Seanan McGuire: Winterfluch (October Daye 1)

Wieder ist Kiya Schuld daran, dass ich zu einem Buch gegriffen habe. Denn ihr Beitrag zu „Rosemary and Rue“ sorgte dafür, dass ich auch endlich mal meine Ausgabe von „Winterfluch“ aus dem SuB zog. Den Roman hatte ich vor über 1 ½ Jahren beim read-a-thon gewonnen und obwohl ich Lust auf die Geschichte hatte, ging sie neben all den anderen Urban-Fantasy-Titeln, die irgendwie dringender zu lesen waren, etwas unter. Ich muss gestehen, dass ich inzwischen sogar vergessen hatte, wie das Buch überhaupt auf meinem SuB gelandet war. Umso schöner ist es, dass ich es jetzt endlich gelesen habe.

„Winterfluch“ ist der erste Teil einer Reihe um October Daye, die in Deutschland leider nicht weiter fortgesetzt wird – allerdings gefallen mir die englischen Cover auch deutlich besser und preislich sind die auch wesentlich erschwinglicher. October (Toby) Daye ist ein Wechselbalg, die Tochter eines Menschenmannes und einer Fae-Braut, und bestreitet ihren Lebensunterhalt als Privatdetektivin. Dabei arbeitet sie auch regelmäßig für die übernatürliche Gemeinde von San Francisco, bis sie eines Tages (im Jahr 1995) bei einer Beschattung von einem mächtigen Fae verzaubert wird.

Vierzehn Jahre vergehen bis Toby den Bann abschütteln kann und in der Zwischenzeit ist in der Welt eine Menge passiert, was die junge Frau nicht so schnell aufholen kann. Während sie sich vor ihren früheren Freunden versteckt und nichts mehr mit den anderen Wechselbälgern oder den Fae zu tun haben will, wird eine alte Bekannte von ihr angegriffen und ermordet. Abgesehen davon, dass Toby durch den Tod der Fürstin Winterrose erschüttert ist und sowieso alles in ihrer Macht stehende getan hätte, um die Hintergründe aufzudecken, zwingt sie auch noch der Todesfluch der Fae zum ermitteln. Denn wenn Toby nicht herausfindet, wer Winterrose umgebracht hat, wird auch sie sterben.

Alles in allem ist die Grundidee von „Winterfluch“ nicht neu. Ich habe in den letzten Jahren so einige Romane mit ähnlichen Figuren und Handlungssträngen gelesen und auch Kiyas Verweis auf die Dresden-Files-Geschichten ist nicht von der Hand zu weisen. Außerdem hatte ich nach mehr als der Hälfte des Buches das Gefühl, dass Toby zwar ständig quer durch San Francisco fährt und Leute aufsucht, aber eigentlich nichts passiert. Dass sie dazu durch das etwas komplizierte Fae-Protokoll gezwungen wird, gibt allerdings eine recht gute Erklärung dafür ab.

Außerdem bietet dies Seanan McGuire die Möglichkeit dem Leser eine ausführliche Einblick in ihre fantastische Welt zu geben. Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass October eigentlich eine besonders gute Privatdetektivin sein soll – so hat sie sich sogar die Ritterwürde verdient – sich aber nicht dementsprechend verhält, aber vielleicht ist das auch eine Folge der 14 – etwas fischigen – Jahre unter dem Bann. Ich bin mir sicher, dass ein solches Leben den Verstand deutlich beeinträchtigt. 😉

Trotz all dieser Kritikpunkte hat mir der Roman gut gefallen. Ich mag die Komplexität von Seanan McGuires fantastischem San Francisco, die stimmige Umsetzung alter (irischer) Märchenelemente und die vielen kleinen Szenen, in denen einem die Charaktere nähere kommen. Dabei fällt mir mal wieder auf, wie oft ich beim Lesen eines Buches die Hauptfigur gern schütteln würde, damit sie etwas vernünftiger agiert (wobei ich Toby schon mochte), und wie oft mir vor allem die Nebenfiguren ans Herz wachsen und dafür sorgen, dass ich gern noch mehr Bände dieser Reihe lesen möchte.

Auch hat es mir gefallen, dass die Autorin geradezu beiläufig auch andere Sagenelemente ins Spiel gebracht hat, so konzentriert sie sich zwar sehr auf die keltische Mythologie, lässt aber auch eine japanische Kitsune auftauchen. Und manche Szenen sind so anrührend geschrieben, dass ich am Ende sogar ein paar Tränen in den Augen hatte (und das lag bestimmt nicht daran, dass ich morgens um halb zwei etwas übermüdet war). Insgesamt gesehen ist „Winterfluch“ für mich auf jede Fall ein vielversprechender Serienauftakt, wenn auch mit der Hoffnung verbunden, dass die Autorin in Zukunft ein paar Längen weniger in ihre Geschichten einbaut.

Und zuletzt gibt es für Kiya noch ein paar Zitate, damit sie die Übersetzung von Tobys Illusionszauber mal anschauen kann:

„Frau Susi hat ein Boot, da kann sie überwintern. Doch warm ist’s darauf nicht, sie friert sich ab den – Hinterm Berg wohnen Zwerg’ in ihren Haus, aus die Maus.“ (S. 177/178 – der Zauber an der Mautstelle)

„Herzkönigin gern Torte backt, am Sommertag und splitternackt.“ (S. 64 – der Zauber vor Winterroses Gebäude) „Herzbube stiehlt die Torte, packt sie ohne Worte.“ (S. 65 – der Zauber vor Winterroses Wohnung)

Auf Englisch finde ich diese kleinen Sprüche dann doch netter …

Oh, und wenn man bei „Winterfluch“ den englischen Originaltitel „Rosemary and Rue“ im Hinterkopf behält, dann schließt sich auf den letzten Seiten sehr schön der Bogen zwischen Titel und Handlung.

14 Kommentare

  1. Ich bin ja an diesem Buch fast verzweifelt. Die Einleitung war toll, die Welt gefiel mir auch, aber Tobys unmotiviertes Rumgerenne und die vielen oft überflüssigen Infoschnippsel haben mich zu Tode gelangweilt.
    Ich überlege noch, ob ich es mit Band 2 noch versuche, aber andererseits gibt es zu viele interessante Bücher, um noch einmal etwas aufzunehmen, was mir vermutlich wieder nicht gefällt.

  2. So ein Zufall, gerade letzte Woche habe ich das Buch auf meine (endlose) Wunschliste gesetzt.
    Jetzt bin ich mir aber unsicher geworden, keltische Mythologie ist einfach nicht mein Fall.
    Hmm, ich lese irgendwann mal in eine Leseprobe rein und entscheide dann.

  3. Danke für die Übersetzungsbeispiele 🙂 Sieht gut gemeint aus, und ich erkenne auch das Original wieder – insofern Lob für den Übersetzer; aber die Melodie ist im Original dann doch schöner!

    Und die Kitsune ist tatsächlich erwähnenswert, hatte ich in meiner Rezension ganz unterschlagen. Die hat mir auch gefallen (kannst ja mal in "Das Königreich der Kitsune" von Nina Blazon reinschauen, wenn das Thema was für dich ist :-)).

    @nija: unmotiviert fand ich das Herumgerenne eigentlich weniger, ich fand aber, daß der Aufbau sich dabei zu sehr ähnelte. So was wie überflüssige Hintergrundschnipsel gibt es für mich aber, glaube ich, gar nicht 😉 Ich liebe phantasievollen Hintergrund, einer der Gründe, weshalb mir "Rosemary and Rue" doch ziemlich zugesagt hat.

  4. @nija: So schlimm fand ich das wirklich nicht, weil die Autorin die Charaktere interessant dargestellt hat und somit habe ich bei all den vielen kleinen Begegnungen nicht das Gefühl gehabt, dass das nun Zeitverschwendung ist. Ich habe nur irgendwann mein Buch angeguckt und mich gefragt, wann den nun die "richtige" Handlung losgeht, so viele Seiten waren das zu dem Zeitpunkt nicht mehr. 😉

    @Hermia: Es kommt ja nicht nur die keltische Mythologie zum Tragen, es ist schon ein "normales" Urban-Fantasy-Buch. Aber die Autorin hat das System der Höfe und sehr viele Figuren aus der keltischen Mythologie benutzt. Ich bin gespannt, zu welchem Schluss du nach der Leseprobe kommst. 🙂

    @Kiya: Gern geschehen. 🙂 Der Rhythmus hat mir bei den englischen Reimen auch deutlich besser gefallen.

    "Das Königreich der Kizune" war mir bislang noch gar nicht untergekommen. Ich halt das mal im Hinterkopf – einige Nina-Blazon-Bücher haben mir rech gut gefallen. 🙂

  5. Ah… schon wieder ein Roman, den ich auch auf meinem TuB habe (wie ein paar Dresden-Romane). Aber erst einmal sind die Bibliotheksbücher dran, also Bd. 2 u. 3 der Libri-Mortis-Reihe von Peter Schwindt und Teil 1, 2 u. 3 von Peter Abrahams Echo-Falls-Zyklus (ich muss nur noch die Reihenfolge nachschlagen *g*) 🙂

  6. ich empfand den ersten band recht fesselnd, wegen der hintergrundinformationen aber auch ziemlich dicht, weshalb ich den roman lustigerweise sowohl weglegen wollte (und es auch tat, um etwas anderes zu lesen) als auch weglegen konnte (da er intensiv genug war, um problemlos wieder hineinzukommen). das hin- und hergefahre ist mir übrigens nicht negativ aufgefallen.

  7. Sag mal, was machst du den gerade? Du scheinst zur Zeit ein Buch nach dem anderen zu verschlingen! 😀

    Vielleicht ist dir das Hin- und Hergefahre nicht so negativ aufgefallen, weil du immer wieder unterbrochen hast. Ich hatte das Buch in einem Zug gelesen, da springt so etwas immer mehr ins Auge. 🙂

    Wenn ich mir jetzt meine Rezi zum erste Buch so angucke, dann wird mir wieder bewusst, dass die Reihe wirklich immer besser wird. 🙂 Nur gut, dass ich heute morgen den fünften Band bestellt habe, damit ich im Juni damit (erst einmal, den im September soll der sechste Teil rauskommen) abschließen kann. 😀

  8. 😉 Ich habe in letzter Zeit einige Bücher nebeneinander gelesen: So z.B. nebenher "Die Alchimistin" – letzteres pausiert gerade etwas, bis meine Mitleserin "mein" Kapitel erreicht hat – und Winterfluch bzw. daneben halt "Evies Garten" und "Nasenduscher" auf dem tablet.

    Hm, das klingt danach, als sollte ich die Reihe gelegentlich fortsetzen 😉

  9. Du nimmst dir wohl ein Beispiel an Kiya! 😀

    Du könntest die Reihe auf Englisch weiterlesen, ich kenn da jemand, der könnte dir die Bücher leihen … 😉

  10. Na, wer das wohl sein mag *g*

    Eigentlich waren es maximal drei Bücher nebenher: Alchimistin auf tablet, Winterfluch – weil sich ein Buch in der Sonne besser liest – und als ich eine Pause vom Winterfluch brauchte u. bei Alchimistin etwas warten musste, habe ich bei skoobe u.a. Evies Garten entdeckt. Und Dein Tweet hatte mich neugierig gemacht 🙂

  11. 😀

    Na gut, damit kommst du an Kiya noch nicht dran, aber eine Tendenz ist schon vorhanden! 😀

    Ach, mein Tweet hat dich neugierig gemacht? Guck mal an … 😉

  12. ja dein tweet 🙂 und du hast recht, das englische cover ist schöner (obwohl das deutsche auch nett ist)

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