So richtig schön begann unser Urlaub nicht, nachdem ich am Dienstag unterwegs so richtig heftig den Asphalt geküsst hatte. Ich weiß nicht, ob ich umgeknickt oder ausgerutscht bin oder ob mein Kreislauf mich angesichts eines schwül-regnerischen Tages im Stich gelassen hatte, auf jeden Fall fand ich mich bäuchlings auf der Straße wieder und hatte mir rechts Hand- und Fußgelenk sowie beide Knie angeschlagen. Glücklicherweise half eine Kombination aus Kühlakkus, Bandagen und Schmerzmitteln, mich so weit beweglich zu halten, dass ich trotzdem am nächsten Tag den ersten Film sehen konnte, aber so richtig fit bin ich auch drei Wochen nach dem Sturz noch immer nicht. Das Ganze hat dann dafür gesorgt, dass wir in der zweiten Urlaubswoche ein paar geplante Unternehmungen streichen mussten, was wirklich ärgerlich war, und auch in der vergangenen Woche habe ich alles weiterhin etwas langsamer angehen müssen.
Los ging das japanische Filmfest für mich dann am Mittwochabend mit „Marriage Hunting Beauty“. Da ein als „romantische Komödie“ angekündigter Film für meinen Mann nicht das richtige ist, war ich mit der ehemaligen Nachbarin im Kino. Die Geschichte drehte sich um Takako, die mit Anfang 30 auf einmal den Beschluss fasst, dass sie heiraten will. Dass diese ganze Idee aus einer allgemeinen Unzufriedenheit mit ihrem Leben heraus geboren wurde und von der Vorstellung genährt ist, dass ihre verheiratete Freundin doch viel zufriedener durchs Leben geht, ist von Anfang an unübersehbar. Lustig waren all die kleinen Begegnungen mit „potenziellen Heiratskandidaten“, die Takako über eine App gefunden hatte. Doch besonders hat mir gefallen, dass man Takako und ihre Freundin im Laufe des Films besser kennenlernt und beide merken, dass das Leben der anderen nicht so beneidenswert ist, wie sie immer gedacht haben, und dass es in ihrer eigenen Hand liegt, etwas an den Dingen zu ändern, die sie unzufrieden sein lassen. Ich mochte auch, dass Takako am Ende nicht verheiratet, aber (zumindest für den Moment) sehr zufrieden mit ihrem Leben war. Alles in allem war der Film weniger komisch oder romantisch, als nach der Inhaltsangabe und dem Trailer zu erwarten war, dafür waren die Charaktere wunderbar realistisch dargestellt, was den Film für mich umso sehenswerter gemacht hat.
Am nächsten Tag gab es den Film „Inuyashiki“ für meinen Mann und mich. „Inuyashiki“ ist die Verfilmung einer Mangareihe, die auf Deutsch unter dem Titel „Last Hero Inuyashiki“ veröffentlicht wurde. Zu Beginn lernt man Herrn Inuyashiki kennen. Er ist ein einfacher, zurückhaltender Büroangestellter, der weder bei der Arbeit noch in seiner Familie besonders geschätzt wird. Als Inuyashiki (sehr schön gespielt von Noritake Kinashi) eines Abends in den nahgelegenen Park geht, passiert dort ein seltsames Unglück, das dafür sorgt, dass er (ebenso wie der zum selben Zeitpunkt anwesender Schüler Shishigami) in einen Androiden verwandelt wird. Nach und nach entdeckt er seine neuen Fähigkeiten und setzt diese heimlich dazu ein, anderen Menschen beizustehen. Shishigami hingegen wird von seinen neuen Fähigkeiten (und einer erbarmungslosen Gesellschaft) dazu verführt, sich „unmenschlich“ zu verhalten, so dass es am Ende einen Kampf zwischen Inuyashiki und dem Schüler gibt. Das Ganze war nettes, amüsantes und actionreiches Popcorn-Kino und hat uns gut unterhalten – vor allem, da die Geschichte durch die filmische Umsetzung wirklich profitiert hat, denn der Manga selbst ist etwas langatmig und beinhaltet die eine oder andere Wendung zu viel, um wirklich überzeugen zu können.
Freitag ging es dann weiter mit „The Chaplain“ – ein wirklich großartiger Film, der uns sehr überrascht hat. Eigentlich sind wir nur in den Film gegangen, weil es der letzte Film des Schauspielers Ren Osugi war, bevor dieser im vergangenen Jahr gestorben ist. Die Geschichte dreht sich um einen Seelsorger in einem Gefängnis, in dem Menschen sitzen, die zum Tode verurteilt wurden. Der Regisseur und Drehbuchautor Dai Sako, der nach der Vorführung des Films zu einer Fragerunde zur Verfügung stand, meinte zwar, dass er den Film nicht gezielt als Kritik an der Todesstrafe, die in Japan immer noch üblich ist, gedreht habe, dass es ihm aber mit diesem Film gelungen sei, eine Diskussion in Japan auszulösen. Der ganze Film ist sehr Kammerspiel-artig gedreht, so gut wie alle Szenen finden in einem kleinen Raum statt, wo der Seelsorger (in Anwesenheit eines Wächters) mit den verschiedenen Gefangenen spricht. Das führt zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit den verschiedenen Figuren, vor allem, da die Darsteller ihre Sache wirklich großartig machen, was zum Teil umso erstaunlicher ist, weil die Hälfte von ihnen nicht einmal professionelle bzw. erfahrene Schauspieler waren. Überraschend war auch, wie viel Humor trotz des ernsten Themas in dem Film steckte. Ein sehr ruhiger und sehr eindringlicher Film, den ich theoretisch jedem ans Herz legen würde – dummerweise gibt es (noch?) keine DVD-Veröffentlichung. Wenn es noch dazu kommen sollte, wäre das definitiv ein Film, den ich mir anschaffen würde.
Am Samstag hat sich dann die ehemalige Nachbarin zusammen mit einer Freundin zu uns gesellt, um „Room Laundering“ zu sehen. In Japan muss ein Vermieter bzw. Makler potenzielle Interessenten darüber aufklären, wenn es in einer Wohnung schon einmal zu einem Todesfall gekommen ist. Um diesen „Makel“ von der Wohnung zu nehmen, gibt es Menschen, die sich aufs „Room Laundering“ spezialisiert haben und in diese Wohnungen ziehen. Die 20jährige Miko wird von ihrem Onkel Goro zum „Room Laundering“ benutzt, was angesichts der Tatsache, dass sie Geister sehen kann, eine besondere Herausforderung ist. Normalerweise lässt sie die Geister nicht spüren, dass sie sie sehen kann, doch im Laufe des Films gibt sie ihre Distanz gegenüber den Geistern auf und lässt sich von diesen sogar dazu überreden, den Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Die Geschichte war eine nette Mischung aus lustigen Momenten (mit den verschiedenen Geistern und dem halbkriminellen Onkel der Protagonistin) und Familiendrama rund um die verschwundene Mutter des Mädchen, aber stellenweise zog sich die Geschichte – gerade bei dem etwas zu vorhersehbaren Familliendrama – etwas hin. Trotzdem habe ich mich insgesamt gut unterhalten gefühlt und den Film gemocht.
Zum Abschluss haben wir am Sonntag dann – ebenfalls wieder in Begleitung der ehemaligen Nachbarin und ihrer Freundin – noch „Ramen Shop“ geschaut. Das war schon wieder ein Film mit Familiendrama, irgendwie hatten wir wohl in diesem Jahr ein Händchen dafür, obwohl das eigentlich nicht unser Thema ist. Bei „Ramen Shop“ begleitet man den jungen Koch Masato – nach dem plötzlichen Tod seines Vaters – auf der Suche nach der Familie seiner Mutter. Alles was Masato weiß, ist, dass seine Mutter aus Singapur stammte, wo er auch geboren wurde, und dass es zu einem Bruch mit ihrer chinesischstämmigen Familie kam, als sie Masatos japanischen Vater heiratete. Über das Kochen nähert sich Masato seiner Familiengeschichte an, was zu vielen wunderbaren Essensszenen führte, und man konnte vielen Erinnerungen an seine Kindheit und die Gerichte, die ihm seine Mutter gekocht hat, mitverfolgen. Die Verknüpfung von Essen und Familiengeschichte mochte ich, auch wenn es für mich das Drama um die Großmutter in diesem Ausmaß nicht benötigt hätte. Aber es war dem Regisseur Eric Khoo wohl wichtig, nicht nur die Verbindung zwischen Essen und Zusammenhalt in der Familie, sondern auch die schwierige japanische Geschichte inklusive Kriegsgräuel aufzugreifen. (Oh, und wenn ich das gerade richtig sehe, dann läuft der Film auch noch in verschiedenen Kinos in Deutschland und auf DVD ist er auch demnächst erhältlich!)
Dieser Film war dann auch der Abschluss des Festivals, weshalb es davor diverse Preisverleihungen gab. Ich könnte somit nun feststellen, dass ich deutlich lieber den Abschlussfilm als den Eröffnungsfilm schaue, weil die anfänglichen Reden weniger interessant sind als die Preisverleihungen. Insgesamt hat das aber dafür gesorgt, dass wir über drei Stunden in diesem Kino saßen, was grundsätzlich schon zu lang für die beengte Bestuhlung ist und mit schmerzenden Gliedmaßen noch mal ein wenig unangenehmer wurde. Am Ende bin ich regelrecht aus dem Stuhl geschossen, weil ich keine Minute länger meine Knie in der beengten Position halten konnte. *g*
Ansonsten brachte der Urlaub noch einige schöne Momente mit meinem Mann, etwas Spielzeit, gemütliche Treffen mit anderen Leute, leckeres Essen und sehr viel erholsame Stunden (mit Kühlakku) auf dem Sofa. Spannend finde ich, dass es immer in dieser letzten Maiwoche auf einmal richtig heiß wird in Frankfurt – wobei wir in diesem Jahr noch Glück hatten und die Nächte noch relativ kühl waren und die Kinos sich deshalb nicht so extrem aufheizten wie in den vergangenen Jahren. 2020 findet die Nippon Connection ausnahmsweise in einem etwas späteren Zeitraum (9. bis 14. Juni) statt, und ich bin schon gespannt, welche Filme es dann zu sehen geben wird (und wie viele Leute wir bis dahin mit dem Filmfest neu angesteckt haben werden 😉 ).
So ein Pech mit dem Sturz gleich zu Urlaubsbeginn (also nicht, dass man sich zu einer anderen Zeit so was wünschen würde …). Aber schön, dass ihr dennoch einige Filme sehen konntet! Ich wünsche dir weiterhin eine gute Besserung!
Kühle Nächte würde ich mir auch noch wünschen. Die letzten Tage war es durch abendliche Unwetter wieder etwas besser, aber in der vergangenen Woche hatte ich selbst um halb sieben schon zwischen 27 und 28 Grad draußen und wusste überhaupt nicht mehr, wann ich noch lüften sollte. Sowas kenne ich sonst frühestens von Mitte Juli oder eher August.
Das war wirklich unglaublich ärgerlich, aber insgesamt hat doch trotzdem alles gut geklappt. Und wir haben wieder eine sehr bunte Mischung an Filmen zusammenbekommen, das ist uns auch immer wichtig, wenn wir diese einzigartige Gelegenheit haben. 🙂
Uff, so schlimm war es bei uns noch nicht, auch wenn es in der kommenden Woche richtig heiß werden soll. Irgendwann bleibt einem gar nichts anderes übrig als morgens um drei Uhr kurz aufzustehen, die Fenster aufzureißen und spätestens um fünf Uhr wieder die Wohnung zu verrammeln. Nicht, dass solch unterbrochene Nächte auf Dauer erholsam sind, aber das ist nun mal die einzige kühlere Zeit in der Nacht … Ich drücke uns beiden die Daumen, dass dieser Sommer nicht so extrem wird!
Ja, die Daumen drück ich kräftig mit! Ich kämpf ja am meisten in der Arbeit mit der Hitze. Dort können wir nun mal nur tagsüber lüften und bei drei Menschen in einem recht kleinen Zimmer wird es auch schnell stickig. Dazu noch Südwest-Seite und Altbau mit riesigen Fenstern – da haben wir meist ab mittags schon über 30 Grad drinnen, was der Konzentration und Motivation nicht gerade zuträglich ist.
Uh, das klingt nicht nur nach unangenehmen Arbeitsbedingungen, das sollte arbeitsrechtlich auch nicht okay sein. Bei der letzten Bibliothek, in der ich gearbeitet habe, konnte ich morgens um sieben anfangen und wenn ich bei Arbeitsbeginn einmal die Fenster richtig aufgerissen und dann gegen acht Uhr alles gegen die Sonne verbarrikadiert hatte, ging es.
Zum Glück soll es nach dieser Woche wieder ein bisschen kühler werden. Pass bis dahin gut auf dich auf!
Schön, dass du deinen Urlaub trotz der Asphaltknutscherei genießen und sooo viele Filme gucken konntest. Spieleabende und schöne Momente mit deinem Mann klingen dann auch wirklich großartig!
Ich hoffe, dass du wärmetechnisch die kommende Woche gut überstehst. Mir graut es ja ein bisschen davor. :O
Wenn ich das mit einigen anderen Festivalbesuchern vergleiche, dann haben wir gar nicht so viele Filme gesehen, aber ich persönlich finde, dass ein Film pro Tag gut passt. Bei mehr Filme wüsste ich sie vermutlich gar nicht mehr zu würdigen.
Danke, das hoffe ich auch sehr! Ich habe schon einen Arzttermin für Dienstag abgesagt und werde mich mit Ventilator in der Wohnung verbarrikadieren. Da ich bei dem Wetter auch ein Koch- und Essensproblem habe, haben wir schon ausgemacht, dass ich morgens um acht Uhr alles fürs Abendessen vorbereite und mein Mann dann abends aufwärmt/serviert. Ansonsten plane ich sehr, sehr ruhige Tage (vermutlich mit der Switch) und durchs Lüften unterbrochene Nächte. Wenn es nur eine heiße Woche wird, dann geht es ja. Mein großer Horror wäre wieder eine längeranhaltende Hitzewelle. Nun, wir werden sehen …