Radiya Hafiza: Rumaysa

In den letzten Tagen wusste ich nicht so recht, auf welche Art von Geschichte ich eigentlich Lust hätte. Also habe ich testweise ein paar Bücher angelesen und bei „Rumaysa“ bin ich direkt nach den ersten Absätzen hängengeblieben. Ich mochte die ungewöhnlichen Märchenvarianten, die Radiya Hafiza in „Rumaysa“ erzählt, so sehr, dass ich mir die Geschichten eigentlich einteilen wollte – nur um dann doch immer wieder zum Buch zu greifen, um nur noch ein weiteres kleines Kapitel zu lesen. Genau genommen greift die Autorin die Märchen von „Rapunzel“, „Aschenputtel“ und „Dornröschen“ auf und spinnt daraus ganz eigene Geschichten mit starken und selbstbewussten Protagonistinnen, die Hijab tragen und das Fastenbrechen feiern, die keine Prinzen benötigen, die sie retten, sondern einfallsreich sind. Dabei ist die titelgebende Rumaysa nicht nur die erste Person, deren Geschichte in diesem Buch erzählt wird, sondern sie spielt auch eine wichtige Rolle im Leben der anderen beiden Protagonistinnen (Cinder)Ayla und (Sleeping) Sara.

Jede der drei Geschichten beginnt nicht nur mit dem klassischen „Once upon a time“-Anfang, sondern sie bieten auch sonst eine durchgehende Märchenatmosphäre. Zusätzlich gibt es aber so viele amüsante Momente und überraschende Wendungen, dass es sich immer wieder anfühlte, als ob ich die vertrauten Geschichten ganz neu entdecken dürfte. Es war so wunderbar zu lesen, wie sich Rumaysa selbst aus ihrem Turm rettet und wie sie im Anschluss an dieses erste Abenteuer anderen Mädchen zur Seite steht, die dringend Hilfe benötigen. Ich mochte es so sehr, dass der Fokus der Autorin nicht darauf lag, dass die Protagonistinnen ihren jeweiligen Prinzen bekamen, sondern dass sie Freunde fanden und einen Weg, um ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben zu führen.

„I’m looking for someone – a princess. Have you seen her?“
„No, I’m the only one here,“ Rumaysa replied tersely.
It was quiet for a moment. „Right, OK. Guess I’ll go, then.“
Rumaysa heard an odd whoosh in the air and then silence. She let out a breath of relief – the boy must have gone.
As she restarted her climb, she muttered, „When I need someone to break me out, no one shows for years and years. But the night I’m hanging from a sky-high tower, then some boy wants to show up.“ (Rumaysa, Seite 46)

Keine der Protagonistinnen schafft es allein, sich gegen die Widrigkeiten in ihrem Leben zu behaupten, aber sie brauchen keinen „Prinzen“, um ihre Situation zu verbessern, sie finden Freunde, die ihnen zur Seite stehen – und das ist so viel schöner zu lesen. Wie so oft bei solchen Geschichten gefielen mir vor allem die kleinen Momente, in denen zwei Freundinnen sich über ihren Tag austauschen, in denen gemeinsam gegessen wird oder in denen den Protagonistinnen bewusst wird, dass ihnen mehrere Alternativen offen stehen. Der einzige Kritikpunkt, den ich an „Rumaysa“ finden kann, besteht in dem relativ abrupten – und für Rumaysa offenen – Ende des Buches. Es wäre schön gewesen, wenn die Autorin auch für diese Figur einen runden Abschluss gefunden hätte. Aber ich hoffe, dass dies bedeutet, dass Radiya Hafiza noch weitere Märchen neu-erzählen wird, auch wenn ich bislang noch keinen Hinweis auf eine weitere Veröffentlichung gefunden habe.

Erwähnen sollte ich auch noch, dass es in dem Buch mehrere Illustrationen von Rhaida El Touny gibt und auch wenn ich nicht alle Bilder gleichermaßen mochte, so vertiefen sie doch die Atmosphäre des jeweiligen Märchens. Besonders gefielen mir die kleinen Zeichnungen über den Kapitelanfängen – vor allem die von der Eule Zabina, die einfach bezaubernd zerzaust aussieht. Aber auch die Ballszene mit den vielen unterschiedlichen Kleidungsstilen fand ich wunderbar, gerade weil Rumaysa dort mit ihrem Hijab so gut hineinpasst. Insgesamt fand ich die Illustrationen zwar nicht ganz so umwerfend wie die von Lydia Corry in „Eight Princesses and a Magic Mirror“ (was auch daran liegt, dass ihnen die Farbigkeit fehlt), aber sie haben definitiv zur märchenhaften Atmosphäre von „Rumaysa“ beigetragen.

3 Kommentare

  1. Klingt nach einer interessanten Variante altbekannter Märchen. Das Cover ist ja auch sehr hübsch, wie ich gerade festgestellt habe.

    • Konstanze

      Ich habe es sehr genossen all diese kleinen Elemente, die die Märchen facettenreicher gestaltet haben, zu entdecken. Das Cover und die Innenillustrationen haben einen sehr ähnlichen Stil (auch wenn es zwei verschiedene Künstlerinnen sind), nur sind die Zeichnungen im Buch leider in Grauschattierungen gedruckt, was ihnen ein bisschen den Zauber nimmt, den das Cover ausstrahlt.

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