Mary Roberts Rinehart: The Window at the White Cat

„The Window at the White Cat“ von Mary Roberts Rinehart war in den letzten Wochen mein Wartezimmerbuch, und da die Geschichte viele vertraute Elemente hatte und die Menge der Personen relativ übersichtlich ist, war es perfekt dazu geeignet, um in kleinen Portionen gelesen zu werden. Trotz dieser vielen vertrauten Elemente ist mir der Roman eine Rezension wert, da ich es lustig fand, die Geschichte mal aus einer anderen Perspektive erzählt zu bekommen. Die anderen Bücher, die ich von der Autorin bislang gelesen habe, beschrieben die Handlung aus der Sicht einer Frau – und in den Fällen, in denen diese Frau jünger ist, berichtet sie im Nachhinein von den Schritten, die ein befreundeter Mann unternommen hat, um den Fall zu lösen.

In „The Window at the White Cat“ wird die Geschichte von dem (nicht mehr ganz so jungen) Anwalt Jack Knox erzählt. Als eines Tages die junge Margery Fleming in seine Kanzlei kommt und vom rätselhaften Verschwinden ihres Vaters berichtet, wird der Anwalt in eine ungewöhnliche Geschichte hineingezogen, die größere Kreise zieht, als er anfangs erahnen konnte. Margerys Vater ist ein Politiker mit großem Einfluss und sein Verschwinden ist nicht nur aus privater, sondern auch aus politischer Sicht sehr beunruhigend – zumal auch eine größere Summe Geldes in seiner Obhut war, die ihm aus beruflichen Gründen anvertraut wurde. Als Margery wenig später (nach einem Einbruch in ihr Elternhaus) bei ihren beiden älteren Tanten Zuflucht sucht, verschwindet auch noch eine der beiden Damen auf mysteriöse Weise.

Ich mochte es, dass der Protagonist sich nicht so ganz sicher war, wie er an die Ermittlungen herangehen sollte. Er ist kein Detektiv, er ist Anwalt, aber er gibt sich alle Mühe und sucht bei einem Polizisten und einem Journalisten Rat und Informationen, und so wuselt er sich von einem Hinweis zum Nächsten. Auch gefiel es mir, dass man dieses Mal die Geschichte eben aus Sicht des „ermittelnden Liebhabers“ (nur dass Margery bedauerlicherweise mit dem Sekretär ihres Vaters verlobt ist und Jack deshalb weiß, dass seine Verliebtheit hoffnungslos ist) erlebt. Jack vermutet immer wieder, dass Margery ihm etwas verschweigt, kann und will die junge Dame aber nicht bedrängen, weil er das Gefühl hat, er müsse sie beschützen. Auch entdeckt er immer wieder Umstände bei diesem Fall, von denen er nicht weiß, wie er sie ihr beibringen soll. Und während ich sonst die „Innensicht“ auf die üblichen Gepflogenheiten der betreffenden Haushalte genossen habe, bot Jacks Unvertrautheit mit den Personen hier neue Möglichkeiten für die Handlungsentwicklung.

Trotzdem gab es natürlich wieder viele vertraute Elemente wie die ältere Dame, deren Leben nicht ganz so berechenbar verläuft, wie ihre Verwandtschaft vermutet hat, der Vater, der die Familie in gewisser Weise im Stich gelassen hat, verschwundenes Geld rund um eine Privatbank und Personen, die verdächtigt werden, während andere Parteien versuchen, etwas zu vertuschen oder aus ganz eigenen Motivationen Ermittlungen anstellen und so den offiziellen Stellen in die Quere kommen. Auch wenn diese Sachen bei Mary Roberts Rineharts Romanen immer wieder vorkommen, finde ich ihre Geschichten nie langweilig. Ihre Charaktere sind – bei allen groben Ähnlichkeiten – individuell genug, dass mir das Kennenlernen Freude bereitet, die Geschichten bieten immer wieder neue Varianten des Grundthemas, und es gibt so viele kleine Szenen und Details, die mich amüsieren oder die mich über die Figuren und ihr Leben nachdenken lassen, dass ich mich von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten fühle. Außerdem mag ich es, über diese Zeit (der Roman wurde 1910 erstveröffentlicht) zu lesen – und das auch noch von einer Autorin, die zu dieser Zeit gelebt hat.

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