlebnisse aus seiner Vergangenheit, die er bis heute nicht verarbeitet hat. Und da er sich bei den Ermittlungen rund um die junge Frau, die im Jahr 1969 vermisst gemeldet wurde, immer wieder an Szenen erinnert, die er in den 60er Jahren erlebt hat, dreht sich eben auch ein Teil der Geschichte um Konrads Vergangenheit. So vermischen die beiden Autoren die aktuellen Ereignisse mit einer Darstellung der politischen Situation Dänemarks in den 60er Jahren und haben bei mir dafür gesorgt, dass ich beide Zeitebenen sehr gespannt verfolgt habe. Ich wollte sowohl wissen, was Konrad Simonsen damals erlebt hat, als er als junger Polizist den demonstrierenden Studenten gegenüberstand, als auch erfahren, was der jungen Lucy passiert ist, als sie auf der Suche nach einem freien Leben, Liebe und vermutlich auch Drogen durch Dänemark reiste.

Ich mag es immer wieder, dass die Autoren einen realistischen Polizei-Arbeitsalltag in ihren Romanen präsentieren. Die Polizisten müssen auf Laborergebnisse warten, müssen sich mit ihren Vorgesetzten arrangieren und – wenn ein Fall nun schon mal älter ist – machen pünktlich Feierabend, weil die Arbeit am nächsten Tag auch noch da sein wird. Auch die Charaktere sind angenehm realistisch geschildert. Konrad hat zwar seine Probleme, aber die sind so angenehm normaler Natur, dass er nichts mit den „üblichen depressiven skandinavischen“ Ermittlern gemein hat. Auch bei Pauline, die durch die Entführung im Jahr zuvor wirklich viel gelitten hat, wird deutlich, dass sich Lotte und Søren Hammer um eine realistische Darstellung bemühen. Pauline geht zum Psychiater, hat aber natürlich immer noch Probleme ihre Arbeit wie früher zu verrichten. Ihr Zustand ist nicht statisch, manchmal geht es besser, an anderen Tagen wieder ist es deutlich schlimmer, aber sie arbeitet daran. Für ihre Kollegen ist Paulines Zustand hingegen eine Herausforderung. Auf der einen Seite wissen sie nicht, wie sie damit umgehen sollen, auf der anderen Seite müssen sie natürlich verhindern, dass Paulines Zustand die Ermittlungen behindert. Bei anderen Autoren könnten diese Passagen schnell kippen, hier hingegen fand ich sie gut lesbar und habe sie als Teil der Handlung wahrgenommen, gerade weil es nur ein Element von vielen war …

Es ist erstaunlich schwierig bei diesem Band zu beschreiben, warum er mir so gut gefallen hat, denn zu dem Kriminalfall gibt es gar nicht so viel zu erzählen. Auf jeden Fall bin ich schon gespannt, wie es mit dem Team weitergeht und welche Schwerpunkte Lotte und Søren Hammer in den weiteren Romanen gesetzt haben. Natürlich hoffe ich, dass diese Bücher auch noch auf Deutsch erscheinen – und wenn nicht, dann muss ich wohl zu den englischen Ausgaben greifen …

Lotte und Søren Hammer: Das weiße Grab (Konrad Simonsen 2)

Als vor ein paar Jahren „Schweinehunde“, der Debütroman von Lotte und Søren Hammer erschien, war ich ziemlich beeindruckt von der ungewöhnlichen Thematik, die sich die Geschwister für ihre Kriminalgeschichte ausgesucht haben. Dabei lag weniger das Verbrechen (Kindesmissbrauch bzw. Rache an denjenige, die Kinder missbraucht haben) als die Reaktion der Medien, die durch diejenigen manipuliert wurden, die die Täter bestraften, im Fokus der Geschichte. Die Handlung in „Das weiße Grab“ ist weniger aufsehenerregend, aber man bekommt als Leser immer noch einen soliden,gut zu lesenden und spannenden Krimi, der einen wieder mit einer moralischen Frage konfrontiert, die nicht so einfach zu beantworten ist.

Dieses Mal beginnt der Fall für Konrad Simonsen an einem Ort in Grönland, an dem es vor vielen Jahren mal eine amerikanische Militärbasis gab. An diesem Punkt wurde von (in gewisser Weise von der deutschen Kanzlerin) die Leiche einer jungen Dänin (im aufgrund der Klimaerwärmung aufgetauten „ewigen“ Eis) gefunden, die damals für die Amerikaner gearbeitet hatte und eines Tages spurlos verschwand. Für Konrad Simonsen steht auf den ersten Blick fest, dass dieser Mord die Tat eines Mehrfachtäters war, denn er selbst hatte vor einigen Jahren ein Verbrechen an einer jungen Frau untersucht, die damals in der gleichen Position mit den selben Merkmalen ermordet aufgefunden wurde. Für diese Tat war der Vater des damaligen Opfers verurteilt worden – doch die Tote im Eis kann nicht auf das Konto des verurteilten Mannes gehen – was mit großer Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass Konrad und seine Kollegen vor all den Jahren einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben.

Im Laufe der Geschichte finden die Ermittler heraus, dass der Mörder mehr als diese beiden jungen Frauen auf dem Gewissen hat und immer wieder nach der selben Methode vorgeht. Sogar die Identität des Täters steht relativ früh fest, aber es gibt keine Möglichkeit ihm seine Verbrechen auch nachzuweisen. Ich fand es faszinierend zu verfolgen wie das Auffinden der Leiche in Grönland und die Spurenlage des – eigentlich als abgeschlossen geltenden – Mordes recht schnell zum Täter führen und wie die Polizisten sich dann immer wieder im Kreis drehen, bei dem Versuch dem Mann irgendwie seine Morde auch nachweisen zu können. Dass diese Beweise aber einfach nicht aufzutreiben sind und der Täter ihnen immer wieder einen Schritt voraus zu sein scheint, ist natürlich für alle Beteiligten frustrierend, so dass nach und nach Methoden in Betracht gezogen werden, die mit einem Rechtsstaat nicht mehr zu vereinbaren sind.

Normalerweise mag ich es nicht, wenn in einem doch recht realistischen Kriminalroman solche wichtigen moralischen (oder vom Gesetz vorgegebenen) Grenzen gesprengt werden. Aber ich fand es spannend zu verfolgen, wie die unterschiedlichen Menschen nach Mitteln suchen, um diesen Mörder aus dem Verkehr zu ziehen, und wie dabei erst nur sehr zögerlich, später mit immer größerer Verzweiflung auch Möglichkeiten angesprochen werden, die diese eigentlich rechtschaffenden Personen zu Beginn des Romans als absolut unmoralisch bezeichnen und als Untergrabung ihres gesamten Rechtssystems betrachtet hätten.

Auch mit den verschiedenen Charakteren in diesem Roman kam ich wieder gut zurecht. Ich finde nicht jede Person sympathisch, manche handeln auf eine Art und Weise, die ich zwar verstehen, aber nicht gutheißen kann, aber immer habe ich das Gefühl, dass sie innerhalb ihres Charakters stimmig handeln. Es gibt keinen zutiefst depressiven Ermittler, der die Geschichte beherrscht, sondern ein funktionierendes Team mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Manchmal gibt es Reibungen, manchmal gibt es mehr als Sympathie zwischen den verschiedenen Polizisten und natürlich hat jeder so seine Probleme. Aber diese Dinge sind von recht alltäglicher und „normaler“ Natur wie die gesundheitlichen Probleme von Konrad Simonsen, die natürlich neben der Arbeit zurückstecken müssen, oder der Seitensprung am Arbeitsplatz, der eben auch Folgen für die Zusammenarbeit hat, ohne dass es dabei zu einem großen Drama kommt.

So bekommt man in „Das weiße Grab“ auch immer wieder etwas vom – beruflichen und privaten – Alltag der verschiedenen Beteiligten erzählt, ohne dass ich diesen Teil langweilig fand. Diese Passagen sorgen eher dafür, dass man die Figuren besser einschätzen kann und dementsprechend auch die Tragweite ihrer Entscheidungen begreift. Und wenn dann doch einmal ein Schritt gemacht wird, der eigentlich undenkbar zu sein scheint, dann bleibt das nicht ohne Konsequenzen für die Person, die von nun an mit dem Wissen darum, was sie getan hat, leben muss.

Lotte und Søren Hammer: Schweinehunde

Es ist schon etwas her, dass ich „Schweinehunde“ gelesen habe, aber ich wollte das Buch unbedingt noch für den Bereich „Rache“ der „Themen-Challenge“ besprechen. Dass sich ein Krimi mit dem Thema Rache befasst, ist ja nun wirklich nicht ungewöhnlich, aber die Umsetzung fand ich in diesem Roman besonders reizvoll. Denn es geht nicht nur um die Rache eines Opfers an einem Täter, sondern in gewissem Maß auch um die Rache an der Gesellschaft und deren Umgang mit bestimmten Verbrechen.

Doch von Anfang an: Montagsmorgen finden zwei Kinder, die besonders früh von ihrer Mutter an der Schule abgesetzt wurden, fünf Männerleichen in der Turnhalle. Die fünf Opfer wurden in einem genau ausgemessenen Abstand an der Decke der Halle aufgehängt und nach ihrem Tod verstümmelt. Dabei haben die Täter keinerlei verwertbare Spuren hinterlassen und auch die Identität der Toten lässt sich nur schwer herausfinden.

Ein solch gravierendes Verbrechen ist der Kopenhagener Polizei Grund genug, um Kommissar Konrad Simonsen aus dem Urlaub zurückzurufen und mit besonderen Vollmachten zu versehen. Gemeinsam mit seinen Kollegen soll der erfahrene Ermittler die Verbrecher fassen. Doch das wird nicht so einfach, da wenige Tage nach der Tat eine unvergleichliche (Anzeigen-)Kampagne beginnt, die die Mordopfer als Pädophile brandmarkt, die nun endlich ihre verdiente Strafe bekommen haben. Diese Kampagne ist es auch, die den Roman aus der Masse ähnlicher Veröffentlichungen herausstechen lässt.

Recht früh in der Geschichte ist dem Leser bekannt, wer hinter diesem Verbrechen steckt und warum diese Männer getötet wurden. Dank diverser Perspektivwechsel erlebt man nicht nur die Aktivitäten der Polizei, sondern kann auch die Pläne der Täter mitverfolgen. So erlebt man als Leser mit ohnmächtiger Faszination, welche Auswirkungen die großangelegte Aktion auf die Öffentlichkeit hat und wie Bürger und Politik mit den dadurch aufgeworfenen Themen umgehen.

Für die Polizisten werden die Ermittlungen durch Druck und Reaktion der Öffentlichkeit deutlich erschwert. Riefen anfangs alle nach Ergreifung der Täter, so werden ihnen nun allerlei Steine in den Weg gelegt. Kollegen, die Auskünfte geben sollen, leiden plötzlich unter Gedächtnisverlust oder haben Akten verloren, wichtige Zeugen verteidigen die Mörder und auch Konrad Simonsen und seinen Kollegen fällt es schwer, neutral an ihre Arbeit heranzugehen.

So hegen auch sie sehr früh den Verdacht, dass die fünf Opfer wegen ihres Missbrauchs an Kindern ermordet wurden, doch ohne Beweise müssen sie weiterhin in alle Richtungen ermitteln. Und Beweise sind schwer zu bekommen, wenn man jede Information hinterfragen muss, weil man niemandem mehr vertrauen kann. Je mehr die Ermittler dann über die Opfer und die Täter erfahren, desto mehr wächst bei einigen von ihnen der Wunsch, einfach die Arbeit niederlegen zu dürfen, weil das Verständnis für die Mörder immer größer wird.

Lotte und Søren Hammer haben es dem Leser am Anfang ihres Romans nicht einfach gemacht. Die detailliert beschriebenen Verstümmelungen der Opfer haben bei mir erst einmal für die Befürchtung gesorgt, dass die beiden Autoren in ihrem Debütroman in erster Linie auf Blut und Ekel setzen, um die Sensationslust der Leser anzufachen. Und dann bekommt man auf den ersten Seiten eine neue Figur nach der anderen vorgestellt und muss die erst einmal einsortieren und kennenlernen.

Umso angenehmer war ich überrascht, als ich dann feststellen musste, dass sich Lotte und Søren Hammer weniger auf den Kriminalfall an sich konzentrieren, sondern mit der Reaktion der verschiedenen Personen und der Gesellschaft als große Masse auf so ein Verbrechen und die folgende Kampagne beschäftigen. Hier bekommt die Geschichte einen unheimlichen Sog und die Reaktionen der Bevölkerung, der Presse und der Politiker sorgen dafür, dass man regelrecht Angst vor der Macht der Masse bekommt. Geschickt manipulieren die Mörder die Medien – und durch diese die Menschen des Landes.

Dabei geht es ihnen nicht darum, straffrei auszugehen, sondern die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass die bestehenden Gesetze nicht ausreichen, um die Opfer und ihre Familien vor Pädophilen und ihren Taten zu schützen. So entsteht die Spannung in dieser Geschichte nicht durch die Morde und die Verfolgung der Täter, sondern aus der unberechenbaren Reaktion der Allgemeinheit. Und davon sind auch die Polizisten nicht ausgenommen, die von diesem Fall körperlich und seelisch an ihre Grenzen getrieben werden und immer wieder für sich entscheiden müssen, ob sie dem Gesetz dienen oder ihrem eigenen Gerechtigkeitsempfinden nachgeben wollen.

Diese ungewöhnliche Darstellung eines Kriminalfalls hat bei mir auf jeden Fall dafür gesorgt, dass ich „Schweinehunde“ als eine erfrischende Abwechslung empfunden habe. Hier und da bemerkt man zwar, dass der Roman das Debüt von Lotte und Søren Hammer ist und noch etwas Routine fehlt, außerdem hat sich das Ende etwas hingezogen, aber insgesamt habe ich mich lange nicht mehr so gut von einem Krimi unterhalten gefühlt.