„Midnight Blue-Light Special“ ist der zweite Teil der „InCryptid“-Serie von Seanan McGuire und erfordert meiner Meinung nach zwingend das Vorwissen aus dem ersten Band „Discount Armaggedon“, um die Geschichte in allen Facetten genießen zu können. Hatte ich nach dem Lesen des Reihenauftakts noch gemutmaßt, dass die Serie im zweiten Band etwas weniger gemächlich startet, so muss ich zugeben, dass ich mich da getäuscht hatte. Auch dieser Roman entwickelt sich sehr langsam, aber das hat mich in keiner Weise gestört, weil ich es wirklich unterhaltsam fand, welche Entwicklungen sich seit dem Kampf gegen den Schlangenkult ergeben haben und wie Verity Price und die anderen Figuren mit den aktuellen Ereignissen umgehen – die es wirklich in sich haben.
Für Verity haben sich in den letzten Wochen ein paar kleine, aber entscheidende Dinge geändert. Sie arbeitet zwar immer noch für die „Freakshow“, aber der Club wird inzwischen von einem anderen Besitzer geführt, was das Niveau doch etwas gehoben hat. Außerdem muss Verity immer wieder feststellen, dass ihr Brotjob in der „Freakshow“ und ihre „Nebenbeschäftigung“ als Kryptozoologin ihr nur wenig Zeit lassen, um ihre Karriere als professionelle Tänzerin voranzutreiben. Und während die junge Frau inzwischen immer mehr Freunde unter den „übernatürlichen“ Bewohnern von Manhattan findet, wird gleichzeitig ihr potenzieller Freund Dominic DeLuca misstrauisch von allen beäugt, da er als Mitglied des „Covenant of St. George“ zu den Erzfeinden aller nichtmenschlichen Wesen gehört.
Umso beängstigender ist es, als Dominic eines Abends Verity darüber informiert, dass der „Covenant“ eine Abordnung aus Europa schickt, die seine Arbeit in Manhattan überprüfen soll. Ihm ist dabei durchaus bewusst, dass sein Orden nicht nur Veritys Freunde, sondern auch die junge Frau selbst als jagbares Objekt ansehen wird, da ihrer Familie den „Covenant“ vor einigen Generationen verraten hatte. Aber natürlich kann Verity ihre Aufgabe und ihre Freunde nicht so einfach im Stich lassen – was selbstverständlich zu einigen kritischen Situationen führt.
Ich muss zugeben, dass es am Anfang der Geschichte viel Planung und Hin und Her gibt, weil jeder Beteiligte seine Lieben und seine Freunde aus der Gefahrenzone bringen will und man natürlich überlegen muss, wie sich all die übernatürlichen Wesen vor dem Orden verbergen können. Aber da diese Phase auch eine Menge über Veritys Familie und ihr Umfeld verrät, habe ich mich trotzdem gut unterhalten gefühlt. Für die junge Frau steht vor allem die Frage im Raum, ob sie Dominic vertrauen kann und für welche Seite er sich am Ende entscheiden wird. Denn dass er nicht langfristig sowohl dem Orden dienen als auch eine Beziehung mit ihr führen kann, steht ohne Frage fest.
Doch so richtig gut waren für mich die Passagen, in denen Istas vorkam. Ich mochte die Gothic-Lolita-Waheela (es gibt übrigens mehr zum Thema Waheela auf der Autorinnenseite) schon im ersten Band, und hier hat sie deutlich mehr Szenen, in denen ihr Charakter noch ausführlicher beleuchtet wird. Sehr schön ist da zum Beispiel ein Gespräch zwischen ihr und Veritys Cousine Sarah, während die beiden in der Kanalisation unterwegs sind:
„I realize I wear frilly clothing and impractical shoes, and that by many people’s standards, I am odd, but I am not stupid. […] I am here because Verity is my friend, and would look on me with sadness if I were to allow you to come to harm. Friendship is a rare thing among my people. We do not practice it often, and most of us do not practice it very well. I am hoping to be a better friend to Verity than my brothers and sisters were to me.“ (S. 219)
Auch über Sarah und ihre Spezies erfährt man in diesem Band deutlich mehr – einige Passagen sind sogar aus ihrer Sicht geschrieben. Ich mag den Gegensatz zwischen ihrer gefährlichen Natur und ihrer unsicheren Persönlichkeit, finde es stimmig, dass eine telepathische Rasse „gesichtsblind“ ist, weil sie Personen eben nicht an äußerlichen Aspekten identifizieren, und konnte mir gut vorstellen, wie ermüdend es sein kann, wenn der eigene angeborene Schutzmechanismus dafür sorgt, dass man kaum eine Beziehung aufbauen kann.
So sind es in diesem Buch eher die verschiedenen faszinierenden Charakter, die fantastische und detailliert beschriebene Welt und der Humor als die Handlung an sich, die mich gut unterhalten haben. Aber auch wenn die Geschichte für meinen Geschmack etwas actionreicher hätte sein können (und da zähle ich sogar das dramatische Ende mit dazu), so bin ich definitiv nicht unzufrieden damit, dass dieser Roman sich anders entwickelte, als ich erhofft hatte. Und jetzt bin ich gespannt, wie mir die kommenden Bände der Serie gefallen, in denen nicht mehr Verity, sondern ihre Geschwister im Mittelpunkt stehen.
Auch wenn ich jetzt nur einen kleinen Teil des Beitrages lesen konnte (will mich ja nicht spoilern…), klingt das doch wieder sehr gut. Freut mich, daß die Reihe sich gut zu entwickeln scheint 🙂 Und ich bin auch gespannt, wie sich das mit wechselnden Hauptpersonen so gestalten wird – so etwas kann ja auch schiefgehen. Hoffen wir das Beste!
Och, noch konnte ich den zweiten Teil so gut wie ohne Spoiler besprechen. Du kannst also einen richtigen Blick riskieren. 😉
Und da in diesem Band schon zwei Personen die Geschichte erzählten und dass gut funktionierte, denke ich, dass die Reihe auch einen Perspektivwechsel von Band zu Band verträgt. 🙂
Ich trau mich nicht, schließlich habe ich auch den ersten noch nicht gelesen… Meist kann ich die ersten und die letzten Absätze ganz gut lesen 😉
Wenn du den ersten Absatz schon gelesen hast, dann hast du alle Dinge, die ich als "Spoiler" empfinden würde, auch schon gelesen. 😀
Du könntest dich natürlich jetzt einfach mal etwas intensiver auf "Discount Armaggedon" konzentrieren und dann meine Rezi vollständig lesen. 😉