Klappentext:
Ein Schüler verschwindet spurlos. Wenig später wird in einem Geocaching-Versteck im Rothaargebirge ein Finger gefunden, und an der Schule des Vermissten kursieren brutale Gewaltvideos. Kommissarin Natascha Krüger und ihre Kollegen suchen nach einem Täter – und ahnen nicht, welches grausame Spiel dieser mit ihnen spielt. Denn kurz darauf gibt es einen weiteren Geocaching-Fund …
Theoretisch könnte man fast jeden Krimi unter den Oberbegriff „Suche“ packen, da im Großteil dieser Romane die Suche nach dem Täter im Mittelpunkt steht. Aber ich habe „Knochenfinder“ nicht wegen des Krimianteils für diesen Punkt der Themen-Challenge ausgewählt, sondern wegen der Passagen rund ums Geocaching. Es gelingt Melanie Lahmer, diesen Teil ihrer Geschichte sehr reizvoll zu schildern, gerade in den Szenen, in denen es um Caches geht, bei denen der Suchende auch noch Rätsel zu lösen hat oder sich wie bei einer Schnitzeljagd von Hinweis zu Hinweis bewegt, um am Ende den Cache in die Finger zu bekommen, der die eigentliche „Beute“ darstellt.
Was die restliche Geschichte angeht, so habe ich mich ganz gut unterhalten gefühlt. Kein Roman, der mich mitreißen konnte, aber auch keine Enttäuschung. Die Hauptfigur Natascha Krüger wurde von der Autorin – ebenso wie ihre diversen Kollegen – recht sympathisch angelegt, die Handlung war nicht atemberaubend, hat mich aber immer wieder fesseln können, und ihre Heimat Siegen, wo der Roman spielt, hat Melanie Lahmer sehr liebevoll geschildert. Trotz diverser Details zur Stadt, ihrer Geschichte und ihrer Umgebung hatte ich nicht das Gefühl, dass ich hier einen Regionalkrimi in der Hand hätte – was jetzt vermutlich zu einer Diskussion über die Definition von Regionalkrimi führen könnte. 😉 Stattdessen hatte ich den angenehmen Eindruck, dass da jemand über etwas Vertrautes schreibt, ohne damit zu übertreiben.
Doch bei all den netten Charakteren und den persönlichen Szenen (zum Beispiel zwischen Natascha und ihrem dreibeinigen Kater Fritz oder die, in denen der Leser mehr über das Familienleben von Nataschas Vorgesetztem Winterberg erfährt), fehlte mir das richtige Mitratenkönnen bei diesem Krimi. Es gab eine Menge Personen, die nur kurze Auftritte hatten, und obwohl ich das Buch an einem Tag gelesen habe, gab es immer wieder Momente, in denen ich zurückblättern musste, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob ich jetzt die richtige Figur dem richtigen Gespräch zuordnete – und das passiert mir sonst wirklich sehr selten. Bei all der Masse an Dialogen, Wiederholungen von Informationen, Figuren und mehr oder weniger relevanten Hinweisen und Überlegungen blieben bei mir zwar viele Eindrücke zurück, aber vieles davon war nicht greifbar genug, um den Charakteren genug Profil zu verleihen oder mir das Gefühl zu geben, ich könnte mitermitteln.
Und am Ende empfand ich den Täter und sein Motiv als unglaublich unbefriedigend. Ich muss als Leser nicht unbedingt die Gründe für ein Verbrechen nachvollziehen können, aber ich erwarte vom Autor, dass er mir glaubhaft vermittelt, dass der Täter aus einer bestimmten Motivation heraus handelt. Und egal, wie gestört, besessen, wütend, dumm oder was auch immer der Verbrecher ist, ich mag am Ende einer Geschichte nicht dasitzen und mich fragen, ob das wirklich alles gewesen sein soll. Selbst wenn es vielleicht realistischer ist, dass ein Motiv für einen Außenstehenden nicht stimmig zu sein scheint, so sollte es in einem Krimi, bei dem einige Passagen auch aus der Sicht des Täters geschrieben sind, für den Leser nachvollziehbar sein.
Trotz dieses für mich frustrierenden Endes ist „Knochenfinder“ ein solides Debüt – und ich hoffe sehr, dass es irgendwann einen zweiten Roman von Melanie Lahmer geben wird, der zeigt, dass sie nicht nur realistische Ermittlungen, interessante Details über diverse Themengebiete und sympathische Charaktere präsentieren kann, sondern auch eine mitreißendere Handlung mit einem überzeugenderen Bösewicht.
Nachtrag: Beim Thema „Geocaching“ kommt mir zur Zeit übrigens als erstes „Fünf“ von Ursula Poznanski in den Sinn (welches ich hoffentlich auch bald lesen kann). Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, dass zwei Romane mit diesem Thema so zeitnah veröffentlicht wurden, finde es aber interessant, dass Melanie Lahmer am Ende ihres Buches einen recht deutlichen Verweis auf „Erebos“ eingebaut hat. 😉
"Fünf" kann ich wärmstens empfehlen, ich fand es sehr spannend!!
Grüßchen
Aly mit den 3 Kuhkatzen
@Aly: Ich habe das Buch schon vor einiger Zeit in der Bibliothek vorgemert, aber bei so aktuellen Titeln dauert es immer eine Weile. Ich denke auch, dass es mir gefallen wird und bin schon sehr gespannt darauf! 😀
"Fünf" ist mir auch gleich in den Sinn gekommen, als ich den Klappentext in deiner Rezi gelesen habe… Das hat mir übrigens auch sehr gut gefallen, wobei mich der "Knochenfinder" jetzt eher weniger anspricht. Aber ich lese Krimis und Thriller sowieso eher selten.
Viele Grüße!
@buchstabentraeume: Ich habe früher Krimis und Thriller gern gelesen, war dann aber sehr übersättigt davon. Jetzt lese ich regelmäßig wieder Titel aus den Genres, bin aber auch recht kritisch, wenn mich die Geschichte nicht packt.
"Knochenfinder" war nett und unterhaltsam und hatte ein paar sympathische Figuren, war aber in meinen Augen nicht spannend.
Umso neugieriger bin ich auch "Fünf" …
Das mit der Sättigung ist wohl bei jedem Genre so. Im Moment geht es mir so mit Jugendbüchern, insbesondere Dystopien. Ich denke, man sollte immer für Abwechslung sorgen.
Das Lesen von Dystopien habe ich gar nicht erst angefangen, ich habe eine Zeitlang sehr viele aus den 70er- und 80er-Jahren gelesen und hatte das Gefühl, dass mir die aktuellen nicht so gut gefallen würden. 😉
Aber du hast recht, wenn man abwechslungsreich liest, dann ist man auch nicht so schnell übersättigt. 🙂
heisst das, du hast The hunger games nicht gelesen?
Ich weiß zwar nicht, wie du jetzt auf "The Hunger Games" kommst, aber nein, die habe ich nicht gelesen. Die wurden mir zu sehr gehypt und das hat mir – zumindest vorerst – jegliche Lust genommen.
(Ich glaube, wenn ich die Harry-Potter-Bücher nicht vor Veröffentlichung über ein Buchhandelsleseexemplar entdeckt hätte, dann hätte ich davon auch die Finger gelassen. 😉 )
Ah … klar! Die Dystopien! Kommt davon, wenn man sich nicht mehr erinnert, was man am Abend zuvor geschrieben hat. *g*