Anne Ursu: The Lost Girl

Nachdem ich „The Troubled Girls of Dragomir Academy“ gelesen hatte, habe ich nach weiteren Büchern von Anne Ursu gesucht und mir dann spontan „The Lost Girl“ bestellt. Die Geschichte dreht sich um die beiden elfjährigen Zwillingsschwestern Lark und Iris Mcguire, die bislang immer alles gemeinsam gemacht haben. Doch in diesem Schuljahr sollen sie zum ersten Mal in getrennte Klassen gehen, weil ihre Eltern und Lehrer*innen meinen, dass es ihnen guttun würde, wenn sie unabhängiger voneinander würden. Die beiden Schwestern sind sehr unglücklich mit dieser Situation. Die verträumte und kreative Lark muss prompt mit dem Schul-Bully in eine Klasse gehen, während Iris zwar in einer netten Klassengemeinschaft landet, aber darunter leidet, dass sie Lark nicht mehr während des Schultags beschützen kann.

Erzählt wird die Geschichte vor allem aus Iris‘ Perspektive, während es immer wieder von einer weiteren – nicht benannten – Person ergänzende Anmerkungen zur Handlung gibt. Diese unbekannte Person ist anfangs auch der einzige Hinweis darauf, dass hinter einigen der kleinen ungewöhnlichen Vorfälle, die immer wieder rund um Iris und Lark passieren, Magie stecken könnte. Ich mochte es sehr, dass sich der Großteil der Geschichte darum drehte, wie Iris und Lark damit fertig werden, dass sie nun nicht mehr den ganzen Tag zusammen sind, obwohl es dieses fantastische Element in der Handlung gibt. Die Tatsache, dass die beiden Schwestern bis zu diesem Zeitpunkt alle Erfahrungen gemeinsam gemacht haben und das dazu geführt hat, dass sie genau wissen, wie die jeweils andere auf eine Person oder Situation reagieren würde, ist eigentlich wunderschön zu lesen. Und dass dieses selbstverständliche gegenseitige Verstehen nun in Gefahr ist, sorgt dafür, dass nicht nur die beiden Mädchen, sondern auch ich als Leserin sehr um diese Verbundenheit trauerten.

Vor allem Iris ist geradezu panisch, weil sie Lark nun nicht mehr vor einer Welt beschützen kann, die nicht gerade verständnisvoll mit Personen umgeht, die einen etwas anderen und fantasievolleren Blick auf ihre Umgebung werfen. Dabei wird schnell deutlich, dass Iris‘ Rolle als Larks Beschützerin sie so gar nicht darauf vorbereitet hat, allein durchs Leben zu gehen. So sucht Iris bald in dem seltsamen kleinen Antiquitätenladen gegenüber der Stadtbibliothek eine Antwort auf die Frage, wer sie ist, wenn sie nicht Larks große Schwester sein kann. Ich fand es sehr berührend, wie Anne Ursu das Verhältnis der Zwillinge zueinander beschrieb, und dann mitzuerleben, wie verloren die beiden waren, als sie gezwungen wurden, ohne ihre Schwester durch den Tag zu gehen, hat mich überraschend traurig gemacht. Und obwohl ich mir sicher war, dass die Autorin einen Weg finden wird, um Iris und Lark am Ende wieder zusammenfinden zu lassen, habe ich um die Beziehung der beiden Schwestern gebangt. Beide sind im Laufe der Geschichte so unglücklich und bemühen sich doch so sehr, einigermaßen mit der ganze Situation fertig zu werden.

Neben den beiden Schwestern hat Anne Ursu noch so einige Nebenfiguren in ihren Roman eingebaut, die ich schnell ins Herz geschlossen habe. Sowohl die Mitschüler*innen von Iris als auch die Mädchen, die sie in einem Nachmittagskurs in der Bibliothek kennenlernt, sind einfach großartig. Obwohl Iris es ihnen allen nicht einfach macht, ist es schön zu sehen, wie all diese Personen bereit sind, für Iris da zu sein, wenn sie sie braucht. Selbst bei den Eltern und Lehrer*innen wird deutlich, dass sie alle für die beiden Mädchen nur das Beste wollen – auch wenn dieses Beste für Lark und Iris erst einmal ziemlich fürchterlich ist. Das alles führt zu einer überraschend wohltuenden, wenn auch etwas melancholischen Geschichte, die mit einem Hauch Magie abgerundet wird. Es gibt in dem Roman so viele berührende und traurige Momente, aber immer wieder etwas zu Schmunzeln und natürlich das Rätsel rund um den Antiquitätenladen und all die kleinen und größeren magischen Dinge, mit denen Iris und Lark in Kontakt kommen. Am Ende kann ich sagen, dass ich „The Lost Girl“ sogar noch mehr genossen habe als „The Troubled Girls of Dragomir Academy“, und ich bin gespannt auf die weiteren Titel von Anne Ursus Backlist.

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