John Joseph Adams (Hrsg.): Dead Man’s Hand – An Anthology of the Weird West

Die Anthologie „Dead Man’s Hand“ hatte ich mir im Oktober 2015 besorgt, nachdem ich die Kurzgeschichten in der „Westward Weird“-Anthologie so spannend fand und herausfand, dass es auch in der zweiten Anthologie eine Geschichte rund um Jonathan Healy und Frances Brown (deren erste Begegnung in „The Flower of Arizona“ („Westward Weird“) beschrieben wurde) gibt. Aber als ich dann mit dieser Anthologie anfing, fand ich die Geschichten im Vergleich zu denen in „Westward Weird“ nicht so ansprechend und habe das Weiterlesen erst einmal sein gelassen. Im Umzugsstress wurde es dann wieder Zeit für Kurzgeschichten und so habe ich mich an diesen Band erinnert und noch einmal angefangen. Um meine Erinnerungen an die diversen Autoren und ihre Geschichten festzuhalten, gibt es diesen Beitrag – denn was bringt es, Autoren mit Kurzgeschichten auszuprobieren, wenn ich mich später nicht mehr genau erinnern kann, ob mir ihre Erzählweise gefällt.

1. „The Red-Headed Dead – A Reverend Jebediah Mercer Tale“ von Joe R. Lansdale
Die Geschichte, die mir den Einstieg in die Anthologie so schwer machte. Der Protagonist ist ein Reverend, der im Auftrag Gottes unterwegs ist – und zwar nicht, um zu missionieren, sondern um Böses (in diesem Fall einen Vampir) zu bekämpfen. Ich fand Reverend Mercer eher unsympathisch und sein Kampf mit dem Vampir hat mich auch beim zweiten Lesen kalt gelassen. Komischerweise fand ich sein Pferd am interessantesten – und das stirbt auf der zweiten Seite …

2. „The Old Slow Man and His Gold Gun From Space“ von Ben H. Winters
Sehr gemächlicher Anfang rund um zwei nicht gerade intelligente Goldgräber, die nicht viel Glück mit ihrem Claim haben, bis ein Außerirdischer ihnen ein unglaubliches Angebot macht. Trotz des netten Twists am Ende muss ich gestehen, dass ich einen Tag, nachdem ich die Geschichte gelesen hatte, schon Probleme hatte, mich daran zu erinnern.

3. „Hellfire on the High Frontier“ von David Farland
Eine interessante Welt, die auf viele historische Ereignisse und Figuren verweist, aber zusätzlich über Magie, „Clockworks“ (künstlich geschaffene Soldaten mit eigenem Willen) und Engel verfügt. Den Protagonisten fand ich sympathisch, die Geschichte selber – vor allem das Ende – deprimierend. Irgendwie sagt mir die Auswahl bei dieser Anthologie bislang nicht so zu, ich vermisse den Humor, den es bei „Westward Weird“ zwischendurch gab. Immerhin weiß ich, dass noch ein paar Autoren kommen werden, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe.

4. „The Hell-Bound Stagecouch“ von Mike Resnick
Mike Resnicks Humor liegt mir häufig (wenn er nicht gerade zu bemüht wirkt) und so fand ich die Geschichte rund um vier – sehr höfliche und angenehme – Reisende in einer Kutsche auf dem Weg zur Hölle auch sehr nett und unterhaltsam. Nur mit dem Schluss bin ich nicht ganz so zufrieden, dem fehlt es einfach an Raffinesse.

5. „Stingers and Strangers“ von Seanan McGuire
Insgesamt gibt es vierzehn Kurzgeschichten rund um Jonathan Healy und Frances Brown – und diese ist die vierte davon. Da ich an die erste Geschichte nicht rankam, weil die Anthologie in einem Karton schlummerte, habe ich mir nur die zweite und dritte Geschichte, die auf meinem eReader gespeichert sind, noch einmal durchgelesen, bevor ich mit dieser weitermachte. Je mehr Seanan McGuire über diese beiden Figuren schreibt, desto mehr Spaß machen sie mir. Und hier gibt es nicht nur schöne Dialoge zwischen Jonathan und Fran, sondern auch die Entdeckung einer – bislang für Jonathan und seine Familie – unbekannten Spezies, die noch ein wichtige Rolle ihrem Leben spielen wird. Sehr cool!

6. „Bookkeeper, Narrator, Gunslinger“ von Charles Yu
In dieser Geschichte dreht es sich alles um einen Buchhalter, der – ohne selbst zu wissen, wie es geschieht – zu einem berühmten Revolverhelden wird. Die Geschichte selbst fand ich ganz reizvoll, aber am Ende war ich etwas ratlos. Eigentlich fühlte sich das Ganze an, als wäre es die Vorgeschichte zu einem Roman oder sogar einer Serie, die nur funktioniert, wenn man mit dem Roman schon vertraut ist. Aber ich habe online keine Hinweise auf eine dementsprechende Veröffentlichung gefunden.

7. „Holy Jingle“ von Alan Dean Foster
Von Alan Dean Foster habe ich schon viele Romane gelesen, die ich sehr mochte, auch wenn es kein Autor ist, den ich noch gezielt verfolge. (Er hat einfach so viel geschrieben, dass ich es damals – auch aufgrund der deutschen Veröffentlichungspolitik – schwierig fand, einen Überblick über seine Romane zu bekommen.) Bei „Holy Jingle“ hatte ich wie bei der vorherigen Geschichte das Gefühl, dass sie zu einem Roman oder gar einer Romanreihe gehört, aber trotzdem kann die Handlung gut für sich stehen. Den Protagonisten fand ich interessant, die Erzählweise hat mir auch gefallen, allerdings hätte ich gern eine andere Problemlösung gesehen – auch weil die vom Autor verwendete nun mal ein bisschen zu sehr auf der Hand lang, wenn es um eine Geschichte rund um einen Mann geht, der von einer Prostituierten besessen ist.

8. „The Man with no Heart“ von Beth Revis
Sehr coole Geschichte rund um einen Spieler, eine mechanische Spinne und die Suche nach Antworten. Hat mir wirklich gut gefallen.

9. „Wrecking Party“ von Alastair Reynolds
Etwas merkwürdige, aber nicht uninteressante Geschichte, die sich für mich (vermutlich, weil ich aus zeitlichen Gründen drei Tage zum Lesen brauchte) etwas hingezogen hat. Erzählt wird die Handlung aus der Sicht eines Sheriff, der nach vielen Jahren einen alten Kriegskameraden wiedersieht – und sich nicht sicher ist, ob dieser verrückt ist oder „nur“ einen ganz besonderen Blick auf kommende Ereignisse erhaschen konnte. Den Protagonisten fand ich sympathisch, die Grundidee interessant, allerdings fehlte mir ein bisschen der Kick am Ende der Geschichte.

10. „Hell from the East“ von Hugh Howey
Protagonist in dieser Geschichte ist ein Mann, der nach all den Schlachten, die er ausgefochten hat, keine andere Beschäftigung kennt als den Dienst in der Armee. Doch eines Tages gibt es einen Vorfall in dem Fort, in dem er stationiert ist, und als er mehr darüber herausfinden will, sorgen die Ereignisse für ein Ende seiner Militärkarriere. Das Ganze hat schon eine etwas lovecraftsche Anmutung und war nett zu lesen.


11. „Second Hand“ von Rajan Khanna
Interessante Geschichte rund um einen Kartenspieler und seinen Lehrling. Wobei sich schnell herausstellt, dass beide keine einfachen Kartenspieler sind und eine ganz spezielle Mission verfolgen … Nett geschrieben, mit einem Ende, das nichts Gutes für die Zukunft der beiden Protagonisten hoffen lässt, was die Handlung schön böse ausklingen lässt.

12. „Alvin and the Apple Tree“ von Orson Scott Card
Eine Kurzgeschichte, die Teil der „Alvin“-Serie des Autors ist. Da ich die nicht kenne, war ich etwas überrascht über den Ton und die biblischen Bezüge, habe mich aber gut unterhalten gefühlt. Allerdings frage ich mich, ob ich in den 80ern die deutlichen christlichen Anspielungen in seinen Romanen übersehen hatte oder ob das zu Beginn seiner Karriere nicht so extrem war. Er gehört auf jeden Fall zu den vielen SF-Autoren, die ich in meiner Jugend angetestet und positiv in Erinnerung behalten hatte, um dann nie wieder einen Roman von ihnen zu lesen. *g*

13. „Madam Damnable’s Sewing Circle“ von Elizabeth Bear
Die Geschichte ist weniger eine Kurzgeschichte als der Prolog zu Elizabeth Bears Roman „Karen Memory“. Um den Roman schleiche ich schon eine Weile drumherum und nun fand ich dummerweise die Erzählerin sympathisch und die Welt interessant, so dass der Roman nun doch endlich auf dem Wunschzettel gelandet ist. Aber eine Jack-the-Ripper-Story, die in einem unterirdischen Teil eines Goldgräber-Steampunk-Seattle spielt und eine sympathische Protagonistin präsentiert, beinhaltet einfach zu viele Elemente, um nicht für mich interessant zu sein. 😉


14. „Strong Medicine“ von Tad Williams
Interessante Idee rund um einen Ort, in dem alle 39 Jahre etwas Ungewöhnliches passiert, bei der ich mich aber frage, ob man nicht noch etwas mehr daraus hätte machen können. Auf der anderen Seite mochte ich eigentlich gerade die Punkte, die nicht so gut ausgearbeitet waren, weil sie mir Stoff für eigene Ideen beim Lesen gaben. Doch vor allem frage ich mich, was der Protagonist in den kommenden Jahren noch erleben wird – und Neugier auf das weitere Schicksal einer Figur ist nie schlecht.


15. „Red Dreams“ von Jonathan Maberry
Eine sehr coole Geschichte über die Gedanken nach einer Schlacht, den Weg eines Soldaten und die Frage, was am Ende nach all den Toden auf dem Schlachtfeld noch bleibt. (Ich würde gern noch ein bisschen mehr zu der Geschichte schreiben, aber dann müsste ich den Knackpunkt verraten und das wäre ein viel zu großer Spoiler.)

16. „Bamboozled“ von Kelley Armstrong
Diese Geschichte spielt – laut Wikipedia – in der Welt der „Otherworld“-Romane der Autorin, ohne dass es eine konkrete Verbindung zu anderen Figuren oder Ereignissen gibt. Ich muss gestehen, dass ich die Verbindung erst nach dem Lesen gezogen habe und das war gut so, weil ich sonst eine Wendung in der Handlung vermutlich vorhergesehen hätte, die mir so sehr gut gefallen hat. Ich mag die Schreibweise der Autorin und ich mag ihre Figuren – die Geschichte hat Spaß gemacht. 🙂

17. „Sundown“ von Tobias S. Buckell
Eine coole Kurzgeschichte über einen schwarzen Marshall, der einen Mörder jagt. Über den Protagonisten würde ich gern noch mehr lesen, den fand ich sehr interessant (befürchte aber, dass Tobias S. Buckell keine weiteren Geschichten mit ihm geschrieben hat), die Idee hinter der Handlung ist angenehm abgehoben und greift ein Thema von Jules Verne auf, was auch nett ist.

18. „La Madre del Oro“ von Jeffrey Ford
Die Geschichte hatte für mich etwas Lovecraft-haftes – und sei es nur, weil der Protagonist im Nachhinein erzählt, was ihm passiert ist (und dabei davon ausgehen kann, dass ihm eh niemand glauben wird). Die Handlung beginnt mit der Jagd auf einen Mörder in einem kleinen amerikanischen Ort in der Nähe der mexikanischen Grenze und endet mit einer unheimlichen Bedrohung, die nicht so einfach zu vernichten ist.

19. „What I Assume You Shall Assume“ von Ken Liu
Sehr interessante Grundgeschichte rund um einen alten Mann, eine Chinesin und die Kraft der Worte. Ich mochte nicht nur die Handlung an sich, sondern auch die Verknüpfung zwischen dem Wilden Westen und China und die Perspektive der Protagonistin, die für diese Art von Geschichten immer noch ungewöhnlich ist.

20. „The Devil’s Jack“ von Laura Anne Gilman
Wenn ich das richtig sehe, dann gibt es keine Verbindung zwischen „The Devil’s Jack“ und anderen Werken von Laura Anne Gilman. Aber es hat sich angefühlt, als ob hinter Jack eine längere Hintergrundgeschichte stehen würde, was mir gut gefallen hat. Normalerweise bin ich nicht so schnell interessiert, wenn es um Protagonisten geht, die ein Spiel mit dem Teufel verloren haben, aber hier fand ich die Grundidee sehr reizvoll und die Art und Weise, wie Jack damit umgeht, sehr spannend.

21. „The Golden Age“ von Walter Jon Williams
In Walter Jon Williams hatte ich, als ich sah, welche Autoren in der Anthologie vertreten sind, sehr große Hoffnungen gesetzt, weil ich seine „Drake Magistral“-Romane so mochte (also die zwei von drei, die in den 90ern ins Deutsche übersetzt wurden). Zum Glück wurde ich nicht enttäuscht. Er hat für diese Anthologie eine Geschichte geschaffen, deren Protagonist eine wechselhafte Karriere hinter sich gebracht hat und in der es vor skurrilen Figuren und Details wimmelt. Ich fand die Mischung aus Goldrausch, „Superheld“ und „Superschurke“ – und wie sich die beiden Figuren gegenseitig im Laufe der Zeit beeinflussten – in „The Golden Age“ sehr unterhaltsam und hätte Lust, mehr Geschichten zu lesen, die in dieser Welt spielen. Vor allem würde es mich interessieren, was am Ende aus dem Commodore und dem Condor geworden ist … 🙂

22. „Neversleeps“ von Fred van Lente
Für „Neversleeps“ hat Fred van Lente eine Welt geschaffen, in der Magie statt Wissenschaft die entscheidende Rolle spielt und in der die Pinkertons („Neversleeps“ genannt) immer in Dreier-Gruppen agieren – wobei einer der Pinkertons kein Mensch ist. Der Protagonist ist ein ehemaliger Pinkerton und gehört inzwischen einer Rebellengruppe an, die alles dafür tut, um die Wissenschaft wieder auf einen Stand zu bringen, der dafür sorgt, dass sie sich gegen die Magie behaupten kann. Ich mochte die Welt und die Figuren und die vielen Details, die man durch die diversen Nebenbemerkungen und Beschreibungen mitbekam, aber das Ende war mir ein bisschen zu abrupt.


23. „Dead Man’s Hand“ von Christie Yant
„Dead Man’s Hand“ ist weniger eine Geschichte als eine Sammlung von Zeitungsartikeln rund um die Entstehung des Begriffs „Dead Man’s Hand“ für eine bestimmte Kartenkombination beim Pokern und die Verbindung zwischen diesem Blatt und dem Tod von James Butler „Wild Bill“ Hickok. Da ich erst im Nachhinein dazu recherchiert habe, fand ich diese „Kurzgeschichte“ eher irritierend.

3 Kommentare

  1. Nicole/Frau Frieda

    Ich muss ganz ehrlich zugeben, liebe Winterkatze, ich bin gar kein Fan von Kurzgeschichten. Irgendwie "lohnt" es sich für mich nicht damit anzufangen.. guck verlegen.. zu schnell finden sie ein Ende. Aber eine Jack-the-Ripper-Story, die in einem unterirdischen Teil eines Goldgräber-Steampunk-Seattle würde ich dann doch lesen 😉 genau meins!! Allerfeinster Wochenendgrüße, Nicole

  2. Ich finde Kurzgeschichten auch einfacher, wenn sie zu einer Reihe oder ähnlichem gehören, damit ich die Welt und vielleicht die Protagonisten schon kenne. Auf der anderen Seite sind sie schön für stressige Zeiten und um Autoren kennenzulernen, deren Romane mir zum Antesten zu teuer sind. 😉

    Du solltest dir eindeutig "Karen Memory" auf die Merkliste setzen, wenn dir die Elemente zusagen. Mich hat die Kurzgeschichte auf jeden Fall davon überzeugt, dass ich den Roman lesen muss. 😀

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