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Pierdomenico Baccalario, Enzo D’Alò und Gaston Kaboré: Stadt aus Sand

„Stadt aus Sand“ von Pierdomenico Baccalario, Enzo D’Alò und Gaston Kaboré war eine spontane Bibliotheksausleihe. Das Cover fand ich hübsch, Bücher von Pierdomenico Baccalario habe ich auch schon gelesen und wegen ihrer ungewöhnlichen Ideen gemocht und die ersten Seiten hatten mich beim Reinlesen angesprochen. Wieweit welcher der drei genannten Autoren Anteil an der Geschichte hatte, kann ich nur vermuten, aber es gibt sehr viele „afrikanische“ Elemente in dem Roman, von denen ich annehme, dass sie zum Großteil dem Einfluss von Gaston Kaboré, der ein afrikanischer Regisseur ist, zuzuschreiben sind.

Die Geschichte beginnt sehr märchenhaft, während der Leser miterlebt wie sich zwei Männern – ein Geschichtensänger und ein Fürst – gegenseitig mit Worten bekämpfen. Beobachtet werden die beiden von zwei Jungen (Matuké und Setuké), die nach seiner Niederlage von dem Geschichtensänger damit beauftragt werden, ihr Dorf zu beschützen. Der folgende Zeitsprung macht deutlich, dass Matuké und Setuké diese Aufgabe viele Jahre erfolgreich bewältigt haben, doch nun sind sie alte Männer und noch immer macht der „Fürst der Stadt aus Sand“ Jagd auf Geschichtensänger und es scheint keine Nachfolger zu geben, die den Schutz des Dorfes übernehmen könnten.

Erzählt wird die Geschichte vor allem aus der Sicht der jungen Rokia, die Matukés Enkelin ist. Als einziges Mädchen der Familie steht sie ihrem Großvater sehr nah, und hört – wann immer es ihr möglich ist – seinen Geschichten zu und vernachlässigt darüber nicht selten ihre Pflichten. Ich mochte Rokia sehr gern, die aufgeweckt und neugierig ist und alles in Frage stellt, ohne erst einmal das Bedürfnis zu haben an den Grundlagen ihrer Welt zu rütteln. Für sie steht felsenfest, welche Aufgaben die Männer im Dorf zu übernehmen habe und welche Tätigkeiten von den Frauen übernommen werden und sie hadert eigentlich nicht mit den Grenzen, die ihr die Traditionen auferlegen. Allerdings fragt sie sich schon, was aus einem Mädchen werden soll, das so viele Dinge nicht beherrscht, die eine Frau könne sollte, während es doch so viele Sachen tun möchte, die nur für Jungen gedacht sind.

Für den Leser steht natürlich schnell fest, dass auf Rokia größere Aufgaben warten, als die traditionelle Rolle eines Mädchens auszufüllen. Ich fand es wunderschön, wie Rokias Weg dahin beschrieben wurde und wie sie so nach und nach mehr über die Welt außerhalb ihres kleinen Dorfes lernte. Vor allem strotzt diese Geschichte von wunderbaren und eigenwilligen Charaktere, die nur selten wirklich gut und doch liebenswert sind, und von märchenhaften und bezaubernden Momente. Dazu kommen noch die vielen atmosphärischen Beschreibungen des Lebens in Rokias Dorf. Denn Rokia ist eine Dogon und in „Stadt aus Sand“ wird immer wieder nebenbei eingeflochten, wie ihr Alltag aussieht, welcher Glaube ihr Leben bestimmt und welchen Traditionen in ihrem Dorf gefolgt wird, aber auch wie sich all dies durch äußere Einflüsse ändert.

Die Geschichte spielt zu einer modernen Zeit, in der Autos und Radios verbreitet sind und es ganz selbstverständlich ist, dass man beim reisenden Händler seinen Nachschub an Batterien kauft, und doch besitzt die Erzählung einen altmodischen Charme durch die – immer noch vorhandene – Naturverbundenheit, die Langsamkeit, mit der sich Rokias Volk verändert, und die märchenhaften Elemente. Ich war übrigens beim Lesen ganz froh, dass ich gerade erst vor ein paar Tagen „Afrika – Kunst und Architektur“ von Ivan Bargna gelesen habe, denn so konnte ich mir das eine oder andere Detail doch noch etwas besser vorstellen, wenn ich mir die dort gesehenen Zeichnungen und Fotos noch einmal in Erinnerung rief. Aber ich bin mir sicher, auch ohne dieses Vorwissen hätte mir „Stadt aus Sand“ ein rundum wunderbares, unterhaltsames und märchenhaftes Leseerlebnis bereitet. Doch, das war ein sehr guter Bibliotheksfund!

Pierdomenico Baccalario: Will Moogleys Geisteragentur

Mit „Unheimlichkeiten aller Art“ beginnt eine neue Reihe von Pierdomenico Baccalario, die sich um „Will Moogleys Geisteragentur“ dreht. In dieser Agentur kann man Geister für jede Gelegenheit mieten. Egal, ob man seine Nachbarn vergraulen möchte oder aus anderen Gründen übernatürlichen Beistand benötigt, Will Moogley hat die unterschiedlichsten Geister im Angebot. Schon seit sehr langer Zeit sind die Moogleys in diesem Bereich aktiv und hatten sich mit der Geisteragentur mal einen sehr guten Namen gemacht.

Doch unter der Leitung von Wills Onkel Alvin lief es nicht mehr so gut – und nach einige Fehlschlägen ist Will inzwischen fast so weit, dass er über eine Schließung der Agentur nachdenkt. Zum Glück hat sein oberpeinlicher, aber bester Freund Topper die grandiose Idee sich um einen Auftrag der erfolgreichen Hotelkette „Scary Inn“ zu bemühen. Diese haben in der Stadt Ghostville ein altes verlassenes Haus gekauft und wollen es zu einem luxuriösen Spukhotel umbauen. Natürlich benötigt man für so eine Aufgabe ganz besondere Geister! Aber Will ist natürlich nicht der Anwärter auf diesen ganz besonderen Job …

Mir hat dieser erste Band von „Will Moogleys Geisteragentur“ wirklich ganz wunderbar gefallen. Abgesehen von ein paar etwas schwereren Wörtern ist die Geschichte definitiv für Leser ab neun Jahren – und eine etwas ältere Winterkatze natürlich ebenfalls 😉 – geeignet. Will lebt im 29sten Stockwerk eines alten Hochhausees in Manhattan, ernährt sich von Lieferpizza und Schokoladenpudding *lecker* und lebt mit einem Papagei („Haltdieklappe“) und einer Schildkröte (na ja, eigentlich zwei, aber die eine lebt nicht mehr … ) zusammen.

Der Junge ist nicht gerade ein besonders großer Menschenfreund, sogar sein bester Freund Tupper muss immer wieder unter Wills Scherzen leiden. Doch trotzdem gelingt es Pierdomenico Baccalario Will so sympathisch darzustellen, dass man ihm wirklich den Hotelauftrag gönnen würde. Doch so einfach ist es für Will nicht, seiner Firma mal wieder eine bessere Reputation zu verleihen. So entwickelt sich eine wirklich lustige Geschichte um den „Alltag“ in einer Geisteragentur. Besonders die liebevollen Details, wie die Entlohnung der Geister mit selbstgebrautem Ektoplasma, den Eigenheiten, der verschiedenen Charaktere und den seltsamen Dinge, die für eine Anrufung zum Beispiel gebraucht werden, lassen die Seiten nur so vorbeifliegen (na ja, der geringe Umfang, der bei einem Kinderbuch zu erwarten ist, trägt auch etwas dazu bei *g*). Auch die Illustrationen von Matteo Piana haben mir gut gefallen. Seine Zeichnungen, vor allem seine Figuren, erinnern an italienische Trickfilme, währen die Hintergründe mit auffallenden Schraffuren Atmosphäre schaffen.