Sue Monk Kidd: Die Bienenhüterin

Über „Die Bienenhüterin“ bin ich auf mehreren Blogs (z.B. „Blattgold“ und „Bookberry“) gestolpert, aber aus irgendeinem Grund brauchte ich eine Weile, bis ich meiner Neugier nachgab und das Buch dann über die Bibliothek in die Finger bekommen habe. (Und nach dem Schreiben der Rezi ist mir dann noch aufgegangen, dass der Titel gut für den Punkt „Schuld“ der Themen-Challenge passt, so dass ich dafür auch endlich mal wieder etwas besprochen habe.)

Die Geschichte spielt im Jahr 1964 in den Südstaaten der USA und dreht sich in erster Linie um die junge Lily Owens. Das Mädchen ist die Tochter eines Farmers, der vom Anbau von Pfirsichen lebt. Während der Vater Lily ablehnt und sie ständig auf der Hut sein muss vor seinem unberechenbaren Temperament, seinen Schlägen und seinen Bestrafungen, findet sie etwas Halt bei der schwarzen Rosaleen, die sich seit Lilys viertem Lebensjahr um sie kümmert. Doch nicht einmal mit Rosaleen kann das Mädchen über seine Mutter Deborah reden, die durch eine Waffe getötet wurde, welche in den Händen der damals vierjährigen Lily losging.

Als Rosaleen dann auch noch ins Gefängnis geworfen wird, nachdem sie sich – wie es nach dem frisch erlassenen „Civil Rights Act“ ihr Recht ist – als Wählerin registrieren lassen will und dabei mit einer Gruppe rassistischer weißer Männer aneinandergerät, beschließt Lily, Rosaleen aus der Gewalt der Polizei zu befreien und mit ihr zusammen wegzulaufen. Unterschlupf finden die beiden bei drei ungewöhnlichen Schwestern. Die älteste Schwester Augusta hatte zwar vor Jahren am College für Farbige studiert, um Lehrerin zu werden, doch nun verdient sie ihren Lebensunterhalt als „Bienenhüterin“ (Imkerin). Auch die zweite Schwester, June, ist Lehrerin und lebt ansonsten für ihre Musik, während May, die dritte Schwester, psychische Probleme hat und sich in ihren „guten Phasen“ um den Haushalt der drei kümmert.

Diese drei Frauen bieten Lily und Rosaleen nicht nur eine Zuflucht, sondern auch ihre Zuneigung und Zeit, um sich zu erholen und zu sich selbst zu finden. Während Rosaleen sich problemlos in den Haushalt der drei Frauen einfügt, muss Lily mit einer Menge Dinge fertig werden. Sie ist nicht nur Schuld am Tod ihrer Mutter und hat diese Tatsache noch lange nicht verarbeitet, sondern muss auch damit leben, dass ihr Vater keinerlei Zuneigung für sie empfindet. Zusätzlich wird ihr bewusst, dass sie Rosaleens Situation durch ihre gemeinsame Flucht nicht einfacher gemacht hat und dass sie – trotz aller Gefühle, die sie für Rosaleen hegt – eine Menge Vorurteile gegenüber Farbigen hat, die sie nun revidieren muss.

„Die Bienenhüterin“ ist eine ruhige und leise Geschichte mit ganz viel Südstaatenatmosphäre und vielen kleinen, berührenden und liebevollen, aber auch skurrilen Szenen. Lily ist aufgrund ihrer Geschichte kein ganz normales Mädchen, aber trotzdem sehr realistisch von der Autorin angelegt worden. Die drei Schwestern sind sehr unterschiedlich, sehr sympathisch und genau das, was Lily in ihrem Leben gefehlt hat. Gerade zu Augusta baut sie eine enge Verbindung auf. Augusta macht ihr bewusst, dass sie – trotz der Schuld, die sie als kleines Kind auf sich geladen hat – wert ist, geliebt zu werden.

Mir hat es auch gefallen, wie Sue Monk Kidd in dieser Geschichte mit dem Thema Rassismus umgeht. Durch die Verabschiedung des „Civil Rights Act“ kommt sehr viel in Bewegung, und doch ist jedem bewusst, dass ein Gesetz allein nicht ausreicht, um gegen Rassismus vorzugehen. Obwohl sowohl Rosaleen, als auch Zack, ein Freund von Lily, der Willkür der Weißen ausgesetzt sind und schlimme Momente erleben müssen, hatte ich nicht das Gefühl, dass die Autorin diese Szenen ganz schlicht beschrieben hätte. Sue Monk Kidd hat mit ihrer Darstellung eher die bedrückende Alltäglichkeit dieser rassistischen Verhaltensweisen beschrieben, statt sie besonders zu betonen. Ich empfinde so ein Vorgehen immer als eindringlicher, als wenn mir große Tragik vorgesetzt würde.

Doch vor allem Lilys Suche nach Absolution, nach Zuneigung, nach einem Platz im Leben und nach Informationen über die Mutter, die auf so schreckliche Weise gestorben ist, stehen im Mittelpunkt des Romans. Und während Lily von Augusta in die Kunst des Bienenhütens eingeweiht wird und Details über die drei Schwestern und ihr Leben erfährt, erlebt sie zum ersten Mal, dass es Menschen gibt, die ihr Luft zum Atmen lassen und sie so akzeptieren, wie sie ist. Trotzdem ist es für Lily nicht einfach, mit ihren Erinnerungen fertig zu werden und einen Weg zu finden, mit sich und den Altlasten, die ihre Eltern ihr mitgegeben haben, umzugehen. Das alles fand ich berührend, aber auch bedrückend, amüsant und wunderbar atmosphärisch.

Und da mich der Roman an einige Filme erinnert hat, die ich sehr gern gesehen habe, werde ich mir vermutlich irgendwann auch noch die Verfilmung besorgen und schauen, ob sie dem Buch gerecht wird.

10 Kommentare

  1. Katrin von Saiten

    Hm… Ich Denke ich guckemal ob es das als HB gibt. So richtig lacht mich das nicht an. Kommt es mir nur so vor, oder hast du fast die ganze Geschichte verraten? Bin ja immer sehr empfindlich wenn es darum geht, vor dem Lesen eines Buches schon zu viel über die Story zu wissen (habe daher auch nur ein bisschen was von den Absätzen über den Inhalt gelesen) 🙂

    Danke für deinen Eindruck! Es gibt auch einen Film dazu oder?

  2. Keine Angst, ich habe nicht viel mehr erzählt, als du in den ersten zwei oder drei Kapiteln lesen würdest (und da noch ganz viele relevante Details ausgelassen, um nicht zu spoilern). Das Wichtige an diesem Roman sind in meinen Augen vor allem die vielen kleinen Szenen, die das Miteinander dieser Frauen und Lilys Gefühle und Entwicklung beschreiben.

  3. Mit Südstaaten-Geschichten tu ich mich immer ein wenig schwer, weil ich immer gleich das Vorurteil habe, dass sie langweilig sind. Was natürlich schwachsinnig ist.
    Inhaltlich spricht mich die Bienenhüterin nun nicht so an, aber du machst mich trotzdem neugierig auf das Buch, so dass ich denke, dass es mir auch gefallen könnte.

    Ich hab es neulich bei uns in der Bibliothek gesehen, da werde ich direkt mal nach schauen, wenn ich das nächste Mal wieder da bin.

  4. Langweilig finde ich das Buch nicht ;), aber "Die Bienenhüterin" habe ich schon stellenweise als relativ ruhig empfunden.

    Guck mal, ob es in der Bibliothek noch vorhanden ist und dann lies in die ersten Kapitel rein. 🙂 Ich bin gespannt, ob dich die Geschichte fesselt. 🙂

  5. Ich habe es schon in einer Bücherei gefunden, mal sehen, wann ich dazu komme, es zu leihen und zu lesen.

  6. Beate Sauer

    Liebe Winterkatze,

    "Die Bienenhüterin" hört sich sehr interessant an – danke für den Tipp! (Zurzeit liegt bei mir noch "Her Royal Spyness", das ich demnächst lesen werde.)

    Liebe Grüße

    Beate

  7. @Beate: Gern geschehen. 🙂 Ist es nicht schrecklich mit diesen Buchblogs und den ganzen Empfehlungen? Meine Bibliotheksvormerkliste quillt gerade auch mal wieder über vor lauter Titeln, die ich auf Blogs gefunden habe. Ich wünsche dir schon mal viel Spaß mit der "königlichen Spionin". 🙂

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