Mary Roberts Rinehart: The Album (Hörbuch)

„The Album“ wurde von Mary Roberts Rinehart schon im Jahr 1933 geschrieben – und schon damals galt die von ihr dargestellte Gesellschaft als altmodisches Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Dass ihr Leben nicht so ganz normal ist, ist auch der Protagonistin Louisa Hall in den vergangenen Jahren immer wieder klar geworden. Sie lebt mit ihren 28 Jahren noch immer bei ihrer Mutter und ist ebenso im alltäglichen Trott verfangen wie die anderen vier Familien, die in der kleinen abgeschiedenen Sackgasse leben. Aufgrund der jahrelangen Vertrautheit miteinander, kennt man einander sehr gut und akzeptiert die Eigenheiten der Nachbarn kommentarlos.

Erst als ein Mord im Nachbarhaus geschieht und die Polizei anfängt zu ermitteln, wird Louisa bewusst, wie ungewöhnlich ihr Lebensstil ist und wie seltsam es ist, dass zum Beispiel die eine Nachbarin darauf besteht, dass absolut alles ständig abgeschlossen wird und sie die Schlüssel hütet, oder das Ehepaar in dem anderen Nachbarhaus seit über 20 Jahren nicht mehr miteinander geredet hat. Als dann noch Louisas ehemaliger Verlobter Jim Wellington sich verdächtig macht und ihr bewusst wird, wie wenig sie letztendlich über die Menschen weiß, mit denen sie aufgewachsen ist, versucht sie mehr über ihre Nachbarn herauszufinden.

Es ist sehr lange her, dass ich „Das Album“ gelesen habe und ich mochte sowohl dieses, als auch „Die Wendeltreppe“ von Mary Roberts Rinehart, das Buch, das ich danach gelesen hatte. Leider sind die deutschen Ausgaben nur noch gebraucht zu bekommen und als ich früher danach suchte, musste ich feststellen, dass auch die englischen Ausgaben zum Großteil vergriffen waren – und so habe ich damals nicht mehr Romane von der Autorin lesen können. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich vor kurzem mehrere Hörbücher mit ihren Titeln fand und da mir beim Anhören der Hörprobe die Sprecherin von „The Album“ am Besten gefiel, habe ich da zugegriffen.

Inhaltlich hat mir die Geschichte immer noch so gut gefallen wie beim ersten Lesen. Louisa ist vielleicht naiver als andere Frauen ihres Alters und hat sich jahrelang von ihrer Mutter kleinhalten lassen, aber da ihr Jims Verteidigung wirklich wichtig ist, entwickelt sie bei der Suche nach der Wahrheit (und somit auch dem Mörder) einen überraschenden Dickkopf. So tauscht sie sich immer wieder mit dem Kriminologen Herbert Dean aus, der ebenfalls von Jims Unschuld überzeugt ist, und teilt ihr Wissen über die Gewohnheiten und Hintergründe der Nachbarn mit ihm. Aber auch ihre Nachbarn kommen immer wieder auf Louisa zu, um ihr ihr Herz auszuschütten und ihre Erlebnisse mit einer „neutralen“ Partei zu teilen.

Ich mag es, wie sich die Geschichte entwickelt. Es kommt zu überraschend vielen Todesfällen, es gibt einen Haufen Leute, die theoretisch einen Grund für die verschiedene kriminelle Taten hätten haben können – und doch scheint keiner der Verdächtigen wirklich für all die Verbrechen in Frage zu kommen. Es gibt immer wieder den einen oder anderen Punkt, der darauf hinweist, dass eine Person vielleicht doch – mehr oder weniger – unschuldig ist oder vielleicht gar nicht erst für eine Tat verurteilt werden kann, wenn sie sie denn überhaupt begangen hat. Dabei bleibt man die ganze Zeit in Louisas Perspektive und erfährt erst nach und nach von den verschiedenen (vergangenen und aktuellen) Ereignissen und kann sich so seine Gedanken zu dem Gehörten machen.

Allerdings hat mir die Sprecherin Lucy Scott nicht ganz so gut gefallen. Bei der Hörprobe kam vor allem ihre Stimme als Erzählerin (also Louisa), die im Nachhinein von den Ereignissen berichtet, zu tragen und da fand ich die Stimme angenehm und gut verständlich. Aber an den Stellen, an denen sie Dialoge spricht, hat mich Lucy Scott häufig geärgert. Nicht nur, dass ihre Interpretation stellenweise schlecht verständlich war (gerade wenn es um die Dienstboten geht, verwendet die Autorin immer mal wieder Dialekt), sie hat auch nicht zu den Figuren gepasst. Obwohl Louisa eine eher zurückhaltende Frau ist, habe ich sie im Roman immer als eine Person empfunden, die Haltung bewahrt und die aufgrund ihrer Erziehung und ihrer Umgebung Gefühle für sich behält. Bei Lucy Scott hingegen klingt Louisa in so gut wie jedem Gespräch während der ersten acht von über elf Stunden jämmerlich und kindlich – sie winselt regelrecht, wenn sie über die dramatischen Ereignisse redet, und das ist wirklich unangenehm zu hören. Ich verstehe nicht, warum an diesen Stellen überhaupt die Stimme verstellt werden musste, wenn Louisa doch in Dialogen problemlos genauso hätte klingen können wie als Erzählerin. Zum Glück hielten sich diese Passagen in Grenzen, aber es hat mich trotzdem geärgert.

5 Kommentare

  1. Das könnte mal wieder ein Buch für mich sein. Mal gucken, ob ich es auf Englisch auftreiben kann. Bin gespannt. LG mila

  2. Bestimmt wäre das ein Buch für dich! Ich drücke fest die Daumen, dass du ein Exemplar findest! Ansonsten könntest du nach der Übersetzung die Augen aufhalten. Die alten DuMont-Kriminalbibliothek-Ausgaben gibt es häufig sehr günstig auf dem Gebrauchtmarkt und ich fand die Atmosphäre und Sprache (soweit ich das aus der Erinnerung sagen kann) passend umgesetzt.

  3. Okay, dann gebe ich vielleicht auch der Übersetzung die Chance. Oft schrecken mich die alten deutschen Übersetzungen eher ab…

  4. Es ist schon etwas her, dass ich die Bücher gelesen habe, aber die Kriminalbibliothek-Titel habe ich alle von der Qualität der deutschen Veröffentlichung her in recht guter Erinnerung.

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