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Jonna Gjevre: Arcanos Unraveled

Wenn ich überlege, dass ich früher nie einen Blick auf die Cover der Bücher geworfen habe, die ich gekauft habe, dann habe ich in letzter Zeit doch erstaunlich viele „Coverkäufe“ unter meinen Neuzugängen. Auch bei „Arcanos Unraveled“ von Jonna Gjevre wurde ich durch das Cover von Kathleen Jennings (deren Designs auch alle Mund-Nasen-Schutzmasken schmücken, die ich besitze) auf den Roman aufmerksam und fand dann den Klappentext reizvoll genug, um mir das Buch recht spontan zu kaufen, obwohl ich von der Autorin vorher noch nichts gehört hatte. Die Geschichte spielt zu heutiger Zeit in Madison (Wisconsin), auch wenn man davon am Anfang kaum etwas merkt, da die Protagonistin Anya Winter in einer magischen Parallelgesellschaft lebt, die jeglichen Kontakt mit magielosen Personen meidet.

Anya ist eine Heckenhexe (und somit eine „minderwertige Magiekundige“) und hat zu Beginn des Jahres mit viel Glück eine Vertretungsstelle als Dozentin für textile Zauberei in der magischen Universität Arcanos Hall bekommen, obwohl sie selbst keinerlei Studienabschlüsse vorweisen kann. Da die magische Gesellschaft durch Kontakt mit nichtmagischen Technologien wie Smartphones, PCs und Ähnlichem ihre Magie verliert, gibt es keinerlei Austausch zwischen den beiden Welten, und so hat sich diese Parallelgesellschaft ein eher mittelalterlich anmutendes System erhalten, inklusive Königen, die gegeneinander um die Herrschaft der (magischen) Welt Krieg führen. So ist es auch kein Wunder, dass sich unter Anyas Studenten vor allem Adelige befinden, wenn man von einigen wenigen Stipendiaten absieht, und dass Anya selbst es nicht einfach hat, sich in der akademischen Welt zu behaupten.

Trotzdem liebt sie Arcanos Halls sehr und hat das Gefühl, endlich ein Zuhause gefunden zu haben, bis ihr innerhalb kürzester Zeit all die Dinge, die sie in den vergangen Monaten erreicht hat, genommen werden. Der magische Schutzschirm der Universität wird zerstört, und irgendwie gelingt es ihrem ehemaligen Liebhaber Professor Ruskin, die Schuld dafür auf Anya zu schieben. Gleichzeitig macht Anya sich (begründete) Sorgen, weil sie gerade erst ihrer Studentin Prinzessin Elena helfen musste, die Leiche eines unbekannten Mannes zu beseitigen. Da Anya nicht nur eine Heckenhexe, sondern ihr Vater auch ein magieloser Physiker ist, scheint sie den perfekten Sündenbock für die Person abzugeben, die hinter all den Vorfällen rund um die Universität steckt, weshalb Anya nichts anderes übrig bleibt, als mit der Hilfe Prinzessin Elenas und eines mysteriösen Computer-Programmierers herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist.

Ich habe ein wenig Zeit gebraucht, um mich in der magischen Gesellschaft von „Arcanos Unraveled“ zurechtzufinden, aber als ich mich erst einmal reingefunden hatte, mochte ich die Geschichte sehr gern. Jonna Gjevre hat sympathische und realistische Charaktere geschaffen, und auch wenn der Konflikt zwischen „Zauberern“ und „Heckenhexen“ nicht neu ist, so hat sie diesen Teil nicht nur gut und stimmig in ihre Welt eingebaut, sondern auch für einige wichtige Handlungselemente rund um Anya und ihre Verbündeten genutzt. An Anyas Erzählstimme musste ich mich etwas gewöhnen, denn für sie verwendet die Autorin ein Stilelement, das ich normalerweise nicht so gerne mag, und das ist der bewusste Widerspruch zwischen dem, was die Protagonistin denkt, was das richtige Handeln wäre, und ihrem tatsächlichen Handeln. Aber da Anya nicht mit ihren „Fehlern“ dem Leser gegenüber kokettiert, sondern diesen Widerspruch entweder selbst irritiert beobachtet oder einem eine gute Begründung gibt (häufig in der Form ihres Vaters, dessen Paranoia als „Aluhut-Träger“ ihre Kindheit sehr geprägt hat), konnte ich in diesem Fall gut damit leben.

Statt mich also immer wieder daran aufzuhängen, dass Anya Dinge tut, die auf den ersten Blick etwas irrational erscheinen, habe ich mich über die diversen Schwierigkeiten amüsiert, in denen sich die Protagonistin wiederfand. Außerdem habe ich diverse Charaktere sehr ins Herz geschlossen und würde wirklich gern mehr über sie erfahren – so wie die Stipendiatin Bertha Bratsch oder die alte Textil-Heckenhexe Madame Olann. Überhaupt ist die Textilmagie in diesem Roman wunderbar beschrieben, von der Verarbeitung der Fasern bis hin zum Stricken oder Häkeln komplizierter Muster. Nichts davon ist so ausführlich oder speziell beschrieben, dass man Erfahrung im Handarbeiten haben muss, um das zu lesen, aber jede Seite zeugt davon, dass in dieser Welt so viele Dinge darauf basieren, dass jemand Fasern mit einfachen Werkzeugen so verarbeitet, dass Magie entsteht. Ich mochte es sehr, dass all die fliegenden Teppiche, Unsichtbarkeitsmäntel usw. in dieser Geschichte nicht einfach nur da sind, sondern sich die Autorin viele Gedanken über die Herstellung und die Rolle dieser Objekte in ihrer Welt gemacht hat. Insgesamt hat mir „Arcanons Unraveled“ so viel Spaß beim Lesen bereitet, dass ich auch noch den Debütroman der Autorin („Requiem in La Paz“) auf meinen Merkzettel gesetzt habe.