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Sophie Anderson: The Castle of Tangled Magic

Die Bücher von Sophie Anderson mag ich so gern, dass ich sie mir etwas aufhebe, um die Vorfreude noch etwas länger genießen zu können. Nachdem aber für März schon die nächste Veröffentlichung der Autorin angekündigt wurde, dachte ich, dass es so langsam Zeit wird, „The Castle of Tangled Magic“ zu lesen. Die Geschichte wird aus der Sicht von Olia (kurz für Magnolia) erzählt, die gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihrer kleinen Schwester Rosa in einem sehr alten, hölzernen Schloss lebt. Das Schloss Mila wurde vor 500 Jahren von Olias Vorfahren gebaut, als diese noch Könige waren, und obwohl Olias Familie nicht mehr adlig ist, leben sie noch immer in dem Gebäude und tun alles, um ihr Erbe zu erhalten. Für Olia ist Schloss Mila das schönste Zuhause, das sie sich vorstellen kann.

Doch kurz bevor das Herbstfest im Schloss gefeiert werden soll, gibt es einen heftigen Sturm, der die größte Kuppel des Schlosses zerstört, und schnell steht fest, dass das gesamte Gebäude von den auf den Sturm folgenden heftigen Winden bedroht wird. Und Olias Babusya, die schon immer behauptet hat, dass es Naturgeister und andere magische Wesen gibt, ist sich sicher, dass einzig Olia mit der Hilfe des domovoi Feliks das Schloss retten kann. Zu ihrer großen Überraschung entdeckt Olia, dass ihre Großmutter recht hat, dass Magie wirklich existiert und dass Feliks auch schon eine Idee hat, wie sie das Schloss retten kann. Doch so wunderbar diese Entdeckungen auch sind, so drängt doch die Zeit, und dabei ist sich Olia so gar nicht sicher, dass sie die richtige Person ist, um Schloss Mila und all die anderen Wesen, die mit dem Gebäude zusammenhängen, retten zu können.

Ich habe auch diese Geschichte von Sophie Anderson sehr genossen, und es war einfach perfekt, dass ich das Buch zu einer Zeit aus dem Regal gezogen habe, in der es bei uns sehr stürmisch war, weil das für die passende Umgebung beim Lesen sorgte. Ich hatte so viel Freude dabei, das Schloss Mila kennenzulernen und all die schönen Erinnerungen, die Olia an das Gebäude hat, zu teilen. Mir gefiel die Vorstellung so sehr, dass die Protagonistin in einem hölzernen Schloss lebt, in dem ihre Eltern in einem ehemaligen Ballsaal eine Schreinerei betreiben, wo es lauter noch unentdeckte Geheimtüren, -gänge und -treppen gibt und wo sich regelmäßig das ganze Dorf in der großen Halle versammelt, um besondere Anlässe zu feiern. Es gibt noch so viele Räume voller überraschender Schätze zu entdecken, die Olias Vorfahren dort hinterlassen haben, und so viele magische kleine Ecken in dem Gebäude, die Olia noch nicht gefunden hat. So fiel es mir natürlich auch nicht schwer, beim Lesen Olias Angst um das Gebäude mitzufühlen und mit ihr zu bangen, ob sie einen Weg findet, um Schloss Mila zu retten.

Denn Olia ist nicht nur eine sympathische, sondern auch eine sehr ängstliche Protagonistin, und so macht sie, als sie gemeinsam mit Feliks unterwegs ist, auch recht viele Fehler, weil sie fürchtet, dass sie die falsche Entscheidungen treffen könnte. Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen immer wieder an Sophie Andersons erstes Buch, „The House With Chicken Legs“ denken musste, wo ich mit der Protagonistin nicht so ganz glücklich war, weil sie sich für meinen Geschmack nicht schnell genug weiterentwickelte. Aber während Marika in „The House With Chicken Legs“ so viele Fehler machte, weil sie nur an sich dachte, macht Olia ihre Fehler, weil sie sich zu viele Gedanken um ihre Familie, ihre Freunde und die Rettung von Schloss Mila macht. Was dazu führte, dass mir Olia mit all ihren Ängsten und Befürchtungen leid tat und ich jeden kleinen Fortschritt und jeden neuen Freund, den sie auf ihrer Reise fand, innerlich bejubelte.

Neben dem wunderbar beschriebenen Schloss und der liebevollen Familie von Olia besticht „The Castle of Tangled Magic“ auch noch durch all die osteuropäischen Fabelwesen, die die Autorin in ihre Geschichte eingebaut hat. Nicht nur der bezaubernde domovoi Feliks spielt eine große Rolle bei Olias Rettungsmission, sondern auch noch so viele andere Figuren, die alle ihre kleinen Eigenarten haben. Ich habe es sehr genossen, gemeinsam mit Olia die verschiedenen Charaktere kennenzulernen und mit jedem Schritt im Land der Verbotenen Magie über ein neues fantastisches Wesen zu stolpern (oder gar an einer unerwarteten Stelle auf ein Haus mit Hühnerbeinen zu stoßen – ich mag diese kleinen Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Veröffentlichungen von Sophie Anderson). Mit „The Castle of Tangled Magic“ ist es der Autorin erneut gelungen, eine bezaubernde Geschichte mit liebenswerten Charakteren und wunderbaren fantastischen Elementen zu erzählen. Für mich sind die Romane von Sophie Anderson definitiv Wohlfühlbücher mit ganz besonderen märchenhaften Gesschichten, und ich freue mich schon darauf, bald ihre nächste Veröffentlichung in den Händen zu halten.

Sophie Anderson: The Girl Who Speaks Bear

„The Girl Who Speaks Bear“ ist Sophie Andersons zweite Veröffentlichung nach „The House with Chicken Legs“, und auch hier greift die Autorin Elemente aus russischen Märchen und Legenden auf und verflicht sie zu einer ganz eigenen Geschichte. Der Roman ist unabhängig von „The House with Chicken Legs“ zu lesen, auch wenn eine Nebenfigur (die dort nur einen sehr, sehr kurzen Auftritt hatte) von der Autorin noch einmal aufgegriffen wird. Erzählt wird „The Girl Who Speaks Bear“ von der zwölfjährigen Yanka, die von den Bewohnern des kleinen Dorfes, in dem sie lebt, nur „Yanka the Bear“ genannt wird. Dabei wissen die meisten ihrer Nachbarn nicht einmal, dass ihre Pflegemutter Mamochka Yanka als zweijähriges Kind ganz allein – neben einer von einer alten Bärin bewohnten Höhle – im Wald gefunden hatte.

So sehr Yanka ihre Pflegemutter liebt und so wohl sie sich mit ihrem besten Freund Sasha fühlt, so hat sie doch das Gefühl, dass sie nicht wirklich zu den Dorfbewohnern gehört. Und natürlich fragt sie sich seit Jahren, wo wohl ihre leiblichen Eltern geblieben sind, wieso sie allein im Wald gefunden wurden und wieso sich der „Snow Forest“ anfühlt, als ob er sie rufen würde. Als Yanka dann beim jährlichen Festival etwas Ungewöhnliches zustößt, beschließt sie, dass es Zeit wird, in den Wald aufzubrechen und mehr über ihrer Vergangenheit herauszufinden. Doch der Snow Forest birgt nicht nur das Geheimnis rund um Yankas Herkunft, sondern auch viele Gefahren und Herausforderungen.

Ich fand es wunderbar zu lesen, wie Yanka trotz aller Ängste, die sie im Laufe der Geschichte durchstehen muss, immer versucht vorwärts zu gehen. Ihr Bedürfnis, mehr über ihre Geburtsfamilie zu erfahren, ist so groß, dass sie sich auch von Hindernissen nicht abschrecken lässt. Während ihrer Reise lernt sie so viel über sich selbst, aber auch darüber, was eine Familie wirklich ausmacht und dass man nicht perfekt sein muss, um seinen Platz in einer Gemeinschaft zu finden. Doch vor allem lernt Yanka so viele neue Geschichten über den Wald und seine Bewohner – und gleichzeitig auch über ihre eigene Vergangenheit.

Während ich bei „The House with Chicken Legs“ nicht immer so glücklich mit der Protagonistin war, habe ich „The Girl Who Speaks Bear“ rundum genossen. Yanka ist eine liebenswerte Person, die man gern bei ihrem Abenteuer begleitet, und auch die Figuren, die sie im Laufe ihrer Reise kennenlernt, habe ich auf Anhieb ins Herz geschlossen. Es gibt so viele berührende, amüsante, absurde und liebenswerte Szenen mit all den verschiedenen Charakteren, dass ich das Buch gar nicht aus der Hand legen wollte. Dazu kommt, dass die Autorin wunderbar atmosphärische Beschreibungen vom Leben im und am Rande des Walds in ihren Roman eingebaut hat. Außerdem durchzieht ein ganzes Geflecht aus Geschichten und Märchen Yankas Leben, das ich rundum genossen habe. Jede Figur hat etwas zu Yankas Leben beizutragen, auch wenn das nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird, und so bekommt man nach und nach erzählt, wie es dazu kam, dass das kleine Mädchen allein im Wald gefunden wurde, und welche Rolle es für die Zukunft des Snow Forest spielen wird.

Wer auch nur eine kleine Schwäche für märchenhafte Geschichten, für russische Folklore oder grundsätzlich für Erzählungen hat, in denen liebenswerte Charaktere und wunderbare Tierfiguren vorkommen, sollte sich „The Girl Who Speaks Bear“ auf keinen Fall entgehen lassen. Ich habe den Roman so sehr genossen, dass ich ihn am liebsten direkt nach dem Lesen noch einmal angefangen hätte, und ich bin mir sicher, dass ich spätestens zum Winterende noch einmal zu diesem Buch greifen werde. Für diejenigen, die nicht auf Englisch lesen mögen, gibt es mit „Das Mädchen und der flüsternde Wald“ im Januar 2021 eine deutsche Veröffentlichung beim Dressler Verlag, während ich jetzt darauf warte, dass mir der dritte Roman („The Castle of Tangled Magic“) der Autorin geliefert wird.

Sophie Anderson: The House with Chicken Legs

Nur selten ist es mir wichtig, welches Cover ich bei einem Buch in den Händen halte, aber bei „The House with Chicken Legs“ von Sophie Anderson wollte ich unbedingt die türkise Hardcover-Ausgabe, weil ich die Holzhütte mit den Hühnerbeinen, den Zaun mit den Totenköpfen und die Protagonistin auf der Veranda so ansprechend fand. Der Roman erzählt die Geschichte der dreizehnjährigen Marinka, die gemeinsam mit ihrer Großmutter in einem Haus mit Hühnerbeinen lebt. Ich habe mich schon auf den ersten Seiten in das Haus verliebt, das früher mit Marinka Fangen oder Verstecken gespielt hat, das alles tat, damit es seinen Bewohnerinnen gut geht, und dessen Füße nach einem langen Weg auch mal eine Abkühlung benötigten oder das in schlimmen Momenten Trost und Aufmunterung gebrauchen konnte.

Auch Marinkas Baba fand ich wunderbar, weil sie so liebevoll und fürsorglich war, obwohl das Mädchen es ihr oft nicht leicht gemacht hat. Mit Marinka hingegen hatte ich im Laufe der Handlung so einige Probleme und das nicht nur, weil ich definitiv kein Teenager mehr bin, sondern auch, weil Marinka regelmäßig Entscheidungen getroffen hat, von denen sie selbst wusste, dass sie falsch waren. Von Anfang an wird klar, dass Marinka mit dem einsamen Leben bei ihrer Großmutter nicht zufrieden ist. Sie will rausgehen, sie will andere Kinder kennenlernen, die Schule besuchen und nicht jede Nacht die Toten durch das magische Tor zu den Sternen geleiten. Das alles sind nachvollziehbare Bedürfnisse, doch statt mit ihrer Großmutter, die immer für sie da war, zu reden, beginnt sie sich in Lügen zu verstricken, gegen Regeln zu verstoßen, die nicht nur für das Überleben der Baba Yagas wichtig sind, und macht es mit jeder Entscheidung nur noch schlimmer.

Zum Glück entwickelt sich Marinka im Laufe der Geschichte weiter, und bis es endlich dazu kam, habe ich einfach diese wunderbare Variante einer Baba-Yaga-Geschichte genossen. Sophie Andersons Baba Yagas sind liebevolle Personen, die Nacht für Nacht die Seelen der Toten in ihr Haus einladen und ihr gelebtes Leben mit ihnen feiern, um sie am Ende der Nacht zu einem Tor zu geleiten, das die Seelen zu den Sternen bringt. So sind die Baba Yagas ein wichtiger Teil des Kreislaufs von Leben und Tod, wobei ihre Nähe zu den Geistern, die Magie ihres Hauses und all die Geheimnisse, die sie durch ihre Aufgabe hüten, dafür sorgen, das sie die Lebenden nicht zu nah an sich heranlassen dürfen. Und während Marinka sehr darunter leidet, dass ihre Großmutter die einzige Person ist, zu der sie eine Beziehung haben kann, scheint ihre Baba zufrieden damit zu sein, den Toten einen letzten schönen Moment zu bereiten, bevor ihre Reise weitergeht.

Es wird deutlich, dass jede Baba Yaga ihren eigenen Weg finden muss, wie sie mit ihrer Aufgabe und dem damit verbundenen einsamen Leben zurechtkommt, und ich muss zugeben, dass ich darüber gern noch mehr erfahren hätte. So hingegen habe ich vor allem Marinka dabei beobachtet, wie sie – mit vielen Umwegen und Problemen – herausfindet, wie sie das Leben in ihrem Haus mit Hühnerbeinen und all die Dinge, die sie gern tun würde, miteinander verbinden kann. Und auch wenn ich es nicht immer einfach fand, Marinka dabei zu begleiten, und regelmäßig das Bedürfnis hatte, sie zu schütteln, so mochte ich das Ende von „The House with Chicken Legs“ ebenso sehr wie all die Details zu den Baba Yagas und ihren Häusern, die Sophie Anderson sich für ihren Roman ausgedacht hat. Aber ich bin ja eh schnell für Geschichten zu begeistern, in denen solch großartige Häuser vorkommen, vor allem, wenn die Autorin drumherum auch noch eine so wunderbar ungewöhnliche Handlung rund Themen wie Verlust, Trauer, Familie, Freundschaft und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt gewoben hat.