„Heroine Worship“ ist der zweite Teil der Heroine-Complex-Romane von Sarah Kuhn und die Geschichte wird dieses Mal nicht von Evie Tanaka, sondern von ihrer besten Freundin und Superheldin Aveda Jupiter erzählt. Nachdem man die Figur im ersten Band aus der Perspektive ihrer Assistentin Evie kennengelernt hat, ist es auf der einen Seite zwar interessant, Aveda besser kennenzulernen, auf der anderen Seite fand ich ihre Sicht und ihre Handlungsweise aber sehr oft unglaublich anstrengend und fast schmerzhaft zu verfolgen. Um Aveda zu verstehen, muss man mit Annie Chang beginnen. Annie Chang war ein kleines chinesisches Mädchen, das nie gut genug war, um seine Mutter zufriedenzustellen oder gar stolz zu machen, das aber eines Tages feststellte, dass es zumindest in der Lage ist, seine japanische Mitschülerin Evie vor den anderen Schülern zu beschützen. Egal wie einsam sich Annie fühlte, egal wie viel Angst sie hatte und wie oft sie ausgelacht oder verletzt wurde, sie hat seit Grundschulzeiten alles getan, um Evie und andere Menschen in Not zu beschützen.
Das Ganze führte so weit, dass sie sich im Laufe der Zeit in Aveda Jupiter verwandelte. Aveda ist eine strahlende Superheldin, die jahrelang San Francisco vor Dämonen beschützt hat. Um ihre Mission erfüllen zu können, hat sie sich auf ihre Sportlichkeit und ihren unbeugsamen Willen verlassen müssen, denn mit ihren Superheldenkräften ist es nicht sehr weit her. Doch nach den Ereignissen in „Heroine Complex“ fühlt Aveda sich überflüssig. Evie, die nun ihre Co-Heldin ist, verfügt nicht nur über die deutlich cooleren Superheldenfähigkeiten, sie ist auch dank ihres nachgiebigen und freundlichen Charakters deutlich beliebter als Aveda es je sein wird. Außerdem gibt es anscheinend keine weiteren Dämonen mehr zu bekämpfen, so dass San Francisco eigentlich keine Superheldinnen mehr benötigt. Dazu kommt noch, dass Aveda bewusst ist, dass sie in den letzten Jahren nicht gerade freundschaftlich mit Evie umgegangen ist, obwohl diese ihr wirklich am Herzen liegt, und nun ist sie wild entschlossen, zur besten „besten Freundin“ zu werden, die es je gegeben hat. Die Gelegenheit, zu beweisen, was für eine gute Freundin sie ist, scheint sich zu ergeben, als Evie sich verlobt und Aveda bittet, ihre Trauzeugin zu sein.
Ich finde es sehr schön, davon zu lesen, wie viel sich die beiden Frauen gegenseitig bedeuten. Auf der anderen Seite war es schrecklich, Avedas Gedanken und Pläne zu verfolgen, da sie wirklich nicht sehr gut darin ist, auf andere einzugehen und die Wünsche anderer Menschen zu respektieren. Sie will immer das Beste für ihre Freunde und erreicht damit nur, dass sie sie schrecklich verletzt. Es dauert sehr lange, bis Aveda kapiert, dass ihre Freunde die Seite ihrer Persönlichkeit, die sie immer zu unterdrücken sucht, viel lieber mögen, als die unzerstörbare Superheldin, die sie versucht zu sein. Obwohl natürlich beide Seiten jeweils nur eine Facette einer komplizierten Persönlichkeit sind, kann Aveda nur ihre „Annie Chang“-Schwächen und ihre „Aveda Jupiter“-Stärken wahrnehmen. Nachdem sie sich schon seit so vielen Jahren bemüht, all ihre Annie-Chang-Eigenschaften auszumerzen, ist es kein Wunder, dass sie keinerlei Gespür mehr dafür hat, was sie eigentlich will und wie man mit anderen Menschen kommuniziert, vor allem, wenn letzteres bedeuten würde, dass sie zugeben muss, dass sie einsam ist und sich hilflos und verloren fühlt.
Avedas „Hurricane“-Persönlichkeit ist wirklich schwierig zu ertragen, vor allem, wenn man aus dieser Perspektive ein ganzes Buch liest. Ich gebe zu, dass es mir deutlich leichter gefallen ist, „Heroine Complex“ zu lesen, da Evie zwar nur wenig Rückgrat besitzt, aber einen deutlich liebenswerteren Charakter hat als Aveda. Was mich bei „Heroine Worship“ dann bei der Stange gehalten hat, waren zwei Dinge: Einmal hat mir Aveda unglaublich leid getan, weil sie sich so verloren fühlte und keine Ahnung hatte, wie sie nach all den Jahren, in denen sie eine wichtige Mission hatte, nun ohne diese Aufgabe leben soll. Außerdem fühlte sich Aveda zwar allein, verletzt und missverstanden, aber das hat nicht dafür gesorgt, dass sie nun ihrerseits andere verletzten wollte, sondern sie hat weiterhin alles gegeben, um sich um die Menschen in ihrer Umgebung zu kümmern. Dass sie dabei immer zu genau den falschen Mitteln gegriffen hat, hat es für mich zwar anstrengend gemacht, aber ich fand es trotzdem bewundernswert, wie sie – im Rahmen ihrer gestörten Persönlichkeit – versuchte, weiterhin ihren Idealen nachzukommen und das „Richtige“ zu tun.
Am Ende kann ich sagen, dass ich den Roman gemocht habe, und das trotz der anstrengenden Protagonistin und der Tatsache, dass sich sehr viele Passagen des Buches um genau die Art von Hochzeit drehen, mit der ich überhaupt nichts anfangen kann. Ich finde es mutig, dass Sarah Kuhn für den zweiten Band der Reihe Aveda als Protagonistin gewählt hat, obwohl sie von so vielen Lesern nach dem ersten Band gehasst wurde, und ich finde es bewundernswert, wie die Autorin gezeigt hat, wieso Aveda sich zu einer so anstrengenden Persönlichkeit entwickelt hat und dass sich sehr viele Eigenschaften von „Aveda Jupiter“ nur entwickelt haben, weil Annie Chang in der Vergangenheit so oft verletzt wurde und mit so vielen Ängsten zu kämpfen hatte – und auch, weil ihre Freunde mit ihren eigenen Problemen dafür gesorgt haben, dass sie ihre verletzlichere Seite nicht ausleben konnte. Angeblich wird es noch einen weiteren Band in der Reihe geben, und ich bin jetzt schon gespannt, aus welcher Sicht die Geschichte dann erzählt wird.
[…] Sarah Kuhn: Heroine Worship (Heroine Complex 2) […]