Johan Theorin: Blutstein

Dank der örtlichen Bibliothek habe ich nun auch den dritten „Öland“-Band von Johan Theorin lesen können. Nachdem ich mit „Öland“ den Herbst und mit „Nebelsturm“ den Winter auf der schwedischen Insel erleben konnte, zieht mit „Blutstein“ der Frühling ins Land. Das Eis bricht, die ersten Zugvögel erreichen die Insel und Blumen erblühen. Noch ist es so früh im Jahr, dass die Insel nicht von Touristen und Sommerhausbesitzern überschwemmt wird, auch wenn die ersten Wochenendbesucher schon da sind.

Auch Per Mörner zieht es in diesem Frühjahr auf die Insel, nachdem er vor einiger Zeit ein kleines Haus an einem Steinbruch geerbt hat. Der Mann hat so einige Probleme im Leben und hofft, dass er vom Frieden auf der Insel profitieren kann. Doch der Leser weiß vom ersten Moment an, dass dieser Frühling nicht friedvoll wird, verrät der Prolog doch schon, dass Per in der Walpurgisnacht (am 30. April) um sein Leben kämpfen muss …

Wie es sich für einen Roman von Johan Theorin gehört, entwickelt sich die Handlung nach dem erschreckenden Prolog erst einmal recht gemächlich. Neben Pers Häuschen gibt es auch zwei neue Sommerhäuser am Steinbruch, die eindeutig betuchten „Stadtmenschen“ gehören. Eines dieser Domizile gehört Vendela Larsson und ihrem Mann Max – und so kann man als Leser aus Vendelas Sicht mitverfolgen, dass die Ehe der beiden nicht gerade harmonisch verläuft.

Während Max seinem Erfolg hinterherläuft, verliert sich Vendela in Geschichten über Trolle und Elfen, die sie in ihrer Kindheit gehört hat. Denn obwohl sie seit vielen Jahren nicht mehr auf Öland war, so ist sie doch in der Nähe ihres neuen Sommerhauses auf dem Hof ihres Vaters aufgewachsen und muss nun ständig an die Elfengeschichten denken, die ihr Vater ihr früher erzählt hat – doch mit diesen märchenhaften Erinnerungen kommen auch die längst verdrängten Ereignisse in ihn wieder hoch.

Auch Pers Leben wurde von seinem Vater Gerhard (der sich vor Jahren in „Jerry Morner“ umbenannt hat) geprägt. Dieser war als Produzent von Filmen und Zeitschriften reich geworfen, hatte aber selbst an den wenigen Wochenenden, die er seinen Sohn sehen konnte, keine Zeit für diesen. Obwohl sich Per schon lange damit abgefunden hat, dass sein Vater keine Liebe für ihn empfindet und sein Geld mit Pornos gemacht hat, versucht er doch keinen Kontakt zwischen seinem Umfeld und Jerry entstehen zu lassen. Nun aber kann Jerry nach einem Schlaganfall nicht mehr allein zurecht kommen und als sein altes Studio abbrennt, muss Per ihm beistehen.

Wieder einmal haben mir die atmosphärischen Beschreibungen der Insel und ihrer Einwohner gefallen. Ein paar liebgewonnene Charaktere habe ich in „Blutstein“ wiedergetroffen und ein paar neue sympathische Figuren kennengelernt. Vor allem Per Mörner in seiner ganzen Unbeholfenheit, seinen Versuchen für seine Kinder Nilla und Jesper da zu sein und seine Bemühungen mehr über seinen – ungeliebten – Vater herauszufinden, ist mir schnell ans Herz gewachsen. Vendela fand ich stellenweise etwas zu sehr verloren in ihrer Traumwelt, aber Johan Theorin hat es geschafft mir auch das verständlich zu machen. Würde ich eine solche Ehe führen oder auf eine solche Kindheit zurückblicken, dann würde ich vielleicht auch Zuflucht bei Elfen suchen.

Obwohl Vendelas und Pers Geschichten kaum miteinander etwas zu tun haben, fand ich, dass sich die beiden Handlungsstränge gut ergänzt haben. Auf der einen Seite ein ungeschickter, aber liebevoller Vater, der zwischen Brandstiftung, Mord und Pornogeschäft versucht  etwas Licht in diese schmutzigen Vorgänge zu bringen und auf der anderen Seite die Flucht vor der Wirklichkeit, die Hoffnung auf übernatürliche Hilfe und die eine oder andere Szene, die sich einfach nicht mit Logik erklären lässt.

Das alles führt zu einer faszinierenden Geschichte, die zwar nicht gerade als atemberaubend bezeichnet werden kann, mich aber auch einfach nicht losgelassen hat. Wie schon bei „Öland“ und „Nebelsturm“ konnte ich „Blutstein“ nicht lange aus der Hand legen, weil ich einfach wissen wollte wie es weitergeht. Ich finde es großartig, dass Johan Theorin mit seinen Kriminalromanen Geschichten schafft, deren Verlauf ich nicht einfach vorhersagen kann und die immer wieder eine überraschende Wendung für mich bereithalten.

6 Kommentare

  1. @Christerl: Erst einmal herzlich Willkommen auf meinem Blog! 🙂 Früher habe ich immer behauptet, dass mir die meisten skandinavischen Krimis zu düster und melancholisch wären, inzwischen freunde ich mich mit dem einen oder anderen Autor an. Von Jo Nesbo ruht immer noch "Der Schneemann" auf meinem SuB. Ich hatte das Buch mal angefangen und kam nicht so recht mit der Hauptfigur zurecht, fand es aber interessant genug, um ihm eine zweite Chance zu geben. Vielleicht sollte ich den Roman mal wieder in Angriff nehmen, da ich ja gerade solche Lust auf Krimis habe. 🙂

    Johan Theorin kann ich dir wirklich ans Herz legen, zumindest wenn du dich mit einer langsamen und anfangs eher wenig "aufregenden" Schreibweise anfreunden kannst. 🙂

  2. *neidisch guck* Unsere Bibliothek hier hat "Blutstein" leider noch nicht. Eine echte Schande, denn schließlich haben die mich dort ja mit Johan Theorin angefixt. Wie war ich doch von "Öland" und "Nebensturm" angetan! Und jetzt lassen die mich am ausgestreckten Arm verhungern. Pöh. Aber was soll's. Dann kaufe ich mir das Buch demnächst einfach. Bei Theorin weiß ich wenigstens, dass das kein herausgeschmissenes Geld ist. 🙂

  3. @Nantik: Ohje, das ist gemein! Vielleicht kannst du deine Bibliothek höflich auf diesen Mangel aufmerksam machen? 😉 Ansonsten kann ich dir versichern, dass auch dieser Theorin keine Geldverschwendung wäre! 🙂

    Ich hätte auch nicht gedacht, dass mich der Autor langfristig so packen würde. "Nebelsturm" hatte mir gefallen, ich habe den Autor weiterempfohlen, hatte aber nicht das Gefühl, ich müsste sofort zum ersten Band greifen. Aber dann habe ich mich dabei ertappt, dass ich immer wieder an das Buch denken musste und nun kann ich das Erscheinen des vierten "Öland"-Bandes kaum erwarten.

    Oh, und da das – wenn ich mich nicht irre – dein erster Kommentar auf meinem Blog war: Herzlich Willkommen! 🙂

  4. Ja, die Geschichten von Johan Theorin bleiben noch sehr lange im Gemüt hängen. Wahrscheinlich ist das seinen dichten atmosphärischen Beschreibungen zu verdanken. Inzwischen liegt "Blutstein" übrigens auf meinem SuB – und wenn ich es gelesen habe, werde ich es unserer Bücherei hier schenken, damit sie auch den dritten Krimi des Quartetts haben. 😉
    Und ansonsten: herzlichen Dank für die Willkommensgrüße. 🙂

  5. @nantik: Ja, Johan Theorin hat einfach ein richtig gutes Händchen für Atmosphäre. Und seine Charaktere gefallen mir auch gut, sogar die unsympathischen sprechen einen in gewisser Weise an. 🙂 Ich wünsche dir viel Spaß mit "Blutstein" – lass das Buch nicht zu lange auf dem SuB liegen. 😉

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