Agatha Christie: Ruhe unsanft (Hörbuch)

„Ruhe unsanft“ ist eine meiner Lieblingsgeschichten von Agatha Christie, und so habe ich das von Katharina Thalbach gelesene Hörbuch recht schnell in den Player geworfen, nachdem es in der letzten Woche bei mir ankam. Der Roman wurde von Agatha Christie 1940 geschrieben und dann für schlechte Zeiten zur Seite gelegt. Da sie aber bis zu ihrem Tod keinen Bedarf an diesem „Notfallmanuskript“ hatte, wurde die Geschichte posthum veröffentlicht.

In „Ruhe unsanft“ dreht sich die Handlung vor allem um die frischverheiratete Neuseeländerin Gwenda, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Giles nach England ziehen will. Da Giles noch aus beruflichen Gründen aufgehalten wird, sucht Gwenda allein nach einem Haus an der Südküste und wird auch schnell fündig. Noch während der Umbauarbeiten zieht die junge Frau nach „Hillside“ und fühlt sich Tag für Tag unwohler in dem hübschen Haus, da es immer wieder zu seltsamen Vorfällen kommt. Gwenda muss nicht nur feststellen, dass all die von ihr gewünschten baulichen Veränderungen dazu führen, dass das Haus in einen früheren Zustand zurückversetzt wird, sondern sie hat auch unheimliche Erinnerungen an eine tote Frau im Treppenhaus – und dies, obwohl sie noch nie zuvor in England war. Während Gwenda so langsam befürchtet, dass sie wahnsinnig wird (oder über übernatürliche Fähigkeiten verfügt), setzt Miss Marple – die Gwenda bei einem Besuch in London kennenlernt – eher auf naheliegendere Erklärungen.

Dieser Krimi gehört nicht gerade zu den ereignisreicheren Werken von Agatha Christie, vor allem, da Gwenda, Giles und Miss Marple sich mit Geschehnissen beschäftigen, die fast zwanzig Jahre zurückliegen. Aber gerade durch diese geruhsame Erzählweise und die eigenwilligen Charaktere, die in „Ruhe unsanft“ vorkommen, finde ich diesen Roman so wunderbar. Sehr schön ist zum Beispiel ein Gespräch, das Gwenda mit dem Gärtner führt. Dieser kümmert sich schon seit Jahrzehnten um den Garten von „Hillside“ und beklagt die ständigen Veränderungen. Er finde es schrecklich, dass es einfach keine Beständigkeit mehr gibt, dass Leute heutzutage Häuser kaufen und nach zehn Jahren wieder verkaufen – und überhaupt war früher alles besser. Während dieses Lamentieren wunderbar die Veränderungen zeigt, die in den letzten Jahren den kleinen Küstenort beeinflusst haben, beweisen die Ermittlungen von Gwenda und Giles, wie viele Menschen in dem Ort fest verwurzelt sind und auch heute noch von den Ereignissen bewegt werden, die doch schon vor zwanzig Jahre passiert sind.

Für die Version, die der Hörverlag veröffentlicht hat, wurde die Geschichte auf drei CDs heruntergekürzt. Aber wer den Roman nicht kennt, wird vermutlich nicht so viel vermissen. Ich hatte auf jeden Fall nicht das Gefühl, dass die Kürzungen zu Unstimmigkeiten geführt hätten. Dafür muss ich die Wahl der Sprecherin aufs Deutlichste beklagen. Katharina Thalbach für eine Geschichte zu wählen, die vor allem aus der Sicht einer Frau Anfang Zwanzig passiert, ist mehr als unpassend. Ihre raue Stimme klingt schon sonst brüchiger und älter, als man es bei einer Frau erwartet, die nicht mal sechzig Jahre alt ist, aber hier ist es mir besonders unangenehm aufgefallen. Dazu kommt, dass ihre englische Aussprache nicht immer erträglich ist – hätte ich nicht gewusst, dass die Protagonistin Gwenda heißt, wäre ich am Ende des Hörbuchs vermutlich davon ausgegangen, dass der richtige Name „Wanda“ lautet. Ich finde Katharina Thalbach als Hörbuchsprecherin selbst dann gerade noch passabel, wenn sie passend besetzt ist, hier aber fand ich sie richtig unangenehm.

9 Kommentare

  1. Ich habe ein Hörbuch der Zauberland-Reihe von Wolkow gehört, die sämtlich von Katharina Thalbach eingelesen wurde. Ihre Stimme in Verbindung mit dem Kinderbuch fand ich zu Beginn gewöhnungsbedürftig, aber in der Gesamtschau für die einzelnen Charaktere der märchenhaften Erzählung passend. Schade, dass Sprecher und Geschichte hier für Dich nicht zusammengepasst haben, selbst die beste Geschichte und deren Übersetzung kann darunter in Hörbuchform sehr leiden. Ich hatte ein ähnliches Erlebnis mit einer Jane-Austen-Hörbuchversion gelesen von Sibel Kekilli, das ging für mich gar nicht.

  2. @JED: Die Autorin begleitet mich schon so lange, da geht es nicht ganz ohne. 😉

    @Natira: Ich hatte wirklich ein richtiges Problem mit ihr. Ihre Betonung machte aus einem gesetzten älteren Herren einen absoluten Dummkopf, bei den Hausangestellten gab es auf einmal mitten im Süden von England lauter Berliner 😉 und der dynamische sympathische junge Ehemann klang ständig rotzfrech. Irgendwann wollte ich es einfach nur noch hinter mich bringen.

  3. "Ruhe unsanft" hat mir auch sehr gut gefallen. 🙂
    Schade, dass die Sprecherin beim Hörbuch nicht gepasst hat. Ich kann gut nachvollziehen, dass dich das gestört hat. Vor einer Weile hab ich in ein Jane Eyre-Hörbuch reingehorcht, bei dem die Sprecherin wie eine betuliche Hausfrau Mitte 50 klang. Das ging für mich gar nicht – gerade bei der Ich-Perspektive muss die Stimme für mich einfach zur Figur passen.
    Katharina Thalbach ist übrigens auch nicht unbedingt mein Fall, die hatte ich schon bei zwei Hörbüchern und fand sie da eher mittelprächtig.

  4. @Neyasha: Das war mal wieder ein typischer Fall von "gute Geschichte, grauenhafte Lesung". 😉 Blöderweise war ich so angetan davon, dass es ein "Ruhe unsanft"-Hörbuch gab, dass ich nicht so sehr auf die Sprecherin geachtet hatte.

    Eine betuliche Hausfrau Mitte 50 – jupp, das klingt sehr nach Jane Eyre! 😀

  5. @ Winterkatze: Ach, ich kann dich ja so gut verstehen – wenn Buch und Stimme nicht zusammenpassen, kann jedes für sich betrachtet noch so gut sein, aber das Gesamtpaket trotzdem unterträglich. Katharina Thalbach finde ich sonst schon in Ordnung – wenn ihre Stimme zum Buch passt. Bei "Die Nebel von Avalon", das sie zusammen mit ihrer Tochter eingelesen hat, fand ich sie z. B. sehr gut. Soweit ich mich erinnere, sprach sie da die alte Morgaine und ihre Tochter die junge oder so. Auf jeden Fall hat's da für mich gepasst.

    @ Natira: Ist ja lustig, dass du das Sibel-Kekilli-Hörbuch erwähnst. Das hatte ich beim ersten Hörversuch auch direkt in die Ecke gepfeffert. Vor 10 Tagen habe ich es dann noch mal versucht – diesmal habe ich ganz durchgehalten, aber furchtbar war es immer noch. Meine Rezi bzw. meinen Verriss dazu findest du bei Interesse auf meinem Blog.

    @ Neyasha: Oh je, eine Hausfrau Mitte 50 kann einem sogar "Jane Eyre" vermiesen, fürchte ich. Ich frag mich nur immer, wer die Sprecher so falsch auswählt. Eigentlich würde man denken, die werden auch irgendwie "gecastet" oder zumindest nach einem Profil ausgesucht oder so. *kopfschüttel*

  6. @Ariana: Wenn ich überlege, wie viele Hörbücher die Frau so einliest, dann hoffe ich doch, dass da auch passende Rollen dabei sind! Schön, dass du ein Beispiel davon schon mal erwischt hast. 😀

    Ich glaube, solche "Fehlgriffe" passieren, wenn Verlage vor allem nach Zeitplan casten. An den und den Tagen ist das Studio frei und wir haben die und die Sprecher unter Vertrag, von denen diese eine Person passend Zeit hat – und schon steht die Besetzung. Auf jeden Fall gibt es Studios, die ein deutlich besseres Händchen für Besetzungen haben, und andere, bei denen man das Gefühl bekommt, dass sie so etwas auswürfeln.

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