Lotte und Søren Hammer: Das weiße Grab (Konrad Simonsen 2)

Als vor ein paar Jahren „Schweinehunde“, der Debütroman von Lotte und Søren Hammer erschien, war ich ziemlich beeindruckt von der ungewöhnlichen Thematik, die sich die Geschwister für ihre Kriminalgeschichte ausgesucht haben. Dabei lag weniger das Verbrechen (Kindesmissbrauch bzw. Rache an denjenige, die Kinder missbraucht haben) als die Reaktion der Medien, die durch diejenigen manipuliert wurden, die die Täter bestraften, im Fokus der Geschichte. Die Handlung in „Das weiße Grab“ ist weniger aufsehenerregend, aber man bekommt als Leser immer noch einen soliden,gut zu lesenden und spannenden Krimi, der einen wieder mit einer moralischen Frage konfrontiert, die nicht so einfach zu beantworten ist.

Dieses Mal beginnt der Fall für Konrad Simonsen an einem Ort in Grönland, an dem es vor vielen Jahren mal eine amerikanische Militärbasis gab. An diesem Punkt wurde von (in gewisser Weise von der deutschen Kanzlerin) die Leiche einer jungen Dänin (im aufgrund der Klimaerwärmung aufgetauten „ewigen“ Eis) gefunden, die damals für die Amerikaner gearbeitet hatte und eines Tages spurlos verschwand. Für Konrad Simonsen steht auf den ersten Blick fest, dass dieser Mord die Tat eines Mehrfachtäters war, denn er selbst hatte vor einigen Jahren ein Verbrechen an einer jungen Frau untersucht, die damals in der gleichen Position mit den selben Merkmalen ermordet aufgefunden wurde. Für diese Tat war der Vater des damaligen Opfers verurteilt worden – doch die Tote im Eis kann nicht auf das Konto des verurteilten Mannes gehen – was mit großer Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass Konrad und seine Kollegen vor all den Jahren einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben.

Im Laufe der Geschichte finden die Ermittler heraus, dass der Mörder mehr als diese beiden jungen Frauen auf dem Gewissen hat und immer wieder nach der selben Methode vorgeht. Sogar die Identität des Täters steht relativ früh fest, aber es gibt keine Möglichkeit ihm seine Verbrechen auch nachzuweisen. Ich fand es faszinierend zu verfolgen wie das Auffinden der Leiche in Grönland und die Spurenlage des – eigentlich als abgeschlossen geltenden – Mordes recht schnell zum Täter führen und wie die Polizisten sich dann immer wieder im Kreis drehen, bei dem Versuch dem Mann irgendwie seine Morde auch nachweisen zu können. Dass diese Beweise aber einfach nicht aufzutreiben sind und der Täter ihnen immer wieder einen Schritt voraus zu sein scheint, ist natürlich für alle Beteiligten frustrierend, so dass nach und nach Methoden in Betracht gezogen werden, die mit einem Rechtsstaat nicht mehr zu vereinbaren sind.

Normalerweise mag ich es nicht, wenn in einem doch recht realistischen Kriminalroman solche wichtigen moralischen (oder vom Gesetz vorgegebenen) Grenzen gesprengt werden. Aber ich fand es spannend zu verfolgen, wie die unterschiedlichen Menschen nach Mitteln suchen, um diesen Mörder aus dem Verkehr zu ziehen, und wie dabei erst nur sehr zögerlich, später mit immer größerer Verzweiflung auch Möglichkeiten angesprochen werden, die diese eigentlich rechtschaffenden Personen zu Beginn des Romans als absolut unmoralisch bezeichnen und als Untergrabung ihres gesamten Rechtssystems betrachtet hätten.

Auch mit den verschiedenen Charakteren in diesem Roman kam ich wieder gut zurecht. Ich finde nicht jede Person sympathisch, manche handeln auf eine Art und Weise, die ich zwar verstehen, aber nicht gutheißen kann, aber immer habe ich das Gefühl, dass sie innerhalb ihres Charakters stimmig handeln. Es gibt keinen zutiefst depressiven Ermittler, der die Geschichte beherrscht, sondern ein funktionierendes Team mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Manchmal gibt es Reibungen, manchmal gibt es mehr als Sympathie zwischen den verschiedenen Polizisten und natürlich hat jeder so seine Probleme. Aber diese Dinge sind von recht alltäglicher und „normaler“ Natur wie die gesundheitlichen Probleme von Konrad Simonsen, die natürlich neben der Arbeit zurückstecken müssen, oder der Seitensprung am Arbeitsplatz, der eben auch Folgen für die Zusammenarbeit hat, ohne dass es dabei zu einem großen Drama kommt.

So bekommt man in „Das weiße Grab“ auch immer wieder etwas vom – beruflichen und privaten – Alltag der verschiedenen Beteiligten erzählt, ohne dass ich diesen Teil langweilig fand. Diese Passagen sorgen eher dafür, dass man die Figuren besser einschätzen kann und dementsprechend auch die Tragweite ihrer Entscheidungen begreift. Und wenn dann doch einmal ein Schritt gemacht wird, der eigentlich undenkbar zu sein scheint, dann bleibt das nicht ohne Konsequenzen für die Person, die von nun an mit dem Wissen darum, was sie getan hat, leben muss.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert