Victoria Walker: The Winter of Enchantment

Im Juli 2010 habe ich auf diesem Blog eine für mich ganz besondere Kindheitserinnerung gesucht. Damals konnte mir niemand bei der Suche nach dieser speziellen orangefarbenen Katze helfen, aber vor einigen Wochen gab es dann doch noch einen anonymen Kommentar, in dem mir Titel („Mantari und der Wunderspiegel“) und Autorin (Victoria Walker) des Buches genannt wurden. Da ich keine finanzierbare „greifbare“ Ausgabe gefunden habe, habe ich mich jetzt erst einmal mit dem englischen eBook begnügt. Und da es kaum ein Buch gibt, das besser zu Elenas „Zurück in die Vergangenheit“-Challenge passt, habe ich die Geschichte nicht nur voller Begeisterung verschlungen, sondern versuche jetzt auch noch hier zu erklären, warum ich den Roman nach all den Jahren immer noch so schön finde.

Die ganze Geschichte beginnt an dem Tag, an dem der dreizehnjährige Sebastian ganz allein in der Bibliothek im Haus seines Vaters sitzt und ihm die silberne Teekanne zuzwinkert. Da er ein vernünftiger Junge ist, beschließt er, etwas frische Luft zu schnappen und über die zwinkernde Teekanne nachzudenken – und landet prompt in einem Trödelladen, wo er einen mysteriösen Spiegel findet. Am nächsten Tag kauft Sebastian den Spiegel, wobei er dieses Mal im Laden über eine sehr freundliche orangefarbene Katze stolpert, und findet kurz darauf heraus, dass er durch den Spiegel mit einem etwa gleichaltrigen Mädchen namens Melissa reden kann.

Melissa wird seit beinahe hundert Jahren von einem bösen Zauberer gefangen gehalten, und abgesehen von einer orangefarbenen Katze, die das Mädchen Mantari genannt hat, hat sie in all der Zeit keine lebende Seele gesehen. Stattdessen hat sie in der Bibliothek des Zauberers ein magisches Buch gefunden, in dem beschrieben wird, wie sie mit der Hilfe von fünf magischen silbernen Gegenständen aus ihrer Gefangenschaft befreit werden kann. Natürlich ist Sebastian sofort bereit, Melissa zu helfen und sich auf die Suche nach den besagten Gegenständen zu machen …

Die Handlung in „The Winter of Enchantment“ ist in gewisser Weise etwas unausgewogen. Manche Dinge fallen Sebastian und Melissa einfach so in die Hände, andere Sachen müssen sie sich hart erarbeiten. Aber all das hat mich beim Lesen wirklich nicht gestört und als Kind ist mir das gar nicht erst aufgefallen. Der Roman lebt von den hübschen Ideen, die die Autorin für ihre Geschichte verwendet hat, und von den charmanten und atmosphärischen Details. Die zwinkernde Teekanne ist ein bezaubernder Einstieg in die Geschichte, und als Sebastian später noch Hilfe vom Wind, den Jahreszeiten und der Zeit erhält, gibt es viele weitere Elemente, die auf der einen Seite märchenhaft, auf der anderen Seite angenehm bodenständig sind.

Ich mag die Beschreibungen der magischen Momente, aber auch die Szenen, in denen Sebastians Alltag erwähnt wird. Ich würde zu gern mal eine Teezeit in seiner Bibliothek erleben oder abends zusammen mit Mrs. Parkin und ihrer Nichte Sarah in der Küche essen. Mich spricht diese Mischung heute ebenso an wie als Kind – und bei Victoria Walker ebenso wie bei Edith Nesbit oder bei den Mary-Poppins-Büchern von P. L. Travers. Auf der einen Seite zeigen diese Bücher eine verklärte Variante eines Londons, in dem die Straßen von Pferdekutschen bestimmt werden und Kinder daheim Unterricht von Privatlehrern bekommen, auf der anderen Seite ist da diese schlichte Akzeptanz, dass Magie existiert und dass Magie alles Mögliche bewirken kann.

Die Kinder werden zwar nicht gerade tiefgehend charakterisiert – wie mir als erwachsener Leser auffällt -, aber sie sind sympathisch, und obwohl sie für aktuelle Bücher zu brav wären, haben sie ihre kleinen Eigenheiten. Dabei finde ich es hübsch, dass Sebastians gelegentliche Anfälle von „ich bin ein Junge, ich muss das Mädchen beschützten“ ebenso wie Melissas „als Mädchen breche ich in Tränen aus, wenn mir alles zu viel wird“-Momente nicht so stehengelassen werden, sondern Melissa Sebastian durchaus ebenbürtig ist, wenn es um das Bestehen von Abenteuern geht. Sie ist vielleicht nach hundert Jahren ohne menschliche Gesellschaft schnell verzweifelt, aber sie weiß auch, wann sie ihre Emotionen im Griff halten muss.

Dummerweise kann ich hier ganz viele wunderbare und bezaubernde Details gar nicht erzählen, denn sonst würde ich dieser kleinen und feinen Geschichte die Überraschungsmomente nehmen. Ich kann aber sagen, dass ich „The Winter of Enchantment“ heute mit der gleichen Freude wie als Kind gelesen habe. Wenn also einer von euch eine Schwäche für altmodische britische Kindergeschichten hat, dann würde ich dieses Buch jederzeit empfehlen. Oh, eine Fortsetzung gibt es davon übrigens auch – und da ich mir die gleich mitgekauft habe, bin ich gespannt, ob mir diese Geschichte ebenso gut gefällt, obwohl ich keine Kindheitserinnerungen daran habe.

5 Kommentare

  1. Okay, ich gebe auf – ich habe es jetzt auch auf dem Kindle 😉 Wahnsinn, daß sich nach so langer Zeit noch jemand mit dem Buchtitel gemeldet hat!

  2. Ach, doof, dass es das nur bezahlbar als e-book gibt. Denn in die zwinkernde Teekanne habe ich mich jetzt schon verguckt… Und was für eine tolle Wieder-Entdeckungs-Geschichte… LG mila

  3. @Mila: Du bist ja ab und an in Großbritannien, vielleicht hast du da ja Chancen an eine Ausgabe des Buchs heranzukommen. Online habe ich nur sehr teure Ausgaben gefunden und dann doch lieber zum eBook gegriffen. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Geschichte noch einmal in die Finger bekommen würde. 🙂

  4. Hallo Winterkatze

    Schreib mir mal ne Mail an Ratz1 ät gmx.ch
    ich hätte da was für dich 😉
    und die den "Mantari" suchen

    Viele Grüsse

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