Schlagwort: SuB-Losverfahren

Ernst Solèr: Staub im Paradies

Dieses Buch habe ich im Rahmen des sechsten „SuB-Losverfahren“ von Kari gelesen – und ich muss zugeben, dass ich es nicht so schnell aus dem SuB befreit hätte, wenn mir nicht gerade dieser Roman zugelost worden wäre. Dabei weiß ich gar nicht, warum dieser Krimi solange auf dem SuB ruhte. Mit den Büchern vom Grafit-Verlag habe ich viele positive Erfahrungen gemacht und so dick war der Roman ja auch nicht, dass einen der Umfang vom Lesen abgeschreckt hätte.

„Staub im Paradies“ von Ernst Solèr führte mich gleich zweifach ins Ausland: Einmal konnte ich eine Mordermittlung im Zürich miterleben, auf der anderen Seite den Urlaub des Zürcher Kantonspolizisten Fred Staub. Dieser ist mit seiner Familie (Ehefrau, Sohn und Freundin des Sohnes) nach Sri Lanka geflogen, um seine Tochter Anna zu besuchen. Die junge Wissenschaftlerin lebt schon länger in diesem Inselstaat, weil sie in einer Forschungsstation arbeitet, und hat sich inzwischen dort nicht nur gut eingelebt, sondern mit Doktor Tschaggat auch einen einheimischen Arzt als Freund.

Während dieser Urlaub Fred Staub eigentlich mal eine Auszeit von seiner Arbeit als Polizist verschaffen soll, muss dieser kurz nach seiner Ankunft miterleben wie ein Kollege seiner Tochter erschossen wird. Das herbeigerufene Militär ist sich sicher, dass tamilische Rebellen hinter dem Anschlag stecken, doch Staub ist ebenso wie sein Kollege Verasinghe davon überzeugt, dass hinter diesem Mord mehr steckt. Abgesehen davon, dass das Vorgehen nicht dem der Rebellen entspricht, sind die tamilischen Kämpfer in diesem Teil Sri Lankas eigentlich nicht aktiv. So beginnt Fred Staub gemeinsam mit dem einheimischen Polizisten zu ermitteln.

Auch bei der Mordermittlung in Zürich besteht eine Verbindung nach Sri Lanka, da der Tote ein Tamile ist, der gerade erst in die Schweiz eingereist war. Dabei besteht für die Polizisten das größte Problem darin, dass es in Zürich eine große tamilische Gemeinde gibt, die nicht bereit ist bei den Ermittlungen zu kooperieren. Jeder Hinweise, den die Beamten erhalten, scheint nur noch mehr Fragen aufzuwerfen – umso willkommener ist es ihnen, dass sie mit Fred Staub jemanden haben, der in der Heimat des Ermordeten ein paar Erkundigungen anstellen kann.

Ich muss zugeben, dass die Krimihandlung zwar recht vielversprechend anfängt, aber so richtig glücklich war ich damit nicht. Ernst Solèr hat das Potenzial, das ihm die Handlung auf Sri Lanka und die Darstellung der tamilischen Gemeinschaft in der Schweiz geboten hat, leider nicht ausgenutzt – und das Ende war in meinen Augen etwas arg bemüht und für den Leser unbefriedigend. Trotzdem habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, denn ich  mochte die Figuren und die Geschichte ist sehr leicht und humorvoll geschrieben.

Der Autor hat wirklich liebenswerte Charaktere geschaffen und ihm gelingt es schon mit kleinen Szenen die Persönlichkeit einer Figur dazustellen. Fred Staub zum Beispiel ist kein einfacher Mensch, er ist dickköpfig, hat seine ganz eigenen Ansichten und zeigt keinerlei Bereitschaft auf sein Umfeld einzugehen. Trotzdem wächst er einem dank seiner unbändigen Neugierde schnell ans Herz. Seine Familie ist ein wenig ungewöhnlich, die Ehefrau zeigt ein erstaunliches Verständnis für Staubs Marotten, der Sohn ist ein richtiger Looser und dessen neue Freundin zeigt manchmal mehr Energie und Engagement als angebracht zu sein scheint. Und die Polizistin Gret ist voller Leidenschaft für ihren Beruf, auch wenn sie gegen einen kleinen Flirt während einer Befragung nichts einzusetzen hat. Alles in allem fand ich die Charaktere stimmig und recht realistisch beschrieben, sie allen hatten Ecken und Kanten, was sie sympathisch machte.

Neben den Figuren liegt der zweite Schwerpunkt von „Staub im Paradies“ auf der Beschreibung Sri Lankas. Ernst Solèr hat vier Monate dort gelebt und man merkt schnell, wie sehr ihm Land und Leute ans Herz gewachsen sind. Trotz Hitze und Insekten (was mir beides so gar nicht liegt) hat der Autor bei mir Lust geweckt, die Landschaft mit eigenen Augen zu sehen und vielleicht auch einmal die Gastfreundschaft der Menschen zu erleben.

Dieser Roman ist übrigens der vierte Krimi rund um Fred Staub – und wenn mir einer der ersten drei Bände in die Hände fallen sollte, dann werde ich mir den bestimmt auch noch durchlesen. Wobei ich sagen kann, dass man auch ohne Vorkenntnis dieses Buch gut verstehen konnte und ich nicht das Gefühl hatte, ich würde was verpassen. Leider wird es aber keine weiteren Fortsetzungen dieser Reihe geben, da der Autor schon im Sommer 2008 verstorben ist und dieses Buch posthum veröffentlicht wurde.

Rachel Hore: Der Garten der Erinnerung

Dieses Buch habe ich im Rahmen von Karis fünftem SuB-Losverfahren gelesen und es hat sich als recht angenehme Sommerlektüre herausgestellt. Die Geschichte teilt sich in zwei Handlungen auf. Auf der einen Seite verfolgt man das Leben von Mel, die zu heutiger Zeit in London lebt und dort an einer Universität eine Stelle als Dozentin hat. Der zweite Teil erzählt von Pearl, einer jungen Frau aus Cornwall, die im Jahr 1912 bei einem Brand ihr Zuhause verlor und eine Anstellung als Dienstmädchen in einem Herrenhaus annehmen musste.

Mel hat vor knapp einem Jahr ihre Mutter verloren, die an Krebs starb, und erst vor wenigen Wochen hat sie sich auch noch von ihrem Freund getrennt, da dieser andere Vorstellungen vom gemeinsamen Leben hatte als sie. Emotional ausgelaugt nimmt sich Mel ein Freisemester an der Uni und will die Zeit nicht nur nutzen, um wieder zur Ruhe zu kommen, sondern auch um ein Buch über eine Künstlergemeinschaft aus Cornwall zu schreiben, die zur Zeit des Impressionismus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte.

Um direkt vor Ort Nachforschungen anstellen zu können, mietet sie von einem Freund ihrer Schwester Chrissie, der vor kurzem ein ehemaliges Herrenhaus in Cornwall geerbt hat, ein kleines Cottage. Dort hängen kleine Zeichnungen an der Wand, die mit P.T. signiert sind und die Mels Neugierde wecken. Zusammen mit ihrem Vermieter Patrick versucht sie mehr über diese Zeichnungen – und die früheren Besitzer des Herrenhauses herauszufinden. Gemeinsam erliegen die beiden dem Charme des Gartens und machen sich daran, das ungepflegte Landstück wieder in altem Glanz auferstehen zu lassen.

Pearls Anteil an diesem Roman ist deutlich geringer als der von Mel. Nur manchmal gibt es ein ganzes Kapitel, in dem erzählt wird, wie es der jungen Frau als Dienstmädchen ergeht. Weitere Hinweise über ihr Leben erhält man hier und da am Ende eines Kapitels, in dem sich die Handlung um Mel drehte, wo man manchmal einen kursiven Absatz findet, der Pearls Gedanken wiedergibt.

Die Handlung in „Der Garten der Erinnerung“ ist sehr vorhersehbar. Auf der einen Seite gibt es da Mel und Patrick, die beide gerade unangenehme Beziehungen hinter sich gebracht haben und nun Trost beieinander finden, auf der anderen Seite das junge Dienstmädchen, das sich für Malerei interessiert und sich in den Erben ihrer Arbeitgeber verliebt. Wie das Ganze endet, kann wohl jeder erraten … Aber ich muss betonen, dass Rachel Hore ihre Geschichte auf eine sehr schöne Weise erzählt. Obwohl die Handlung eher dahinplätschert und es kaum Höhen oder Tiefen gibt, fand ich es sehr nett dieses Buch zu lesen. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf Mel und Patrick, die sich nicht einfach kopfüber für eine neue Beziehung entscheiden können (was bei anderen Bücher dazu führen würde, dass sich daraufhin alles in Wohlgefallen auflöst). Beide haben aufgrund ihrer vergangenen Erfahrungen ein paar Altlasten, die sie erst einmal verarbeiten müssen.

Mel ist extrem misstrauisch, schnüffelt Patrick irgendwann sogar soweit hinterher, dass ich ihr Verhalten kaum noch akzeptieren konnte, und hat ihren Ex-Freund immer noch nicht so ganz überwunden. Ebenso geht es Patrick, der sich immer noch für die ehemalige Verlobte verantwortlich fühlt und der nicht verstehen kann, dass sich Mel daran stört, dass er immer noch für die andere Frau da ist. Auch gibt es immer wieder Dinge, bei denen er Mel ausschließt, was sie natürlich in den Wahnsinn treibt. Doch es gelingt Rachel Hore all dieses am Ende in eine realistische kleine Liebesgeschichte zu verwandeln, sodass man das Buch mit dem befriedigende Gefühl zuklappt, dass man mal eine Geschichte mit ganz normalen Menschen voller Fehler und Schwächen gelesen hat.

Und da das alles so ganz normal ist, ist es auch gut, dass die Autorin noch die zweite Handlung eingeflochten hat, denn so gibt es doch noch ein paar Dinge, auf die man neugierig bleibt und die einen von der Alltäglichkeit der Hauptgeschichte ablenken. „Der Garten der Erinnerung“ ist wohl kein Buch, dass ich ein zweites Mal lesen würde, aber für einen heißen Sommertag, an dem man sich nicht auf eine komplizierte Handlung konzentrieren will und einfach nur eine nette und unterhaltsame Erzählung sucht, ist der Roman gut geeignet.

Hans Werner Kettenbach: Das starke Geschlecht

In den letzten Jahren habe ich mich irgendwie zu einem „Fast-Food-Leser“ entwickelt und genieße vor allem eher leichte und unterhaltsame Romane, während ich mich als Teenager intensiv mit klassischer Literatur auseinandergesetzt habe. Damals habe ich zwar nicht jedes Buch verstanden (zumindest ist das im Nachhinein mein Eindruck), aber jeder dieser Klassiker hat mich nachhaltig beeindruckt. Doch auch heute stolpere ich immer wieder über Titel, die man eher von Literaturkritikern besprochen als auf den Bestsellerlisten sieht und die eine schöne Abwechslung zur leichten Unterhaltung bieten.

„Das starke Geschlecht“ ist so ein Titel, den ich mir vor allem aus Neugierde auf den Autor zugelegt habe – und nach einem kurzen Blick hinein landete das Buch erst einmal auf dem SuB. Denn statt einer Geschichte über einen Gerichtsstreit oder etwas ähnliches, wie ich es nach dem Klappentext erwartet hatte, bekam ich einen jungen Anwalt und ein recht betagtes Ehepaar, die alle drei ständig mit dem Thema Sex beschäftigt waren. Ohne Karis SuB-Losverfahren hätte ich es wohl auch so schnell nicht wieder aus dem Regal geholt, aber da Irina das Buch für mich nun mal gezogen hatte, musste ich mich da jetzt mal durchkämpfen. Und ein Kampf wurde es, denn ich konnte von der ersten Seite an mit den Figuren nichts anfangen.

Um mal das Positive herauszustreichen: Hans Werner Kettenbach verwendet eine schöne und klare Sprache (von ein paar Ausnahmen abgesehen, die durch die Charaktere, die in dem Moment zu Wort kommen, erklärt werden) und man merkt, dass er ein genauer Beobachter ist, der auch die kleinen Dinge sehr schön und detailliert beschreibt. Auch entdeckt man erst allmählich die vielen verschiedenen Schichten der unterschiedlichen Persönlichkeiten und lernt die Erzählweise des Autors zu schätzen (was leider nicht bedeutet, dass ich sie mag).

Trotzdem werde ich nach „Das starke Geschlecht“ wohl nie wieder zu einem Roman von Hans Werner Kettenbach greifen. Dieses Buch beginnt damit, dass der neunundzwanzigjährige Anwalt Alexander Zabel den Fabrikanten Herbert Klofft in einem Rechtsstreit vertreten muss. Der alte Mann hatte einer langjährige Mitarbeiterin fristlos gekündigt, da diese sich – seiner Meinung nach – durch einen Krankschreibung einen nicht genehmigten Urlaub erschlichen hatte. Erst langsam kommt Alexander dahinter, dass der Fabrikant mit der Klägerin Katharina Fuchs jahrlange ein Verhältnis hatte. Und nur durch die Informationen, mit denen ihn Cilly, die Ehefrau von Herbert versorgt, erfährt Alexander die nötigen Details, die er für die Verteidigung seines Mandanten benötigt.

Doch die Handlung plätscherte dahin und die Anklage gegen den Fabrikanten ist nur ein Vorwand für den Autor um die Beziehungen der verschiedenen Charaktere zueinander zu beleuchten. Leider konnte ich keine dieser Personen auch nur annähernd ausstehen! Ich mochte mich mit ihnen nicht beschäftigen – und das hat sich auch im Laufe der Geschichte nicht geändert. Herbert Klofft ist ein geiler alte Bock, dessen einziges Bedauern der Tatsache gilt, dass er im Alter nicht mehr zum Sex in der Lage ist. Dieser Punkt ist so viel schlimmer als die Krankheit, an der er gerade elend zugrunde geht. Also versucht er nicht nur wieder Gewalt über seine ehemalige Geliebte zu bekommen, sondern bezahlt auch eine Haushälterin und Pflegerin, die ihn regelmäßig animieren soll.

Jedes Detail über sein „Liebesleben“ erzählt er mit Genuss und unter Verwendung einer abstoßend obszönen Sprache seinem Anwalt und wirft bei mir die Frage auf, warum sich Alexander Zabel sowas überhaupt antut. Der ist in meinen Augen sowieso ein Weichei – um es mal freundlich zu umschreiben. Anfangs gefiel es mir, dass der Anwalt gewisse Grundprinzipien hat, die ihm anerzogen wurden und nach denen er auch als Erwachsener lebt. Er ist höflich, freundlich und pflichtbewusst und erst einmal nur ganz nett, aber langweilig. Doch in seiner Beziehung zu der Reporterin Frauke steht er gehörig unter dem Pantoffel und es wurde mir nicht klar, was diese beiden Personen überhaupt verbindet und warum er sich von ihr so viel gefallen lässt.

Außerdem fühlt er vom ersten Augenblick an eine starke sexuelle Anziehung zu Cilly Klofft. Dabei stören mich weder der Altersunterschied von 44 Jahren (er ist 29, sie 73) oder die Beschreibungen ihrer körperlichen Vorzüge (auch wenn ich da schnell an Operationen und Botox denken musste), sondern der Umgang der beiden miteinander und die Art und Weise wie dieser beschrieben wurde. Er fühlt sich fasziniert von dieser Frau – und abgestoßen von seinen eigenen Gefühlen – und sie spielt mit ihm, reizt ihn immer wieder, will ihn verführen und nimmt ihn doch nicht ernst.

Es gab bei diesem Buch kaum ein Kapitel bei dem ich mir nicht gewünscht habe, ich könnte es einfach aus der Hand legen und müsste mich nicht mehr mit diesen unangenehmen Personen beschäftigen. Nicht einmal das Mitleid, das im Laufe der Handlung gegenüber den verschiedenen Figuren aufkam, konnte diese Gefühle mildern. Auf der anderen Seite habe ich den Roman als Herausforderung gesehen, wurde trotzig und war wild entschlossen ihn zum Ende zu bringen. So habe ich mich irgendwann in einer Woche durchgekämpft und zwischendurch sogar über Sex, Liebe, Beziehungen und das Altern nachgedacht – und kann nun behaupten, dass dieser Autor (wenn ich von diesem Titel auf sein Gesamtwerk schließen darf) nichts für mich ist!

Immerhin ist nun der SuB wieder um ein Buch geschrumpft und ich kann für mich endlich diese Runde von Karis Losverfahren abschließen.

Chris Ewan: Amsterdam

Nachdem Karis SuB-Losverfahren ja schon dafür gesorgt hatte, dass ich mich endlich mal mit „Königsallee“ von Horst Eckert beschäftigte, hat mir das Warten auf die nächste Runde fast ein wenig zu lange gedauert. 😉 Also war Kari so lieb und hat mir per Mail eine weitere Zahl genannt, anhand derer ich einen Roman aus meinem Regal fischen konnte. Lustigerweise hat sie – genau wie meine „Glücksfee“ – die 55 gewählt und so traf es den Krimi, der sich vor ein paar Wochen noch liebevoll an „Königsallee“ schmiegen konnte.

Die Hauptfigur in „Amsterdam“ ist der Engländer Charlie, ein Schriftsteller und ein Einbrecher. Obwohl er als Jugendlicher mal bei einem kleinen Einbruch erwischt wurde, kann er eine weiße Weste vorweisen, war nie im Gefängnis – und hängt natürlich auch nicht an die große Glocke, dass er einem illegalen Nebenerwerb nachgeht. Umso mehr überrascht es ihn, als eines Tages ein Amerikaner mit ihm Kontakt aufnimmt und ihn beauftrag zwei kleine Affenfiguren zu stehlen. Obwohl Charlie bei dem Gedanken an diese Einbrüche nicht ganz wohl ist, lässt er sich von seiner Neugierde und der Suche nach Nervenkitzel zu diesem Auftrag hinreißen. Wenig später findet er eine Leiche, wird des Mordes verdächtigt und von mehreren Parteien gejagt.

Die Geschichte lässt mich ein wenig zwiespältig zurück. Auf der einen Seite fand ich Charlie und sein Umfeld recht sympathisch und habe es genossen, dass Chris Ewans in seiner Handlung viele Kleinigkeiten berücksichtigte, die sonst gern mal unter den Tisch fallen. Sein Einbrecher ist weder aufgrund von Not oder einer schweren Kindheit auf die schiefe Bahn geraten, er plant seine Schritte normalerweise sehr sorgfältig und geht sehr gründlich vor. Manchmal sogar detaillierter als es mir lieb war, denn stellenweise ging diese Detailversessenheit auf Kosten der Spannung.

So misstrauisch und vorsichtig Charlie normalerweise vorgeht, so sehr verwundert es dann doch, dass er immer wieder gewillt ist, sich auf die Aussagen seiner Gesprächspartner zu verlassen. Auf der anderen Seite wird der Leser immer mal wieder bewusst im Unklaren gelassen, eine Vorgehensweise, die mich wirklich kirre macht. Charlie öffnet eine Schublade, macht eine aufsehenerregende Entdeckung – und ich erfahre erst im nächsten Kapitel, was er da gesehen hat. Auch wenn mir so das Mitraten erschwert wurde, hatte ich doch recht schnell den richtigen Täter in Verdacht.

Trotz dieser Schwachpunkte war „Amsterdam“ eine sehr entspannte und unterhaltsame Lektüre. Die Holländer und ihre Stadt wurden liebevoll (wenn auch nicht immer meinen Erfahrungen gemäß *g*) beschrieben und Chris Ewan hat sympathische und recht realistische Figuren geschaffen und diese vor ein interessantes Problem gesetzt. Es gibt bessere und/oder spannende Krimis, aber trotzdem werde ich wohl die Augen nach der Fortsetzung, „Kleine Morde in Paris“ aufhalten, denn manchmal reicht es, wenn eine Geschichte einfach nur nett ist.

SuB-Losverfahren – Horst Eckert: Königsallee

Um meinen SuB ein wenig zu verkleinern, habe ich an Karis aktuellem SuB-Losverfahren teilgenommen. Gilfaen hatte für mich die Nummer 55 gewählt, was sich als „Königsallee“ von Horst Eckert herausstellte. Der Krimi ruht schon eine Weile auf meinem SuB. Auf der einen Seite finde ich die Regionalkrimis aus dem Grafit-Verlag immer wieder spannend zu lesen, auf der anderen Seite hatte ich in den letzten Monaten recht wenig Lust auf eine Geschichte, die sich um Artnapping, organisiertes Verbrechen und interne Ermittlungen dreht.

Und so ist es auch nicht erstaunlich, dass ich mich in die Handlung ein wenig einlesen musste. Horst Eckert hat es mir auch nicht leichter gemacht, denn nach einem kurzen Prolog, der in einem kleinen osteuropäischen Land spielt, hüpft die Geschichte nach Düsseldorf. Dort lernt der Leser den Polizisten Jan Reuter und diverse andere Personen kennen, aus deren Perspektive der Kriminalfall erzählt wird. Bedauerlicherweise ist keiner der Charaktere tiefer beschrieben worden und die ständigen Stereotype gingen mir schnell auf den Geist. Für die Anspielungen bezüglich der städtischen Politiker, den Prominenten und den Örtlichkeiten zu verstehen kenne ich Düsseldorf zu wenig. Vielleicht hätten diese Details den Krimi interessanter gemacht. Aber so konnte mich die Geschichte allein nicht überzeugen.

Schon früh erfährt man als Leser, dass ein kleiner osteuropäischer Präsident/Verbrecher sich nach Deutschland absetzen und dort ein neues Imperium aufbauen will. Mit diesem Hintergrundwissen ist man der Polizei, die in Düsseldorf bei verschiedenen Verbrechen ermittelt, ein gutes Stückchen voraus – was nicht gerade zur Spannung beiträgt. Während Kriminaloberkomissar Jan Reuter noch versucht eine Verbindung zwischen einem Kunstraub und einer kriminellen Größe der Düsseldorfer Unterwelt herzustellen, wird sein Informant Robby ermordet. Kurz darauf wird auch die Leiche von Robbys Freundin, der Tochter eines Richters (der als zukünftiger Innenminister gehandelt wird) gefunden.

Daraus entwickelt sich ein Krimi rund um das Organisierte Verbrechen, korrupte Politiker und bestechliche Polizisten. Doch aufgrund der sprunghaften Erzählweise, der mangelnden Herausforderung für den Leser und den depremierenden Figuren entwickelt sich aus diesen klassischen Zutaten keine spannende Geschichte. Ein Großteil der Wendungen sind vorhersehbar und keine einzige Person ist wirklich sympathisch. Der einzige Mensch, der anscheinend keinen Dreck am Stecken hat, wird so besserwisserisch dargestellt, dass man mit ihm eigentlich auch nichts zu tun haben will.

Großen Spaß hat mir das Buch nicht gemacht, aber ich bin froh, dass der Roman durchgelesen ist. Mein SuB ist wieder ein kleines Stückchen geschrumpft und das ist immer schön zu sehen. 😉