Schlagwort: Piers Torday

Abi Elphinstone (Hrsg.): Winter Magic (Anthologie)

Wie immer, wenn ich eine Anthologie lese, gibt es hier einen Sammelbeitrag, in dem ich ein paar Sätze zu den jeweiligen Geschichten festhalte. Als ich nach Weihnachten zum ersten Mal zu „Winter Magic“ griff, fiel mir erst auf, dass ich doch relativ selten Anthologien lese, die mit Geschichten von (verschiedenen) Kinder- und Jugendbuchautoren gefüllt sind. Der Großteil meiner Anthologien ist ja doch eher Urban Fantasy für erwachsene Leser … *g* Einige der in diesem Band gesammelten Kurzgeschichten wurden schon an anderer Stelle veröffentlicht, aber für mich waren sie alle neu, obwohl ich viele der Autor.innen schon von anderen Werken kannte.

 

Emma Carroll: A Night at the Frost Fair
„A Night at the Frost Fair“ ist eine süße Geschichte über ein Mädchen, das nach dem Besuch ihrer Großmutter in einem Altersheim eine kleine und überraschende Zeitreise unternimmt. Vor allem dreht sich die Handlung um das Thema Familie, aber auch um einen offenen und verständnisvollen Umgang mit anderen Menschen, darum, dass Menschen gewisse Freiheiten benötigen und dass die besten Absichten kein Ersatz sind für Respekt und die Bereitschaft zuzuhören und zu verstehen. Eigentlich mochte ich die Geschichte, aber ich musste mich beim Lesen auch daran erinnern, dass sie für Kinder geschrieben wurde und ich deshalb der Autorin nicht vorwerfen sollte, dass sie bestimmte Aspekte nicht anspricht und dass sich am Ende ganz einfach alles zum Guten wendet. Die zynische, erwachsene Seite in mir war aber ein bisschen grummelig, weil sie bestimmte Elemente unrealistisch fand (und damit meine ich nicht den fantastischen Anteil der Handlung) und denkt, dass das besser hätte gelöst werden müssen.

Amy Alward (Amy McCulloch): The Magic of Midwinter
Eine sehr süße Geschichte über Freundschaft, Wichtelmagie, Alchemie und der Suche nach dem perfekten Geschenk für eine Person, die schon alles zu haben scheint. Und da „The Magic of Midwinter“ Teil der Potion-Diaries-Serie ist und ich die Charaktere sehr mochte und die Handlung wirklich niedlich fand, habe ich „The Potion Diaries“ mal auf meine Merkliste gesetzt, obwohl mich der Klappentext normalerweise nicht reizen würde. Aber ich mochte in „The Magic of Midwinter“ die Protagonistin Sam und ihren Tonfall sehr gern und bin durch diese Kurzgeschichte neugierig auf die Mischung aus Magie, Fabelwesen und „modernen Elementen“ geworden, die in der Potion-Diaries-Trilogie zu finden ist.

Michelle Harrison: The Voice in the Snow
Diese Kurzgeschichte spielt in der Welt von Michelle Harrisons Roman „The Other Alice“ (eine der wenigen Titel der Autorin, die ich nicht kenne,) und ich habe es sehr genossen, wie viele Märchenmomente in der Handlung aufgegriffen werden, ohne dass es dabei auch nur ansatzweise zu einer Art Nacherzählung kommt. Ich mochte die Protagonistin Gypsy (auch wenn ich die Namenswahl ziemlich unglücklich finde) und mir gefiel, wie sie darauf reagierte, dass ihre Stimme gestohlen wurde. Doch vor allem hat mich eine Nebenfigur neugierig gemacht, die nur eine sehr kleine Rolle hatte und von der ich mich frage, ob sie in „The Other Alice“ vielleicht noch einmal vorkommt. Nur gut, dass das Buch eh schon auf meinem Merkzettel sitzt und irgendwann wohl von mir gelesen werden wird. 😉

Geraldine McCaughrean: The Cold-Hearted
Ich muss gestehen, dass ich nicht so recht weiß, was ich von dieser Geschichte halten soll. Die Handlung wird aus der Sicht von Fergal erzählt, der – wenige Minuten, nachdem er gemeinsam mit dem Hund den Wagen verlassen hat – zusehen muss, wie seine Familie im Auto von einer Lawine begraben wird. Im Laufe der Geschichte entdeckt er ein ganzes Dorf voller Menschen, die seit Jahrhunderten unterirdisch leben, und versucht dann alles, um diese dazu zu bewegen, ihm zu helfen. Insgesamt war das nicht schlecht erzählt, aber irgendwie haben mich weder die Grundidee noch die Figuren gepackt …

Katherine Woodfine: Casse-Noisette
Eine sehr süße (fiktive) Geschichte rund um die Uraufführung des Balletts „Der Nussknacker“, die aus der Sicht der zwölfjährigen Tänzerin Stanislava Belinskaya geschrieben wurde, die damals die Clara tanzte. Die Handlung ist etwas kitschiger, als ich es von der Autorin gewohnt bin, aber ich mochte die Grundidee und die Protagonistin sehr und fand die Geschichte überraschend berührend.

Berlie Doherty: Someone Like the Snow Queen
Ich bin etwas zwiegespalte, wenn es um diese Geschichte geht. Auf der einen Seite mochte ich den etwas moderneren Touch, den der „Schneeköniginnen-Anteil“ der Handlung am Anfang hatte, auf der anderen Seite gefiel mir die Ausgangssituation (Teenager-Mädchen ist für die Aufsicht über ihren fünfjährigen Bruder zuständig und vernachlässigt ihre Pflichten) nicht. Ich glaube, ich hätte „Someone Like the Snow Queen“ lieber gemocht, wenn ich nicht zu Beginn so frustriert wegen der Protagonistin gewesen wäre, dass es mir schwerfiel, Mitleid für ihre Situation zu empfinden. So habe ich den Großteil meiner Lesezeit damit verbracht, mir zu überlegen, welche Elemente die Autorin meiner Meinung nach besser hätte machen können.

Lauren St. John: The Room With the Mountain View
Oh, mit dieser Geschichte habe ich wirklich viel Spaß gehabt, obwohl sie so was wie ein „Hallmark-Movie für 11jährige, der sich anfangs als Krimi verkleidet“ war. Ich mochte die Protagonistin Lexie auf Anhieb, weil sie so glücklich über ihren Beinbruch während ihrer Skiferien war (schließlich konnte sie so auf einige Stunden ungestörte Lesezeit hoffen), ich habe gern verfolgt, wie sie überraschend eine neue Freundin fand, und wie die beiden Mädchen – ganz wie in „Das Fenster zum Hof“ – über einen vermeintlichen Mord stolperten. Dabei greift Lauren St. John zwar so einige Klischees (wie das emotional vernachlässigte „arme“ reiche Mädchen) auf, aber die Art und Weise, in der die Handlung erzählt wurde, hat dafür gesorgt, dass ich mich wunderbar dabei amüsiert habe.

Michelle Magorian: Snow
Keine Kurzgeschichte, sondern ein süßes Gedicht über Schnee.

Jamila Garvin: Into the Mountain
Eine Variante des Rattenfängers von Hameln, die ich sehr nett fand, die aber nicht lange in meiner Erinnerung haften blieb.

Piers Torday: The Wishing Book
Eine seltsame kleine Geschichte rund um ein Mädchen, das mit seiner Stief-Großmutter nicht zurechtkommt. Ich mochte den Anfang und Ende von „The Wishing Book“, aber den Mittelteil fand ich ziemlich absurd und die Auflösung zu simpel. Ich weiß nicht, ob ich nach dieser Kurzgeschichte mehr von dem Autoren lesen würde, wenn ich nicht schon einen Roman von Piers Torday gelesen hätte, der mir gut gefallen hat.

Abi Elphinstone: The Snow Dragon
„The Snow Dragon“ erzählt von einem ganz besonderen magischen Weihnachtsabend für ein Waisenkind, von der Hoffnung, eine Familie zu finden, von alltäglicher und besonderer Magie und davon, wie kostbar Fantasie ist. Auf der einen Seite war die Geschichte wirklich süß zu lesen, auf der anderen Seite war mir die böse Waisenhausleiterin zu klischeebefrachtet und übertrieben dargestellt und das Happy End ein bisschen zu vorhersehbar. Aber ich mochte den Drachen und den tanzenden Dackel!

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Insgesamt bot mir „Winter Magic“ eine bunte Mischung aus sehr unterschiedlichen Winter- und Weihnachtsgeschichten. Ich habe zwar nur eine neue Autorin durch diese Anthologie für mich entdeckt (mein SuB wird sich darüber freuen), aber das ist ja für mich auch nicht unbedingt das Ziel, wenn ich Anthologien lese. Ich habe dafür wieder einmal feststellen müssen, dass ich mich in stressigen Zeiten viel leichter auf eine Kurzgeschichte einlassen kann als auf ein paar Seiten eines Romans, und dass ich es mag, dass ich so gar nicht weiß, was die nächste Geschichte mir bringen wird. Abgesehen von einem groben Grundthema gibt es eine Menge Überraschungen in so einer Kurzgeschichtensammlung, und das genieße ich sehr!

Piers Torday: Die große Wildnis

Auch „Die große Wildnis“ von Piers Torday ist eine Natira-Leihgabe (irgendwie merkt man meinen aktuellen Beiträgen wohl an, dass ich mir gerade die Kiste mit ihren Büchern vornehme 😉 ), wobei ich mich nicht daran erinnern kann, dass wir über das Buch gesprochen hatten. Aber egal, ob ich den Roman ausleihen wollte oder nicht, Natira hat mit dem Buch auf jeden Fall meinen Geschmack getroffen und ich habe die Geschichte an einem Nachmittag verschlungen.

Kester Jaynes ist zwölf – demnächst dreizehn – Jahre alt und lebt seit sechs Jahren in einem Internat für verhaltensauffällige Kinder. Sein Vater war ein berühmter Tierarzt, seine Mutter ist früh gestorben und seit ihrem Tod hat Kester kein einziges Wort mehr gesprochen. Die Welt in der Kester lebt ist auch keine, über die man gern reden würde. Vor einigen Jahren brach in der gesamten Tierwelt eine große Seuche aus, Rote Pest genannt, die dazu führte, dass man alle Tiere (abgesehen von dem einen oder anderen Ungeziefer) töten musste. Doch ohne die Tiere gingen auch die Nutzpflanzen ein und ohne ein industriell gefertigtes Nahrungsmittelersatzprodukt wären auch die Menschen gestorben.

Eines Tages stellt Kester fest, dass er mit Ungeziefer – genauer gesagt einer Kakerlake, die er General nennt – kommunizieren kann. Unter Führung des Generals bricht der Junge aus und muss feststellen, dass doch noch ein paar Tiere die große Säuberungsaktion überlebt haben. Doch auch sie werden von der Roten Pest bedroht und benötigen dringend ein Heilmittel. Und so zieht Kester mit einer Handvoll von ihnen los und reist quer durchs Land, auf der Suche nach einer Rettung für die letzten Tiere der Welt.

Ich habe Kester und seine Reisegefährten beim Lesen sehr gemocht und fand die Vorstellung einer solchen Welt ohne Tiere und ohne jegliche Landwirtschaft wirklich grauenerregend. Piers Torday scheut sich auch nicht davor den einen oder anderen liebgewonnen Charakter sterben zu lassen oder Kester und seine Freunde in große Schwierigkeiten zu bringen, so dass man mit der kleinen Reisegruppe mitfiebert und sich immer wieder fragen muss, wie sie wohl diese neue Hürde wieder bewältigen. Trotzdem ist die Geschichte zwar häufig traurig, aber immer noch kindgerecht erzählt (das empfohlene Lesealter ist mit „ab zehn Jahre“ angegeben). Es gibt neben all den bedrückenden Momenten auch sehr viele witzige Szenen, wenn Kesters Reisebegleiter ihre Kommentare zu Situationen abgeben oder etwas verwirrt durch die Gegend fliegen.

Allerdings muss ich auch anmerken, dass ich als erwachsener Leser die Botschaft des Romans etwas zu plakativ herübergebracht fand (als Kind hätte mich das aber wohl nicht gestört). Außerdem fällt es mir schwer einige Dinge einfach hinzunehmen. So stelle ich mir die Frage, woher die – inzwischen regierungsbildende – Firma die Materialien für ihren Nahrungsmittelersatz nimmt, wie die vier Städte, in die alle Menschen umgesiedelt wurde, funktionieren sollen und ähnliches. Ich weiß nicht, ob diese Fragen vom Autor in der Fortsetzung noch geklärt werden oder ob er die Grundsituation einfach so stehen lassen will, aber ein wenig irritiert es mich schon. Davon abgesehen erzählt „Die große Wildnis“ aber eine sehr schöne und intensive Geschichte mit liebenswerten Protagonisten.