Nachdem ich Ende Mai „Totenlichter“ von Amanda Stevens in meinem Buchpaket hatte, habe ich das Buch am Wochenende gelesen. Der Vorgänger „Totenhauch“ hatte mir gut gefallen und so war ich gespannt wie es mit Amelia Gray so weitergeht. Die Handlung in diesem Roman spielt dieses Mal nicht in Charleston, sondern in den Blue Ridge Mountains, genauer gesagt in dem kleinen Ort Asher Falls, wo Amelia den Thorngate Friedhof restaurieren soll.
Der Friedhof war früher der Familienfriedhof der Familie Asher, doch nachdem Pell Asher in den 80er Jahren ein großes Stück Land verkauft hat, damit dort ein Stausee angelegt werden konnte, wurde der Friedhof auch den restlichen Bürgern von Asher Falls zugänglich gemacht, da durch den Stausee der alte Friedhof (ebenso wie ein Teil der Wohnhäuser, die Zugangstraße zum Ort und andere wichtige Elemente) überflutet wurde. Ein Großteil der Bürger hat seit Entstehung des Stausees die Stadt verlassen und so findet sich Amelia an einem Ort wieder, der trostlos und oft genug unheimlich wirkt. Auch der Familie Asher hat das Geschäft mit dem Stausee anscheinend kein Glück gebracht, sie wirken ebenso heruntergekommen wie der gesamte Ort, allerdings übt Thane Asher auf Amelia eine unerklärliche Anziehung aus.
Ich muss gestehen, dass mich dieser Roman etwas zwiespältig zurück lässt. Auf der einen Seite hat es Amanda Stevens wieder geschafft einige sehr atmosphärische und unheimliche Szenen zu schreiben. Der verlassene Ort, die Familie Asher mit ihrem skrupellosen Familienoberhaupt Pell, der See mit seinen Geistern, der Friedhof mit den alten und vernachlässigten Familiengräbern und die überwältigende Natur rund um die Stadt Asher Falls bieten eine tolle Kulisse und tolle Figuren für so eine Geschichte. In der Stadt gibt es so einige Sonderlinge, aber auch die drei charismatischen Frauen Luna, Bryn und Catrice, die als einzige in der Gegend erfolgreich und zufrieden zu sein scheinen. Das alles fand ich wirklich schön zu lesen, an manchen Stellen vielleicht etwas klischeehaft, aber insgesamt sehr atmosphärisch.
Auf der anderen Seite fehlten mir Charleston und viele Charaktere, die man im ersten Roman kennengelernt hat. In „Totenlichter“ ist Amelia ganz auf sich allein gestellt und viele Dinge, die sie über die Stadt, die Ashers und die vor vielen Jahren bei einem rätselhaften Unfall umgekommene Freya erfährt, lassen sie an ihre Familie und ihre Kindheit denken. Auch ist ihr bewusst, dass sie – durch den Bruch der Regeln, die ihr Vater ihr von klein auf eingetrichtert hat – eine Grenze überschritten hatte und nun besonders auf der Hut vor den Geistern sein muss. So dreht sich ein Großteil der Handlung weniger um eine Ermittlung oder um den alten Friedhof und eventuell zu beachtende Dinge bei der Renovierung, sondern um Amelias Gefühls- und Privatleben.
Viele Dinge, die Amelia über ihre Familie und ihre Vergangenheit rausfindet, waren nicht besonders überraschend. Ebenso war der Krimianteil der Geschichte meiner Meinung nach recht vorhersehbar und dafür weniger spannend als bei „Totenhauch“. Auch Amelias Aufgabe bei der Friedhofsrestauration fällt in diesem Roman fast unter den Tisch, wirklich neue Aspekte erfährt man kaum, dabei fand ich diesen Part im Vorgänger sehr reizvoll. Und so nett ich Amelias neuen Hund Angus finde, der ihr zu Beginn ihres Aufenthalts in Asher Falls zuläuft, so habe ich das Gefühl, dass viele Szenen durch ihn zu einfach für die Protagonistin geworden sind.
Am Ende bleibt von „Totenlichter“ für mich nur eine nicht ganz so befriedigende Handlung und dafür eine tolle und atmosphärische Kulisse zurück. Wenn Bastei Lübbe noch einen weiteren Band der Autorin veröffentlichen sollte, werde ich den bestimmt auch noch ausprobieren, um zu gucken, ob Amanda Stevens nach der Klärung von Amelias persönlichen Rätseln wieder mehr auf den Kriminalgeschichtenanteil und Amelias ungewöhnlicher Tätigkeit als Restauratorin für historische Friedhöfe setzt.