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Victoria Walker: The House Called Hadlow

„The House Called Hadlow“ von Victoria Walker ist die Fortsetzung von „The Winter of Enchantment“. Bevor ich etwas zur Geschichte erzähle, möchte ich noch anmerken, dass bei den beiden Romanen in der eBook-Version die Autorin in einem Nachwort von ihrem Leben erzählt – und das ist fast genauso unterhaltsam (und märchenhaft 😉 ) wie die Geschichten selber. So kann ich sagen, dass sie ihren zweiten Roman einige Zeit nach dem ersten Buch und unter deutlich ungemütlicheren Bedingungen geschrieben hat, aber man merkt den beiden Bänden weder den zeitlichen Abstand noch die veränderten Lebensumstände an.

Zu Beginn der Geschichte reisen Sebastian und Melissa gemeinsam nach Hadlow, um den Sommer bei Melissas noch unbekannten Onkel Bertram und seiner Frau Augusta zu verbringen, da ihre Eltern verreist sind und niemand sonst auf die Kinder aufpassen kann. Obwohl sich Onkel Bertram, Tante Augusta und sogar der ungewöhnliche Diener Fandeagle als sehr freundlich herausstellen, kommt den beiden Kindern an ihrem Feriendomizil etwas ungewöhnlich vor. Bei ihrer Ankunft läutet eine Glocke, die angeblich seit Jahren keinen Ton mehr von sich gegeben hat, und es gibt immer wieder Momente, in denen Melissa und Sebastian Personen sehen, die nicht da sein können. So nach und nach lernen sie mehr über die tragische Geschichte von Hadlow und beschließen alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Haus, die früheren Bewohner und die mit ihnen verbundenen Elfen von einem ungewöhnlichen Fluch zu befreien.

Wie schon in „The Winter of Enchantment“ ist die Handlung etwas unausgewogen. Einige Aufgaben und Herausforderungen fallen den Kindern sehr leicht und sind in Windeseile erledigt, andere hingegen erfordern all ihre Kraft, ihren Mut und ihr Können. Dieses Ungleichgewicht hat mich beim Lesen aber in keiner Weise gestört, da auch dieser Roman vor lauter bezaubernden Kleinigkeiten und Einfällen strotzt. Sebastian und Melissa haben jeder eigene Aufgaben zu bewältigen und müssen sich darauf verlassen, dass der jeweils andere seinen Part auf die Reihe bekommt. Dabei begegnen sie Bewohnern der Feenwelt ebenso wie griechischen Göttern und anderen übernatürlichen Wesen.

Es gibt in diesem Buch nicht ganz so viele Alltagsszenen wie im ersten Band, aber trotzdem lernt man das Haus, das trotz aller Vernachlässigung sehr viel Charme besitzt, und seine ebenso sympathischen Bewohner recht gut kennen. Ich finde es angenehm, dass manchmal nach einem großen Abenteuer auch ein großes Saubermachen ansteht, damit der Alltag erst einmal weitergehen kann. Überhaupt sind es wieder die vielen kleinen und atmosphärischen Szenen, die einen Großteil der Geschichte ausmachen, ebenso wie die fantastischen und märchenhaften Einfälle von Victoria Walker, die mich immer wieder an (andere) klassische britische Kinderbuchautoren erinnern, deren Geschichten mich seit vielen Jahren begleiten und deren Bücher ich – vielleicht gerade wegen ihrer gradlinigen und etwas altmodischen Erzählweise – nach all der Zeit immer noch genießen kann.

Victoria Walker: The Winter of Enchantment

Im Juli 2010 habe ich auf diesem Blog eine für mich ganz besondere Kindheitserinnerung gesucht. Damals konnte mir niemand bei der Suche nach dieser speziellen orangefarbenen Katze helfen, aber vor einigen Wochen gab es dann doch noch einen anonymen Kommentar, in dem mir Titel („Mantari und der Wunderspiegel“) und Autorin (Victoria Walker) des Buches genannt wurden. Da ich keine finanzierbare „greifbare“ Ausgabe gefunden habe, habe ich mich jetzt erst einmal mit dem englischen eBook begnügt. Und da es kaum ein Buch gibt, das besser zu Elenas „Zurück in die Vergangenheit“-Challenge passt, habe ich die Geschichte nicht nur voller Begeisterung verschlungen, sondern versuche jetzt auch noch hier zu erklären, warum ich den Roman nach all den Jahren immer noch so schön finde.

Die ganze Geschichte beginnt an dem Tag, an dem der dreizehnjährige Sebastian ganz allein in der Bibliothek im Haus seines Vaters sitzt und ihm die silberne Teekanne zuzwinkert. Da er ein vernünftiger Junge ist, beschließt er, etwas frische Luft zu schnappen und über die zwinkernde Teekanne nachzudenken – und landet prompt in einem Trödelladen, wo er einen mysteriösen Spiegel findet. Am nächsten Tag kauft Sebastian den Spiegel, wobei er dieses Mal im Laden über eine sehr freundliche orangefarbene Katze stolpert, und findet kurz darauf heraus, dass er durch den Spiegel mit einem etwa gleichaltrigen Mädchen namens Melissa reden kann.

Melissa wird seit beinahe hundert Jahren von einem bösen Zauberer gefangen gehalten, und abgesehen von einer orangefarbenen Katze, die das Mädchen Mantari genannt hat, hat sie in all der Zeit keine lebende Seele gesehen. Stattdessen hat sie in der Bibliothek des Zauberers ein magisches Buch gefunden, in dem beschrieben wird, wie sie mit der Hilfe von fünf magischen silbernen Gegenständen aus ihrer Gefangenschaft befreit werden kann. Natürlich ist Sebastian sofort bereit, Melissa zu helfen und sich auf die Suche nach den besagten Gegenständen zu machen …

Die Handlung in „The Winter of Enchantment“ ist in gewisser Weise etwas unausgewogen. Manche Dinge fallen Sebastian und Melissa einfach so in die Hände, andere Sachen müssen sie sich hart erarbeiten. Aber all das hat mich beim Lesen wirklich nicht gestört und als Kind ist mir das gar nicht erst aufgefallen. Der Roman lebt von den hübschen Ideen, die die Autorin für ihre Geschichte verwendet hat, und von den charmanten und atmosphärischen Details. Die zwinkernde Teekanne ist ein bezaubernder Einstieg in die Geschichte, und als Sebastian später noch Hilfe vom Wind, den Jahreszeiten und der Zeit erhält, gibt es viele weitere Elemente, die auf der einen Seite märchenhaft, auf der anderen Seite angenehm bodenständig sind.

Ich mag die Beschreibungen der magischen Momente, aber auch die Szenen, in denen Sebastians Alltag erwähnt wird. Ich würde zu gern mal eine Teezeit in seiner Bibliothek erleben oder abends zusammen mit Mrs. Parkin und ihrer Nichte Sarah in der Küche essen. Mich spricht diese Mischung heute ebenso an wie als Kind – und bei Victoria Walker ebenso wie bei Edith Nesbit oder bei den Mary-Poppins-Büchern von P. L. Travers. Auf der einen Seite zeigen diese Bücher eine verklärte Variante eines Londons, in dem die Straßen von Pferdekutschen bestimmt werden und Kinder daheim Unterricht von Privatlehrern bekommen, auf der anderen Seite ist da diese schlichte Akzeptanz, dass Magie existiert und dass Magie alles Mögliche bewirken kann.

Die Kinder werden zwar nicht gerade tiefgehend charakterisiert – wie mir als erwachsener Leser auffällt -, aber sie sind sympathisch, und obwohl sie für aktuelle Bücher zu brav wären, haben sie ihre kleinen Eigenheiten. Dabei finde ich es hübsch, dass Sebastians gelegentliche Anfälle von „ich bin ein Junge, ich muss das Mädchen beschützten“ ebenso wie Melissas „als Mädchen breche ich in Tränen aus, wenn mir alles zu viel wird“-Momente nicht so stehengelassen werden, sondern Melissa Sebastian durchaus ebenbürtig ist, wenn es um das Bestehen von Abenteuern geht. Sie ist vielleicht nach hundert Jahren ohne menschliche Gesellschaft schnell verzweifelt, aber sie weiß auch, wann sie ihre Emotionen im Griff halten muss.

Dummerweise kann ich hier ganz viele wunderbare und bezaubernde Details gar nicht erzählen, denn sonst würde ich dieser kleinen und feinen Geschichte die Überraschungsmomente nehmen. Ich kann aber sagen, dass ich „The Winter of Enchantment“ heute mit der gleichen Freude wie als Kind gelesen habe. Wenn also einer von euch eine Schwäche für altmodische britische Kindergeschichten hat, dann würde ich dieses Buch jederzeit empfehlen. Oh, eine Fortsetzung gibt es davon übrigens auch – und da ich mir die gleich mitgekauft habe, bin ich gespannt, ob mir diese Geschichte ebenso gut gefällt, obwohl ich keine Kindheitserinnerungen daran habe.