Seanan McGuire: Down Among the Sticks and Bones (Wayward Children)

„Down Among Sticks and Bones“ gehört zu den „Wayward Children“-Büchern von Seanan McGuire. Der Roman ist keine direkte Fortsetzung von „Every Heart A Doorway“, sondern erzählt für sich stehend die (Vor-)Geschichte der Zwillinge Jack und Jill. Dabei holt Seanan McGuire erst einmal weit aus und beginnt die Handlung mit den Eltern der beiden Schwestern. Mr. und Mrs. Wolcott sind nicht gerade häusliche oder gar warmherzige Personen, und so entsteht in den beiden der Wunsch nach einem Kind vor allem aus dem Grund, dass sie dazugehören wollen. Chester Wolcott will auch einmal einer der stolzen Väter sein, die mit ihren wohlerzogenen und sportlichen Jungen angeben, während Serena Wolcott von einer kleinen Prinzessin im Rüschenkleidchen träumt, um die sie ihre Freundinnen beneiden.

Mit solchen Eltern ist es kein Wunder, dass die Kindheit von Jillian und Jaqueline vor allem von den Wünschen ihrer Eltern nach einem hübschen, ruhigen, kleinen Mädchen (Jaqueline) und einem „Tomboy“ – da Chester schon keinen Jungen hatte, musste er eben das Beste aus dem machen, was vorhanden war – geprägt wurde. Glücklich war keines der beiden Mädchen damit, und so ist es wenig überraschend, dass sie eines Tages eine geheimnisvolle Treppe in ihrem Elternhaus finden, die sie ins „Moor“ führt. Das Moor ist eine fantastische Welt, in der Vampire, Werwölfe, verrückte Wissenschaftler und ein unheimlicher roter Mond zu finden sind, und für Jack und Jill scheint dieses Reich anfangs ungewohnte Freiheit zu beinhalten. Doch seinen Platz im Moor muss man sich erst einmal verdienen und nicht immer ist es einfach, nach den befremdlichen Regeln einer fantastischen Welt spielen zu müssen.

Wie es Jack und Jill in dieser Welt ergeht, weiß man eigentlich schon, wenn man „Every Heart A Doorway“ gelesen hat. Trotzdem enthält „Down Among the Sticks and Bones“ viele Elemente, die neu und überraschend sind und die dafür sorgen, dass der Leser die beiden Schwestern in einem anderen Licht sieht. Obwohl mich auch dieser Band der „Wayward Children“ nur wenig emotional gepackt hat, habe ich das Lesen sehr genossen. Ich mochte, dass Seanan McGuire für diese Geschichte eine ganz eigene Erzählweise gefunden hat. In einer Rezension auf Amazon wird dieser Stil mit Roald Dahl verglichen und das trifft es ganz gut. Regelmäßig wird der Leser direkt angesprochen, immer wieder gibt es kleine Nebenbemerkungen, die auf die Handlungen und Entscheidungen der beiden Schwestern eingehen, und dazu kommt eine wunderbare Mischung aus sachlichen Beobachtungen über das Leben im Moor und atmosphärischen Beschreibungen einzelner Elemente.

In einigen Rezensionen wird empfohlen, diesen Band vor „Every Heart A Doorway“ zu lesen, weil man schließlich schon weiß, wie es mit Jack und Jill weitergeht, wenn man das erste Buch schon kennt. Ich persönlich fand es überhaupt nicht schlimm, dass ich schon wusste, dass auch Jack und Jill nicht für immer in ihrer magischen Welt bleiben können. Eigentlich fand ich es sogar besonders spannend, eine konkretere Vorstellung vom Elternhaus der beiden Schwestern zu bekommen, zu verstehen, warum ihr Verhältnis so zwiespältig ist, und wieso der Verlust ihrer Welt zu solcher Verzweiflung geführt hat, gerade weil ich schon ein paar Hinweise zur Geschichte der beiden im Hinterkopf hatte. Außerdem musste ich immer wieder beim Lesen schmunzeln, weil ich mich regelmäßig an alte Horrorfilme erinnert fühlte, wenn eine Figur oder Szene beschrieben wurde. „Down Among the Sticks and Bones“ bietet diverse Momente, die ich mir sehr gut in einer Schwarzweiß-Verfilmung mit Boris Karloff vorstellen könnte, aber auch wunderbar alltägliche oder gar süße (Liebes-)Szenen – vor allem, wenn es um Jacks Leben im Moor geht.

Auch wenn ich mich wiederhole, so kann ich es nicht oft genug sagen: Ich mag Seanan McGuires Sicht auf klassischen Film-/Romanstoff, ich mag, wie die Autorin märchenhafte Elemente auf ungewöhnliche Weise in ihre Geschichten einflicht, und ich mag, wie stimmig und komplex sie Beziehungen darstellt. Im Januar kommt ein weiterer „Wayward Children“-Roman und ich freu mich schon darauf, dass ich dann eine weitere Geschichte rund um magische Türen, Charaktere, die auf der Suche nach dem richtigen Ort für sich sind, und fantastische Welten lesen kann.

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