Seanan McGuire: Dusk or Dark or Dawn or Day

Seanan McGuires neuste Veröffentlichung „Dusk or Dark or Dawn or Day“ ist wie „Sparrow Hill Road“ eine Geistergeschichte, spielt aber in einer Welt, wo die Geister ganz anderen Gesetzen unterliegen als Rose es als Hitchhiker-Ghost tat. Ich muss gestehen, dass ich dieses Mal sehr lange überlegt habe, ob ich mir wirklich das Taschenbuch zulegen soll, denn das Preis-/Leistungsverhältnis (gerade dann, wenn man es mit dem eBook-Preis vergleicht) ist schon recht unausgewogen bei 183 Seiten für 15 Euro. Aber nachdem ich die Leseprobe gelesen hatte, musste ich die Geschichte dann doch in einer „greifbaren“ Ausgabe haben. In „Dusk or Dark or Dawn or Day“ kann man verfolgen, wie Jenna – die vor 43 Jahren gestorben ist – versucht herauszufinden, was es mit den von einem Tag auf den anderen verschwundenen Geistern New Yorks auf sich hat. Es ist bei einer so kurzen Geschichte schwierig etwas über den Inhalt zu sagen, ohne dabei zu viel über die Handlung zu verraten, deshalb belasse ich es bei dem Satz mit den verschwundenen Geistern.

Besonders spannend fand ich die Regeln, die Seanan McGuire für ihre Geister in dieser Geschichte entworfen hat. So kann man davon ausgehen, dass sehr, sehr viele Menschen zu früh sterben (auch wenn niemand weiß, wie überhaupt festgelegt wird, was zu „früh“ ist) und als Geister dann „Lebenszeit“ nachholen müssen, bis sie endgültig weitergehen können. Wobei niemand weiß, was mit ihnen passiert, wenn der Tag kommt, an dem sie endgültig sterben. Da Geister nicht von sich aus altern, müssen sie diese „Lebenszeit“ von den noch Lebenden nehmen. Was nicht bedeutet, dass diejenigen, denen „Lebenszeit“ genommen wurde, früher altern, sondern sie bleiben im Gegenteil länger jung. Natürlich gibt es Personen, die herausgefunden haben, dass man Geister im Prinzip als Jungbrunnen benutzen kann, und die dieses Wissen missbrauchen. Vor allem vor Hexen müssen Geister auf der Hut sein, denn bei diesen hat ein Geist keine Kontrolle darüber, ob er Lebenszeit gibt oder nimmt, während er bei „normalen“ Menschen derjenige ist, der das Geben und Nehmen von Zeit kontrolliert.

Jenna fühlt sich nicht wohl damit, wenn sie ungefragt Lebenszeit von Menschen nimmt, und hat deshalb für sich ein System gefunden, mit dem sie sich dieses gestohlene Altern verdienen kann. Ihre Ansichten zu ihrem Dasein als Geist fand ich ebenso spannend wie die wenigen anderen Geister, die man als Leser der Geschichte kennenlernt. Dabei reißt Seanan McGuire die verschiedenen Figuren und ihr jeweiliges Schicksal nur soweit an, dass man eine Vorstellung von dem Charakter bekommt und Sympathie für ihn entwickeln kann. Überhaupt ist die Geschichte sehr begrenzt – sowohl vom Zeitrahmen her als auch von der Handlungsentwicklung her -, aber ich habe es geliebt all die kleinen atmosphärischen Momente mitzuerleben, in denen es um Familie, um Freundschaft, um Heimat und um den Versuch ging, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben.

Vielleicht wäre es noch befriedigender gewesen Jennas Weg zu verfolgen, wenn die Geschichte doppelt so lang gewesen wäre und mehr Raum für all die magischen und absonderlichen Elemente geboten hätte. Aber ich mochte den Roman so wie er ist. Und ich fand es toll, wie all die kleinen Andeutungen und Aussagen zu den Hexen, zu den Regeln der Geister und vielen anderen Dingen meine Fantasie beim Lesen befeuert hat und brauchte eigentlich nicht mehr Details zu all den ungewöhnlichen Ideen, die in „Dusk or Dark or Dawn or Day“ von der Autorin verwendet wurden. Ich mag es, wie jede (Geister-)Geschichte von Seanan McGuire so viele weitere Schichten zu beinhalten scheint. Hätte ich die Fähigkeit Geschichten zu erzählen, dann könnte allein schon dieser dünne Roman Inspiration für ganz viele neue (eigenständige) Erzählungen bieten.

Wer nun vielleicht Lust auf die Geschichte hat und kein solches Seanan-McGuire-Fangirl ist wie ich, sollte wohl eher nach dem eBook (je nach Format kostet das gerade zwischen 1,60 und 2,60 Euro) schauen.

2 Kommentare

  1. Der Titel ist ja toll! 🙂 Auch inhaltlich klingt es interessant, auch wenn ich etwas skeptisch bin, da mich ja die Autorin mit "Indexing" nicht so ganz überzeugen konnte.

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