Novella Carpenter: Meine kleine Cityfarm

Dieses Buch hat mich recht zwiegespalten hinterlassen, was ich im Nachhinein vor allem auf die Autorin schiebe. Denn so richtig sympathisch fand ich Novella Carpenter nach all den Details aus ihrem (Privat-)Leben nicht, auch wenn man in diese Buch ein paar tolle Anregungen finden kann und immer wieder über Ideen stolpert, die man doch auch selber in seinem kleinen Stadtgarten, auf seinem Balkon, einem Blumenkasten am Fenster oder auf der Verkehrsinsel vor der Tür durchführen könnte.

In „Meine kleine Cityfarm – Landlust zwischen Beton und Asphalt“ kann man Stück für Stück verfolgen, wie die Amerikanerin sich an immer größere Experimenten in Richtung Natur und Selbstversorgung wagt, während sie in einem eher heruntergekommenden Gebiet von Oakland (das liegt am östlichen Ufer der Bucht von San Fransciso) lebt. Dabei hat Novella – obwohl sie ihre Kindheit auf einer Farm verbracht hat, die von ihren idealistischen Hippie-Eltern als Selbstversorgerprojekt gestartet wurde – keinerlei Erfahrung mit Landwirtschaft. Und die Erzählungen ihrer Mutter über all die Nachteile des Landlebens, die Einsamkeit und die Herausforderungen, haben auch dazu geführt, dass die Autorin niemals so leben wollte. Trotzdem ist da dieser Wunsch nach selbstangebauten Lebensmitteln, danach zu wissen, woher die Dinge kommen, die man isst, und die Lust am Experimentieren.

Für mich war es auch spannend den Kontrast zwischen den ersten Eindrucken ihrer neuen Wohngegend und ihren Erfahrungen dort zu erleben. Anfangs traut sich Novella in dem Ghetto, in dem sie eine Wohnung gefunden haben, nachts nicht vor die Tür, weil die Nachbarschaft so bedrohlich wirkt. Später hingegen hat sie das Gefühl, dass sie ihre Nachbarn mit all ihren Eigenarten (ein Obdachloser, der Schrott auf der Straße sammelt, Jugendliche, die trotz Gangmitgliedschaft eben doch nur Kinder sind, eine exzentrische Gruppe, die sich einmal die Woche trifft und künstlerisch tätig ist) so gut kennt, dass sie sich problemlos dort bewegen kann.

In dieser Umgebung nehmen Novella und ihr Freund Bill eine Brachfläche neben ihrem Haus in Besitz und nutzen sie für ihre kleine Landwirtschaft. So bauen die beiden nicht nur Gemüse an, sondern halten auch Bienen, Geflügel, Kaninchen und später sogar Schweine und Ziegen. So schön und spannend ich es fand, durch Novellas Augen mitzuerleben, wie aus einer vermüllten Brachfläche ein grüner Garten entstand, der nicht nur genügend abwarf, um die Autorin und ihre Nachbarschaft zu ernähren, sondern auch um Gemüse an soziale Projekte zu spenden, so gab es doch auch so einige Aspekte, die mir nicht gefallen haben.

Novella Carpenter scheint dazu zu neigen, sich ohne gründliche Vorbereitung Tiere anzuschaffen – und dann über Bücher und Gleichgesinnte genügend Wissen zu sammeln, damit die Haltung auch funktioniert. Mich irritiert es, wenn jemand loszieht, um sich zwei Ferkel zu kaufen, und dann nicht einmal weiß, ob er eine Sau, einen Eber oder einen Kastraten mit nach Hause nimmt. Genauso wäre es für mich wichtig zu wissen, wie groß meine beiden Ferkel am Ende werden und ob ich ihnen dann immer noch ein artgerechtes Leben bieten kann. Ich hatte zwar am Ende nicht das Gefühl, dass es den Tieren nicht gutging, dafür hat die Autorin zuviel Energie und Erfindungsreichtum in die Haltung gesteckt, aber ich glaube, dass das auch damit zusammenhing, dass sie höllisch viel Glück hatte. Und ich mag es nicht, wenn eine gute Tierhaltung vor allem dank „Glück“ funktioniert.

Auch schreibt sie offen über die Probleme, die es zu Beispiel mit den Nachbarn gab. Da mussten diese damit leben, dass der Truthahn ständig in ihren Gärten auftauchte, und die entlaufenden Schweine wurden zu Verkehrsrisiken – und meine Fantasie ist dann doch zu lebhaft, als dass ich lässig über den Beinahunfall mit einem Bus hinweglesen kann. Auch wurden der Lärm und Gestank natürlich nicht von allen Nachbarn einfach so hingenommen … Die Futterbeschaffung war ebenfalls eine Herausforderung, denn Novella Carpenter hatte sich vorgenommen nichts zu kaufen, sondern die Tiere mit dem zu ernähren, was sie sammeln oder im Garten anbauen konnte. Also hat sie für das Geflügel in den städtischen Grünanlage Unkraut gezupft und die Schweine aus den Abfalltonnen ernährt, die sie Nacht für Nacht in Chinatown geplündert hat.

Schön fand ich hingegen die positiven Auswirkungen auf die Nachbarschaft. Nicht nur verteilte die City-Farmerin ihre Erzeugnisse freigiebig in der Nachbarschaft, sie ermöglichte es den Ghettokindern auch mal ein Kaninchen auf dem Arm zu halten oder ein Schwein beim Fressen zu beobachten. Und bei den asiatischen Nachbarn kam die Erinnerung an ihre Heimat auf, wo der Gemüseanbau und die Haltung von Kleintieren im städtischen Hinterhof einfach zum Leben dazu gehören.

Auch hat mich dieses Buch sehr nachdenklich gemacht. Seit dem Lesen gehe ich mit anderen Augen durch die Stadt, sehe Brachflächen zwischen den Häusern und fragte mich, ob man da nicht etwas anbauen könnte. Und in meinem kleinen Blumengarten (der immer noch überfüllt ist mit Pflanzen, die die Vormieter dort hinterlassen haben) suche ich inzwischen kleine Eckchen, in denen ich vielleicht etwas Gemüse anbauen könnte. Es würde bei mir vermutlich nicht so einfach gedeihen, wie im sonnigen Kalifornien, aber eine frisch geerntete selbstgezogene Gurke schmeckt doch deutlich besser als eine, die schon einige Wegstunden hinter sich gebracht hat oder gar einen Aufenthalt im Supermarktkühlhaus erlebte. Noch habe ich Hemmungen die gesunden Blumen auszurupfen und auch der Schweinehund, der sich sicher ist, dass so ein Nutzgartenanteil doch noch mehr Arbeit macht, muckt, aber los lässt mich der Gedanke an mein eigenes Gemüse seit dem Lesen von „Meine kleine Cityfarm“ nicht.

10 Kommentare

  1. Ich bin ja wirklich nicht die beste Person, um Gartentipps zu verteilen, und das Gemüse im Garten macht definitiv viel Arbeit, aber es schmeckt kaum etwas besser als Essen, dass man kurz vorher erst geerntet hat.

    Ich halte mich vom Garten ziemlich fern (was meinem Mann gegenüber etwas unfair ist), aber ich sehe ihn hacken, jäten, pflanzen, säen, gießen, den gesamten Sommer lang Tomatenkübel in die Sonne schleifen (Wir haben deswegen so tolle Tomaten, Augerbinen und Pepperoni, weil die den ganzen Tag im Garten herumgetragen werde, so dass sie immer optimal Sonne abkriegen und wenn es regnet müssen sie panisch untergestellt werden, weil sie keinen Regen auf den Blättern mögen.).

    Wenn ich hier dafür zuständig wäre, dann gäbe es wohl nur den Salat im Kübel auf der Terrasse, der aus unerfindlichen Gründen jedes Jahr wiederkommt, ohne dass wir irgendetwas machen.

  2. Vielleicht solltest du mir mal einen Sommer lang deinen Mann ausleihen. 😀 Ich fürchte nämlich, dass ich nicht so fleißig beim Umstellen der Kübel wäre. Es wäre schon eine Herausforderung immer ausreichend zu Gießen. Wenn ich überlege, welche gutes Händchen ich für normale Topfpflanzen habe – ich bin ja doch ganz froh, dass ich dank Christies Zerstörungswut keine Blumen in der Wohnung mehr haben kann.

    Aber Kübelsalat klingt nach etwas, das man leicht mal ausprobieren kann … und natürlich will ich dieses Jahr endlich Kräuter auf dem Balkon züchten.

    Zumindest, wenn ich da nicht den ganzen Sommer mit Türenschleifen beschäftigt bin. Das dürfte die Essbarkeit der Kräuter nicht gerade fördern … 😀

  3. Meinen Mann kannst du leider nicht haben, den brauche ich selber, aber ich werde langsam schon dressiert. Letztes Jahr war das erste Mal, dass wir jeweils beide beim ersten Anzeichen von Regen zu den Tomaten gesprintet sind. Leute, die nicht gar so obergewissenhaft sind, suchen für die Tomaten einfach einen sonnigen, regengeschützten Platz (oder bauen sich ein Glas- oder Plexiglasdach) und lassen die Tomaten da einfach stehen.

    Schnittsalat sähen und ernten st super-einfach. Unserer ist in Kübeln, weil wir wahnsinnig viel Schnecken haben und Schnecken lieben Salat. Und Koriander und einfach alles. Mein Mann pflückt im Sommer auch jeden Tag Schnecken von den Pflanzen und schmeißt sie ganz weit weg…

    Gießen muss man hier bei uns im Sommer jeden Tag mindestens einmal und zwar mit Wasser aus den Regentonnen, das kann schon mal eine halbe Stunde dauern.

    Aber unser Garten ist ja auch riesig. Und hat inzwischen doppelt so viele Gemüsebeete wie vorher. Mit Kartoffeln und Grünkohl und Bohnen und Karotten und …

  4. Zu schade! Ich denke, er hätte weniger Hemmungen den Garten umzugestalten als ich. 😀

    Da wir beide rohe Tomaten nicht essen, muss ich mir über deren Regenempfindlichkeit schon mal keine Gedanken zu machen. Aber Salatgurken wären schön, davon könnte ich mich im Sommer ernähren!

    Schnecken haben wir anscheinend nicht im Garten – zumindest bei den Blumen lassen sie sich nicht blicken. Dafür ein paar gemein-stechende Insekten. Ich überlege trotzdem, ob ich irgendwann noch ein "Hotel" für die baue. 😀

    Und euer Garten ist wirklich riesig – soviel Fläche habe ich nicht mal zur Verfügung, wenn ich sämtliche Blumen entfernen und den Rasen umgraben würde. Abgesehen davon, dass die Nachbarn das wohl etwas irritieren würde. 😀

  5. Hm… ich sehe immer nach diesen alten verfallenen Häusern und frage mich, ob man da nicht etwas sinnvolleres draus machen kann, als die da einfach verfallen lassen kann.

    Aber das mit den brachliegenden Flächen, da Gemüsebeete anzulegen, ist eine sinnvolle, aber sicherlich auch schwer umzusetzende Idee. Leider habe ich auch keinen grünen Daumen und bei mir gehen schon die kleinsten Pflanzen eingehen.

    Ein Buch, was sicherlich auch mal glatt auf meine Wunschliste gehüpft ist, weil es einfach gute Aspekte enthält. ^^

  6. Lustigerweise habe ich gerade erst in den letzten Wochen sehr viele Berichte über diverse Vereine gesehen, die sich genau diese Bepflanzung von Brachflächen vorgenommen haben. Unter anderem in Berlin soll es wohl schon sehr erfolgreiche Konzepte geben, bei denen man inzwischen wohl sogar so professionell Gemüse anbaut, dass man das auch verkaufen und den Gewinn in weitere Brachflächen stecken kann.

    Bei alten Häusern habe ich schon seit meiner Jugend das Gefühl, man müsste etwas daraus machen. Das hatte meine Studienwahl auch nicht unerheblich beeinflusst. Nach meinem Diplom hatte ich immer gehofft, ich würde mal die Gelegenheit erhalten, um ein altes Haus wieder zum Leben zu erwecken. Aber ohne etwas Kapitel oder einen Auftraggeber im Hintergrund kann man das leider vergessen …

  7. Stimmt, besonders diese denkmalgeschützten schönen Fachwerkhäuser sind ein Problem. Man kann sie wohl zwar recht günstig erstehen, aber die Denkmalauflagen sind so hoch und die Standards dafür auch, dass jedem die Lust und das Kapital verloren geht. Traurig, aber wahr. ^^

    Wirklich, in Berlin gibt es schon solche Projekte und Vereine. Das klingt ja interessant. Muss ich mal genau nach recherchieren. ^^ Was hast du denn studiert (wenn man fragen darf?)?

  8. Nicht nur der Denkmalschutz kann ein Problem werden, sondern schon allein die (zu Recht eingeführten) Auflagen bezüglich Wärmedämmung usw. Wobei ich da mal von einem spannenden Projekt in Holland gehört habe. Da wollte eine Stadt ein heruntergekommenens Viertel wieder in Ordnung bringen, verkaufte dafür die Häuser für 1 Euro an junge Familien, gab den Leuten einen günstigen Kredit für den Ausbau und dafür mussten sie sich verpflichten eine bestimmte Anzahl Arbeitsstunden pro Monat in die Sanierung zu stecken … Leider sind solche Aktionen nicht besonders weit verbreitet.

    Von den Vereinen in Berlin habe ich auf einem der Regionalsender gehört, die hatten ein Programm zu diesem Thema. Da wurden Aktionen in der ganzen Welt kurz angesprochen, unter anderem auch in Japan, wo große Firmen inzwischen die Dächer ihrer Hochhäuser mit Nutzgärten ausstatten, die von den Angestellten gepflegt (freiwillig in ihrer Freizeit) gepflegt werden. Das war faszinierend. 🙂

    Achja, ich habe Innenarchitektur studiert …

  9. Als Kind habe ich mich über die Früchte der Gartenarbeit meiner Eltern hergemacht: Johannisbeeren (die roten, die schwarzen habe ich hängenlasse *schüttel*), damals auch noch Erdbeeren in Massen, Mohrrüben kurz abgeschüttelt und …lecker (ich habe sie immer in den Augen meiner Eltern "zu früh" herausgezogen, aber die jungen Möhren haben halt besser geschmeckt *lach*). Und in den Erbsen habe ich auch immer gesessen – auch immer viel zu früh, soweit es nach meiner Mutter ging 🙂 Und "Schlangengurken" kannte ich damals überhaupt nicht, die Gurken im Garten sahen eindeutig anders aus und schmeckten auch intensiver. Mit den Tomaten gab es übrigens regelmäßig Probleme 😉

    Allerdings habe ich es auch regelmäßig erfolgreich geschafft, mich vor der Gartenarbeit zu drücken. Auch heute hätte ich wohl wenig Zeit, mich einem Garten zu widmen, mal davon abgesehen, dass es nur noch zwei lebende Pflanzen in meiner Wohnung gibt *schaut auf den "schwarzen" Daumen* Aber wer weiß, was noch alles so kommt 😉

  10. @Natira: Ich habe sehr zwiespältige Kindheits … naja, eher Jugenderfahrungen mit dem elterlichen Garten gemacht. Meine Eltern waren nämlich sehr gut darin etwas anzupflanzen, aber nicht so gut darin sich darum zu kümmern. So habe ich die (nicht aufgehäufelten) Kartoffeln geerntet, die Möhren gezogen, wenn ich dachte, dass es soweit war und die Beeren an den Sträuchern die meiste Zeit ignoriert (weil meine Mutter welche gepflanzt hatte, die ich nicht mochte). 😉 Einige Jahre später hatten meine Eltern dann nur noch drei Obstbäume im Garten, die insgesamt pro Jahr auf vier Pflaumen und drei Mini-Äpfel kamen.

    Aber dafür habe ich die Beeren am Straßenrand genossen, die Zucchini von der Nachbarin – und heutzutage liebe ich die Gurken von meiner Schwiegermutter (allerdings ist die Entfernung zu groß, um davon regelmäßig profitieren zu können). 😉

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