Da ich die märchenhaften Geschichten von T. Kingfisher (Ursula Vernon) so sehr mag, musste ich mir natürlich auch ihre neueste Veröffentlichung in diesem Bereich besorgen. „Thornhedge“ ist mit gerade mal 123 Seiten ein wirklich schmales Büchlein, aber die Geschichte ist so bezaubernd (und ich mag das dunkle Cover mit dem Turm so gern), dass ich froh bin, dass ich mir die Hardcover-Ausgabe gegönnt habe. „Thornhedge“ basiert auf „Dornröschen“, doch T. Kingfisher erzählt nicht die Geschichte einer verwunschenen Prinzessin, sondern konzentriert sich in ihrer Erzählung auf das Schicksal von Toadling.
Toadling ist eine Figur, die in einem klassischen Grimmschen Märchen die böse Fee wäre. Nur dass Toadling ganz und gar nicht böse ist, sondern eine liebenswerte Person, die zufälligerweise von Monstern aufgezogen wurde. Toadling wäre vollkommen zufrieden damit gewesen, den Rest ihres Lebens bei genau diesen Monstern zu bleiben, doch dann wurde sie von der hare goddess auserwählt, um Unrecht wiedergutzumachen. Doch trotz der Ausbildung, die Toadling für ihren Auftrag erhält, läuft etwas schief, und so sieht sie sich gezwungen, eine verfluchte Prinzessin zu bewachen, damit diese nicht aufgeweckt wird. Viel mehr möchte ich eigentlich gar nicht über den Inhalt verraten, weil es schöner ist, all die Hintergründe beim Lesen selbst zu entdecken. Aber natürlich kommt an einem Punkt der Handlung ein Ritter ins Spiel, der die verfluchte Prinzessin retten will, und den Toadling dann von seiner Mission abhalten muss.
Was ich wirklich auffällig fand, als die ersten Rezensionen zu „Thornhedge“ veröffentlicht wurden, war, dass wirklich alle betonten, was für eine süße Geschichte das sei. Und dann las ich das Nachwort der Autorin, in dem sie darüber schrieb, dass sie denkt, dass sie mit diesem Titel ein sweet book geschrieben hat, aber ihr von allen Seiten gesagt wurde, dass es nicht sweet ist, wenn in einer Geschichte kinderfressende Monster oder die Wiederbelebung von Toten vorkommen würde. Aber ich fürchte, dass T. Kingfisher recht hat: „Thornhedge“ ist trotz all dieser schrecklichen Dinge und trotz der traurigen Sachen, die Toadling widerfahren, eine wirklich süße Geschichte, und das liegt auf der einen Seite an der großartigen Protagonistin und auf der anderen Seite an den (wenigen) Personen, zu denen sie entgegen jeder Wahrscheinlichkeit Beziehungen aufbaut.
Toadling ist keine strahlende Heldin. Sie ist häufig unsicher, aber sie ist aufmerksam und hilfsbereit und versucht immer, alles richtig zu machen – was oft genug dazu führt, dass etwas erst recht schiefläuft. Außerdem ist Toadling über einen erschreckend langen Zeitraum in der Geschichte sehr einsam, was es umso schöner (und überraschend amüsant) macht, als sie dann jemanden findet, mit dem sie reden und dem sie von ihrem Leben erzählen kann. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, was „Thornhedge“ für mich so wunderbar gemacht hat, wenn ich so wenig über den Inhalt verraten kann, aber ich kann sagen, dass dieses schmale Büchlein eine wunderbare Protagonistin, herzerwärmende Szenen und (wie so oft bei T. Kingfishers Geschichten) eine ungewöhnliche und recht düstere Sicht auf klassische Märchenelemente mit sich bringt.